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Mickey 17

Mickey 17

Doppelspiel

| Pamela Jahn |
Robert Pattinson trifft in Bong Joon-hos Sci-Fi-Komödie „Mickey 17“ auf seinen Doppelgänger, einen Trump-Verschnitt und eine seltsame Alienrasse. Alles ein bisschen viel für einen Film.

Hey Mickey, wie fühlt es sich an zu sterben?“ Der junge Mann, der hier gemeint ist, kennt die Antwort. Er hat den Tod viele Male durchlebt. Es ist sein Job als „Expandable“ für seinen Lebensunterhalt alles zu riskieren, um dann in einer brandneuen Nachbildung seines Körpers und mit intakten Erinnerungen als Klon wiedergeboren zu werden. Die Technik, genauer gesagt: ein neumodischer 3D-Bioprinter, ermöglicht es ihm. Mit dem Raumschiff Drakkar und rund 200 Kolonisten an Bord reist Mickey auf den vereisten Planeten Niflheim, weil es auf der Erde zu gefährlich für ihn wird. Es ist die Vision des herrschsüchtigen Unternehmers Kenneth Marshall (Mark Ruffalo) und seiner charmant manipulativen Frau Ylfa (Toni Collette), den unerschlossenen Planeten für die überlegene Menschheit einzunehmen, eine Kolonie zu errichten, Macht und Einfluss zu expandieren. Man kennt das Spiel, es ist hochaktuell.

Mickey Barnes ist der Mann fürs Grobe, ein menschlicher Crash-Test-Dummy, zu allem bereit. Er soll für das Wissenschaftsteam vor Ort neue Sera testen oder die Umgebung erkunden. 17 Mal hat er alles gegeben. Eines Tages nun kehrt der  Totgeglaubte demoliert, aber lebendig zur Basis zurück – und muss feststellen, dass auch sein Nachfolger bereits gedruckt wurde. Das Problem ist allerdings nicht nur, dass „Mehrfachexistenzen“ illegal sind, sondern vielmehr die Tatsache, dass sein Doppelgänger wild entschlossen ist, Kenneth Marshall zu ermorden. Gemeinsam mit seiner Raumschiff-Romanze Nasha (Naomi Ackie) versucht Mickey das Schlimmste zu verhindern und bald nicht weniger als eine vermeintlich bösartige, aber hochintelligente Alienrasse zu retten, die auf dem Planeten angesiedelt ist.

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Sechs Jahre nach seinem mehrfach oscargekrönten Triumph mit Parasite (2019) hat Bong Joon-ho eine Science-Fiction-Komödie gedreht, die in erster Linie an seine futuristische Fantasy-Fabel Okja (2017) erinnert – ohne übermäßige Sentimentalität, aber getragen von einer Wertschätzung und einem geschärften Bewusstsein gegenüber den merkwürdigen Kreaturen im Film, einer verniedlichten Kreuzung aus Mammut und Kellerassel, die von den Menschen abfällig „Creepers“ genannt werden. Gleichzeitig sprüht der Film vor Energie angesichts der imposanten Blockbuster-Ästhetik und berührt zugleich brisante gesellschaftspolitische Themen, wie man es von dem koreanischen Regisseur gewohnt ist. Doch der versierte Filmemacher, der sich nie auf ein bestimmtes Genre oder auch auf eine sofort wieder erkennbare Form festlegen lassen will, steht diesmal vor einem Problem. Die seinerseits stets bewusste Entscheidung, sich der Welt mit den Mitteln des Genrekinos anzunähern, funktioniert hier nur bedingt. In gewisser Hinsicht leidet Mickey 17 an den Ambitionen seines Schöpfers. Übertriebene Karikaturen und unausgegorene Nebenhandlungen belasten die Geschichte, die auf dem 2022 erschienenen Roman „Mickey7“ des US-amerikanischen Schriftstellers Edward Ashton beruht.

Vielleicht liegt es an den mit US-amerikanischem Geld finanzierten Großproduktionen. Sie wollen Bong Joon-ho einfach nicht so leicht von der Hand gehen wie die Filme, die er in seiner Heimat dreht. Das zeigte sich bereits in Snowpiercer (2013), der auf einer französischen Graphic Novel basierte und die apokalyptische Vision einer unter ewigem Eis und Schnee begrabenen Welt in den Fokus nahm. Darin begehrte das Proletariat auf, das in den hintersten Waggons eines ununterbrochen die Erde umfahrenden High-Tech-Zugs vegetieren muss, während die wenigen Reichen im vorderen Teil allen nur erdenklichen Luxus genießen. Zwar bringt ihr Aufruhr die Unterdrückten einer Neuordnung der Verhältnisse schließlich immer näher. Doch Bongs (Genre-)Kosmos ist komplexer, als dass er einfache Antworten bereithalten würde, wie der Film trotz seiner Mängel eindrücklich zeigt.

Bei Mickey 17 ist die Lage noch schwieriger. Der größte Dorn im Auge ist Ruffalos Figur. Als klare Analogie zu Donald Trump, sowohl für das, wofür er steht, als auch für die Art und Weise, wie er sich gibt, bewegt und aussieht. Die Charakterisierung ist so offensichtlich, gewollt und oberflächlich, dass sie schon fast übel aufstößt. Im Gegenteil zur Realität ist seine Figur die beiläufigste und harmloseste im Film. Toni Collettes Ylfa versucht gleichermaßen, sämtliche ihr zur Verfügung stehenden Strippen zu ziehen, doch der Effekt bleibt auch bei ihr aus, was die meisten Szenen, die sie mit Ruffalo teilt, eher irritierend als amüsant erscheinen lässt.

Umso mehr Arbeit bleibt an Robert Pattinson hängen. Glücklicherweise blüht er in seinem Doppelspiel auf. Die heikle Aufgabe, zwei unterschiedliche Charaktere zu verkörpern – der eine sanft und gefügig, der andere wütend und stur – liegt ihm. Die große Stärke des einstigen Twilight-Schwarms ist sein beeindruckendes Körpergefühl, das sowohl seinen Figuren als auch dem Film insgesamt Charme und den nötigen Unterhaltungswert verleiht.

Es wirkt ein bisschen so, als sei Bong Joon-ho diesmal etwas unschlüssig gewesen, wie und wo er genau den Finger in die Wunde legen sollte – und wie tief. Ähnlich wie seine Titelfigur weiß dieser Film nicht so recht, wohin mit sich. Die politische Satire lenkt den Fokus erneut stark auf die Umwelt, doch angedeutete Kommentare zu so wesentlichen Themen wie Identität und Tod greifen in der aufgedrehten, überambitionierten Inszenierung zu kurz. Erschwerend hinzu kommt, dass Mickey 17 in seinen über zwei Stunden Laufzeit deutlich an Spannung verliert, zumal die interessantesten Aspekte der Prämisse im Hinblick auf Pattinsons unfreiwilliges Helden-Duo zugunsten eines spektakulären Showdowns vernachlässigt werden – gefolgt von einem Appell an die Vernunft, der Mickeys Freundin Nasha zugetragen wird, anstatt dem Zuschauer selbst die Beurteilung zu überlassen. Eine raffinierte Satire mit feinem Gespür und einem gnadenlosen Blick für das Absurde im Banalen sieht anders aus.