Frischer Wind durch lahmes Genre
Pierre und Elsa laufen einander bei einer Buchpremiere über den Weg. Die erfolgreiche Schriftstellerin feiert ihr neues Werk, der gut situierte Anwalt nimmt eine gesellschaftliche Verpflichtung wahr. Die beiden kommen miteinander ins Gespräch und ziemlich rasch wird ihnen klar, dass sie einander gefährlich werden könnten. Sie fühlen sich zueinander hingezogen, sind voneinander fasziniert, flirten, äugeln und würden wohl nicht lange fackeln, wäre da nicht … Wäre da nicht Anne, Pierres Frau, mit der dieser seit 15 Jahren glücklich verheiratet ist, mit der er zwei Kinder hat und die er liebt. Und wäre da nicht der Umstand, dass für Elsa, die gerade mitten in ihrer Scheidung steckt, verheiratete Männer tabu sind.
Was folgt, ist ein elaboriertes, doch nicht mühseliges, langwieriges und doch kurzweiliges Hadern beider Parteien, das Lisa Azuelos in Une rencontre geschickt als Liebesfilm in Szene setzt, der alle Liebesfilm-Möglichkeiten in sich birgt: die romantischen, die leidenschaftlichen, die tragischen, die traurigen, die lustigen und die vielen anderen. Der gezeigten Realität nämlich ist nicht immer zu trauen und wiederholt stellen sich Ereignisse als entweder von den Figuren fantasiert oder als Regie-Vorschläge zum weiteren Verlauf heraus. Da bleibt dann durchaus schon einmal der Film hängen (und muss neu geladen werden), wird von vorne oder gleich ganz anders angesetzt, werden Gedankenspiele visualisiert, Varianten des Gefühls evaluiert, unterschiedliche Ergebnisse ein und derselben Ausgangslage eruiert.
Neben einer narrativen Haltung, die das Thema außereheliche „Affäre“ auf spielerische Weise behandelt und dabei doch in seinen moralischen Implikationen tief ernst nimmt, ist dabei immer auch der formal-ästhetisch hohe Anspruch Azuelos spürbar. Sie arbeitet mit Unschärfeverlagerungen, dramatischer Lichtführung, lebhaften Farbkontrasten und gestaltet damit die Oberfläche von Une rencontre ebenso abwechslungsreich wie die Geschichte, die sie erzählt.
Zudem setzt Lisa Azuelos, die in der Rolle der Anne ihr Debüt als Darstellerin gibt, eine wohltuende Bodenständigkeit gegen die beiden schauspielerischen Großkaliber Marceau und Cluzet als Elsa und Pierre und holt die Figur der Ehefrau aus der undankbaren Ecke des Störenfrieds. Zwischen schicksalhafter Verhinderung, aktiver Entsagung, erträumtem Rausch und theoretischer Erfüllung spannt sich so ein komplexes Geflecht, das sich aus jeder Perspektive erschließt.