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Filmfestival

Ernst, aber nicht hoffnungslos

| Maxi Braun |
Die 22. Edimotion-Festival feierte Montagekunst aus Deutschland, der Schweiz und Österreich

Seit mehr als zwanzig Jahren bietet das Festival für Filmschnitt und Montagekunst die seltene Gelegenheit, Einblicke in einen verborgenen, aber elementaren Prozess der Filmarbeit zu erhalten. Das lockte auch diesmal sowohl Branche als auch Kinobegeisterte nach Köln, um vier Tage lang in viele Facetten der Montage einzutauchen und Filme aus einem anderen Blickwinkel heraus zu erleben und zu diskutieren.

Außerdem holt Edimotion Menschen ins Rampenlicht, die selten im Fokus stehen und deren Beitrag zum Film kaum zu überschätzen ist. Neben den für die Schnittpreise nominierten Editorinnen und Editoren gilt das besonders für den Ehrenpreis Schnitt. In diesem Jahr wurde mit Fee Liechti Seigner erstmals eine Schweizer Editorin in Köln für ihr Lebenswerk ausgezeichnet. Rund 60 Spiel- und Dokumentarfilme hat sie im Laufe ihrer Karriere montiert und damit die Schweizer Filmgeschichte mitgeprägt. Eine langjährige Zusammenarbeit verbindet sie mit den Regisseuren Hans-Ulrich Schlumpf und Christoph Schaub, die gemeinsam mit ihrer „Licht-Fee“, so Schlumpf, nach Deutschland reisten.

Zur Eröffnung präsentierten Schlumpf und Liechti Seigner ihren Hybrid-Film Der Kongress der Pinguine von 1993. Dokumentarische Aufnahmen aus der Antarktis werden hier mit einer Off-Erzählung kombiniert, die ein Zwiegespräch des Erzählers mit einer Pinguin-Kolonie abbildet. Die so konstruierte, fiktionale Rahmenhandlung erkundet den inzwischen verlassenen Walfänger-Ort Grytviken. Dieser steht exemplarisch für den menschlichen Drang zur Ausbeutung der Natur, die lediglich als Ressource im Dienste des Konsums begriffen wird. Die Pinguine machen dabei keinen Hehl aus ihrer Angst vor und Verachtung für die Menschheit. Ein niederschmetternder Kommentar zum umwelt- und letztlich selbstzerstörerischen Verhalten des Homo Sapiens, der schon vor 30 Jahren alle heute umso dringlicher werdenden Probleme anspricht. Damit war ein eher dystopischer Ton für das Festival gesetzt, bei dem menschliche Makel wiederholt thematisiert wurden.

Im Wettbewerb um den Bild-Kunst Schnitt Preis Dokumentarfilm stellten Auf Anfang und I am the Tigress die formal und inhaltlich interessantesten Beiträge dar. I am the Tigress begleitet die US-amerikanische Bodybuilderin und Sexarbeiterin Tischa zu Wettkämpfen, Domina-Sessions und Trainingseinheiten. Dazwischen geben ihr die Tochter und ihre Enkel, aber vor allem ihr Trainer und ständiger Begleiter Halt. Tischa ist eine faszinierende Protagonistin, nicht nur aufgrund ihrer überlebensgroßen physischen Erscheinung. Der junge österreichische Regisseur Philipp Fussenegger behandelt sie stets respektvoll, Co-Regisseur und Kameramann Dino Osmanović verwebt sie gekonnt in eine im besten Sinne spielfilmhafte Bildgestaltung. Ein leichter Zweifel, ob ihr größtenteils halbnackter Körper nicht doch für unsere Schaulust exponiert wird, bleibt. Auch wenn Editorin Judy Landkammer im Zoom-Gespräch direkt aus ihrem Schneideraum erklärte, dass Tischa mit dem fertigen Film vollauf zufrieden sei.

Die Frage nach dem richtigen Umgang mit dem Protagonisten stellt sich auch angesichts von Auf Anfang. Ursprünglich sollte hierfür der verurteilte Mörder Michael Scholly gegen Ende seiner 28 Jahre dauernden Haft und während des ersten Jahres in Freiheit begleitet werden. Doch soweit kommt es nicht. Stattdessen ist von der ersten Einstellung an klar: Scholly wird wieder verhaftet und steht für den Film nicht mehr zur Verfügung. Was bewegt einen Menschen, der nach fast drei Jahrzehnten in Haft wieder resozialisiert werden und in Freiheit leben soll? Und können sich Menschen ändern? Die Cutter Yana Höhnerbach und Mike Schlömer berichteten von der Schwierigkeit, einen Spannungsbogen jenseits der True-Crime-Manier zu kreieren, ohne die Tat zu verharmlosen, sowie von der Unberechenbarkeit dokumentarischer Stoffe.

Um die Macht der Montage ging es auch im gleichnamigen Themenschwerpunkt. In Vortragen und Panels wurde über „Deutungshoheit im Dokumentarfilmschnitt“, Michael Moores meinungsbildende Montage oder über den Schnitt journalistischer Beiträge im Kontext von Warfluencing und Fake News diskutiert. Immer wieder wurde hier die Brücke zum russischen Angriffskrieg in der Ukraine geschlagen und aufgezeigt, wie sehr Montage unsere Wahrnehmung beeinflusst und die dafür nötige Medienkompetenz fehlt.

Neben düsteren Themen wie Umweltzerstörung, Verbrechen und Krieg, deren Omnipräsenz ein Gefühl von Ohnmacht erzeugten, war die 22. Festivalausgabe aber auch ein Fest der Begegnung und des professionellen Austauschs. Auf dem Internationalen Panel und dem International Film Editors Forum kamen erstmals seit Beginn der Corona-Pandemie wieder 50 Editor*innen aus 26 Ländern und vier Kontinenten vor Ort zusammen. Erstmals reisten auch Montageschaffende aus Argentinien, Indien, Kuba, Iran, Gambia, Thailand oder Südafrika an, um sich über Herausforderungen ihres Gewerks auszutauschen.

Gefeiert wurden außerdem natürlich die insgesamt 17 für die Schnittpreise Nominierten. Die Gewerk-übergreifend besetzten Jurys zeichneten schließlich Fred Baillif für seine Montage von La Mif mit dem Filmstiftung NRW Schnitt Preis Spielfilm, Anja Pohl mit dem Bild-Kunst Schnitt Preis Dokumentarfilm für ihre Arbeit an Walchensee Forever, sowie Ilya Gavrilenko für Vibrations – Inner Music aus.

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