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Dossier Yella – Die Leinwand zum Leuchten bringen

Die Leinwand zum Leuchten bringen

| Bettina Schuler |

Devid Striesow gilt als einer der vielseitigsten Theater- und Filmschauspieler Deutschlands mit ausgeprägtem Naheverhältnis zu Filmemachern der Berliner Schule. Ein Porträt des Mannes mit den vielen Gesichtern.

Wenn Devid Striesow in Yella den fiesen Risikokapitalmanager am Verhandlungstisch mimt und sich in seine Broker-Pose wirft, hat man das Gefühl, dass jede Bewegung sitzt. Aalglatt, gemein und mit beeindruckender Präsenz spielt der Schauspieler den fiesen Geldgeber, der das Wirtschaftszocken liebt. Eine Präsenz, die der kürzlich verstorbene Ulrich Mühe in seiner Laudatio auf Striesow, als dieser 2004 den Alfred-Kerr-Darstellerpreis erhielt, als inneres Leuchten beschrieb: „Ein Leuchten, das den Körper nicht als Begrenzung kennt, sondern als Ausgangspunkt, mich zu erreichen.“

1973 auf Rügen geboren und in Rostock als Sohn atheistischer Eltern aufgewachsen, die ihn bewusst Devid nannten, weil ihr Sohn keinen biblischen Namen bekommen sollte, plante Striesow zunächst, eine Lehre als Goldschmied zu absolvieren. Doch weil sein Lehrbetrieb nach der Wende Bankrott ging, bewarb er sich an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch in Berlin – und wurde sofort aufgenommen. Es folgten Engagements am Schauspielhaus Hamburg, am Renaissance Theater und Schauspielhaus Düsseldorf, erste Kinofilme wie Rainer Kaufmanns Kalt ist der Abendhauch (2000) und kleine Fernsehrollen. Mittlerweile gilt Striesow als einer der besten deutschen Schauspieler und arbeitet nicht nur für Großproduktionen wie Der Untergang (2004), sondern auch mit Regisseuren wie Christian Petzold. Überhaupt scheint Striesow ein Gespür für die spannenden Filme zu haben: Ulrich Köhlers Bungalow (2002), in dem er den fürsorglichen großen Bruder par excellence spielt oder Hans-Christian Schmids Episodenfilm Lichter (2003), in dem er einen schmierigen Matratzenverkäufer darstellt. Als einen Schauspieler, der „zart wie die frühe Liebe sein kann, grob wie die Axt im Walde, bitter und böse, verletzt und enttäuscht, verzweifelt und sogar von sich selbst verlassen“, hat Ulrich Mühe ihn weiter beschrieben. Seine damalige Freundin, so berichtet Striesow, sei von der Rede Mühes so begeistert gewesen, dass sie ihm das Manuskript aus den Fingern gerissen hätte. Auch er empfinde die Worte als ein riesiges Kompliment. Ob sie zutreffen? Darauf kann Devid Striesow keine Antwort geben.

Doch betrachtet man sein Rollenrepertoire, so muss man Ulrich
Mühe zustimmen, denn Striesow ist extrem wandlungsfähig. Mal mimt er den eifersüchtigen, hilflosen Ehemann in Michael Hofmanns Eden (2006), mal den verschlagenen SS-Sturmbannführer in Stefan Ruzowitzkys Die Fälscher (2007), dann wieder spielt er den Woyzeck unter der Regie von Laurent Chétouane oder gar den Hamlet.

Doch wenn man ihm gegenübersitzt in einem Café im Berliner Prenzlauer Berg, dann lernt man wiederum einen ganz anderen Devid Striesow kennen: frisch, offen, begeisterungsfähig und hibbelig wie ein Kind. Neugierig auf alles, was an Rollen noch kommen mag. Die eine große Rolle, die er noch unbedingt spielen wolle, gäbe es nicht, denn „jede Rolle mit einem kleinen Kosmos kann dankbar und jede dramaturgisch große Rolle undankbar sein.“ Wichtig seien ihm nur das Drehbuch und die Konstellation von Leuten vor und hinter der Kamera. Dabei fühlt er sich den Regisseuren der Berliner Schule wie Christian Petzold, Ulrich Köhler und Angela Schanelec besonders verbunden, wie sich an seiner Filmografie leicht ablesen lässt. Geschichten, wie Ulrich Köhler einmal zu ihm meinte, über Menschen, denen nichts Großes geschieht und die frei sind von großen Einflüssen, die „jede Minute die Möglichkeit haben, sich zu entscheiden“, das sei das Spannende an diesen Charakteren. Es gäbe allerdings einige Schauspieler, mit denen er gerne mal vor der Kamera stehen würde, wie zum Beispiel Anthony Hopkins, dem er sich in der Art und Weise, wie dieser arbeite, verbunden fühle. Er lacht, weil ihm dieser Wunsch wohl fast vermessen vorkommt – und dabei könnte man es sich durchaus vorstellen. Doch bei seinem nächsten Projekt steht er noch mit seinem Bruder Sven, einem absoluten Laien, vor der Kamera: Beim Filmfest in München habe sie der
Regisseur Alexander Adolph (Die Hochstapler) zusammen gesehen und vom Fleck weg für sein neues Projekt engagiert, in dem Striesow einen windigen Berufsbetrüger und sein Bruder den Part seines Bruders übernimmt: eine neue Rolle, in die der Schauspieler mit den vielen Gesichtern schlüpft.