Wie lebt es sich mit der Todesstrafe?
Wenn ein Filmtitel mit einer derart gewaltigen Behauptung daherkommt, muss man auf der Hut sein. Da kann die Geschichte, wie in der ersten Episode von Mohammad Rasoulofs Berlinale-Gewinner, noch so harmlos einsetzen. Man ahnt bereits, dass hier etwas im Argen liegt, als Heshmat sich mit seiner Frau und Tochter durch die hektischen Straßen von Teheran kämpft, einkauft oder allein vor dem Fernseher sitzt. Zu normal, zu friedlich kommen diese Szenen daher, in denen wir dem Familienalltag beiwohnen, ob beim Pizza-Essen oder Haare-Färben, bevor der fürsorgliche Ehemann schließlich zur Nachtschicht aufbricht. Man fragt sich gerade noch, was er wohl beruflich genau tut. Und plötzlich schlägt das Grauen zu. Manchmal genügt ein einziger Knopfdruck.
Doch das Böse gibt es nicht ist ein Episodenfilm, der die Todesstrafe im Iran anhand von ausgewählten Menschen verhandelt, die sich direkt oder indirekt mit ihr konfrontiert sehen und vor der Frage stehen, wie man im Angesicht eines repressiven Regimes einen einigermaßen moralischen Verstand behält. Allein aufgrund der Thematik verwundert es kaum, dass Rasoulof Schwierigkeiten hatte, seinen Film ohne fremde Hilfe fertigzustellen. Dazu kommt, dass der Regisseur im Juli 2019 aus Gründen der „nationalen Sicherheit“ und Propaganda gegen die Regierung zu einer einjährigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Zwar musste er die bisher nicht antreten, dennoch merkt man dem Werk an, dass es nicht nur seine Handschrift trägt. Für Aufnahmen in der Öffentlichkeit ließ er zeitweise Stellvertreter auf dem Regiestuhl Platz nehmen, delegierte und operierte aus Sicherheitsgründen aus der Ferne und kümmerte sich um so intensiver um die intimen, nicht selten beklemmenden Szenen, die sich in Innenräumen abspielen.
Zwar können die Episoden, die auf die Begegnung mit Heshmat folgen, das hohe Maß an Spannung und Unbehagen nicht durchwegs auf einem ähnlich intensiven Level halten. Vor allem die zweite Erzählung über einen Soldaten, der sich dagegen wehrt, im Todestrakt eines Gefängnisses einen Mann hinzurichten, wirft den Film streckenweise aus seinem Gleichgewicht. Dennoch folgt man den vier beschriebenen Schicksalen stets aufmerksam, denn ihnen ist eine Relevanz und Dringlichkeit eingeschrieben, die eine andere Art der Rezeption kaum zulässt. Die Unausgewogenheit im Rhythmus wie in Rasoulofs Argumentation entspricht der Komplexität seiner Fragestellung, die keine klaren Antworten oder Gewissheiten zulässt. Der professionelle Knopfdruck, den Heshmat zu Beginn des Films tätigt, wirkt am Ende umso länger und schmerzlicher nach.