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Endlich auf DVD: Oskar Werners einzige Regiearbeit

| Marc Hairapetian |

Er war bereits zu Lebzeiten eine Legende, und die Anzahl seiner Bewunderer ist auch 28 Jahre nach seinem Tod noch immer groß: Oskar Werner (1922–1984) ist und bleibt ein Phänomen. Sein Charisma führte den Wiener von den Brettern des Burgtheaters zu einer internationalen Filmkarriere. Er war ein Wahrheitssuchender, unbestechlich und charmant, und seine Adorantenschar wäre ihm wohl überall hin gefolgt – und sei es direkt durch die Pforten der Hölle. Seine wenigen Kritiker warfen ihm Größenwahn vor. In seiner einzigen Filmregiearbeit Ein gewisser Judas, die nun endlich als DVD vorliegt, kann man Oskar Werner von seiner bescheidenen und demütigen Seite kennenlernen. Für den am 19. November 1958 erstmals ausgestrahlten TV-Film des damaligen Südwestfunks (SWF, heute SWR), der in den Fernseharchiven verstaubte und nie offiziell in die Kinos kam, wählte Hauptdarsteller Oskar Werner als Regisseur das Pseudonym Erasmus Nothnagl. Dabei ist der Inszenierungsstil seiner „Judas“-Interpretation meisterlich – vor allem in der Schauspielerführung der anderen Kollegen, deren hochkarätige Liste von der bezaubernden Gertrud Kückelmann (als Lea) über den knarzigen Karl Lieffen (als Polizist) bis zu Maria Schells Ex-Ehemann Veit Relin (als Thomas) reicht.

Oskar Werner deutet in spartanischer Ausstattung und expressionistischen Bildern mit wunderbarem Licht- und Schattenspiel die Ostergeschichte um: Sein vollbärtiger Apostel Judas Ischariot verrät Jesus Christus aus rein intellektuellen Gründen. Dessen Verfolgung und Hinrichtung am Kreuz wird somit als notwendige Konsequenz der Beweisdürftigkeit seines Jüngers gezeigt. Jesus ist in dem Film nicht direkt zu sehen (interessant wäre es gewesen, wie Oskar Werner ihn verkörpert hätte), dafür wird Judas’ wache Intelligenz, seine Zweifel, sein Irrtum und seine späte Reue stark herausgearbeitet. Ein wunderbarer Film, der in der International Movie Data Base die Höchstwertung erhielt und den Werners Sohn Felix als dessen „beste Arbeit“ bezeichnet hat. Werner übernahm zusammen mit Harald Zusanek auch die Übersetzung des französischen Theaterstücks „Un nommé Judas“ von Claude-André Puget und Pierre Bost. Als Bonusmaterial gibt es neben einer Fotogalerie das Arbeitsdrehbuch von Werner als pdf-Datei.