Die definitive Doku über den Filmmusik-Erneuerer
Ob Ennio Morricone wirklich der bedeutendste Komponist des 20. Jahrhunderts war, wie es im Juli 2020 in einem Nachruf hieß, sei angesichts von Größen wie Schostakowitsch oder Schönberg dahingestellt; dass er die Filmmusik erneuert und bereichert hat wie kein Zweiter, ist indes kaum zu bestreiten. Der zweieinhalbstündige Dokumentarfilm, den ihm jetzt sein früherer Auftraggeber Giuseppe Tornatore (Cinema Paradiso) gewidmet hat, dürfte, dies vorweg, der definitive Tribut an den Soundtrack-Giganten sein.
Rückgrat des Films sind ausführliche Interviews mit dem Maestro selbst. Ergänzend dazu kommen Wegbegleiter dieser mehr als ein halbes Jahrhundert umspannenden Karriere zu Wort: Kollegen wie Nicola Piovani und Hans Zimmer ebenso wie Regisseure von Roland Joffé bis Dario Argento sowie Pop-Musiker wie Joan Baez und Bruce Springsteen. Eine Fülle von Filmclips, mitunter synchron angelegt an konzertante Aufführungen der Soundtracks, komplettieren das Material.
Auffällige Fehlstellen gibt es dabei im Grunde nur zwei: Morricones Nachkommen bleiben bis auf eine Ausnahme ebenso außen vor wie der frühe Weggefährte und Komponist Bruno Nicolai, der anfangs viele Western-Scores Morricones dirigiert hat. Und wenn wir schon bei den (wenigen) Mankos des Films sind: Morricones Arbeiten als avantgardistischer E-Musik-Komponist, auf die der Maestro großen Wert legte, werden mehr erwähnt als behandelt.
Davon abgesehen bleibt kein Wunsch offen. Tornatore gliedert sein überreiches Material chronologisch, was kein Nachteil ist: Morricones Musik ist unkonventionell genug. Das wird schon in der ersten halben Filmstunde deutlich, die sich Morricones Anfangsjahren als Arrangeur und Komponist von italienischen Schlagern widmet. Bereits hier setzte Morricone mit dem Einsatz von Blechdosen- und Schreibmaschinengeräuschen jene skurrilen Akzente, die später seine Italowestern-Scores so unverwechselbar machen sollten. Überhaupt erfährt auch der Morricone-Fan hier viel Neues: Etwa, dass Stanley Kubrick den Italiener für seinen Clockwork Orange-Film gewinnen wollte, was an einem (erfundenen) Einspruch von Sergio Leone scheiterte oder dass Morricone just die Musik zum Thriller Der Clan der Sizilianer für sein schwierigstes Werk hielt.
Im Umgang war, es ist kein Geheimnis, Ennio Morricone kein einfacher Mensch. Nahe am Wasser gebaut und nicht mit Selbstironie gesegnet, quittierte er Regie-Vorschläge mitunter mit dem brüsken Abbruch der Zusammenarbeit. Auch das erfährt man aus diesem Film. So oder so: Näher wird man dem Schöpfer unvergesslicher Film-Melodien wohl nie mehr kommen.