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Fack ju Göhte 2

Fack Ju Göhte 2

Chantal heult wieder

| Andreas Ungerböck |
Eine Erfolgsstory: Die Schulkomödie Fack ju Göhte war 2013 der deutsche Kino-Renner schlechthin. Die Latte für die unvermeidliche Fortsetzung, die nun in die Lichtspielhäuser kommt, liegt zwar hoch, wird aber übersprungen werden. Hauptdarsteller Elyas M’Barek im Gespräch.

Als Vater eines filmbesessenen Halbwüchsigen macht man buchstäblich einiges mit, nimmt man seine pädagogische Begleit- und Aufklärungspflicht ernst. Hunderte Stunden „Filmquiz“ (Wer hat den Film gemacht? Wer spielt da mit? Wann kommt die Fortsetzung zu dem Film? Jennifer Aniston war wirklich einmal mit Brad Pitt verheiratet? usw.) sind aber nichts im Vergleich zu den Erfahrungen bei der Rezeption Dutzender internationaler und deutschsprachiger Kinder-, Jugend- und Familienfilme. Von ganz fein (Ice Age, Hotel Transsylvanien, Madagascar) über ganz fad (Transcendence) bis sehr, sehr lang (die Hobbit-Trilogie) war alles dabei. 2013 schließlich der absolute Ernstfall, als der Sohn den Wunsch äußerte, Fack ju Göhte anzuschauen: „Eine deutsche Schulklamotte? Nein, danke! Ein Paukerfilm wie in den siebziger Jahren? Sicher nicht! Geh doch mit deinen Freunden!“ „Aber die haben ihn alle schon gesehen!“ Schließlich, eh klar, das Einlenken. Und die nicht wirklich neue Erkenntnis, dass Vorurteile das Leben zwar vereinfachen, aber nicht unbedingt unterhaltsamer machen.

Während sich das deutsche Feuilleton fein säuberlich zwischen Abscheu und Begeisterung spaltete, stürmten die Massen die Kinos. Am Ende waren es mehr als sieben Millionen Menschen, die Bora Dagtekins deftige Komödie mit dem österreichischen Staatsbürger Elyas M’Barek in der Hauptrolle gesehen hatten – und das waren bei weitem nicht nur Jugendliche. Und man muss sagen: Wer zum Lachen nicht prinzipiell in den Keller geht, der sollte seine (heimliche) Freude an dem Film gehabt haben. Der Erfolg hat viele Faktoren, aber vor allem den umwerfenden Charme M’Bareks als Kleinkrimineller Zeki Müller, der irrtümlich zum Aushilfslehrer wird, Karoline Herfurth als seine pingelige Kollegin (und – eh klar – spätere Freundin) Lisi Schnabelstedt, Katja Riemann als resolute Schulleiterin – und natürlich die Newcomer Jella Haase als Chantal und Max von der Groeben als Danger, die prototypischen Problemschüler(innen) schlechthin. Wie sich Zeki Müller in der berüchtigten 10B des Goethe-Gymnasiums Respekt verschafft, das ist lustig, ebenso wie viele der unglaublichen Sprüche von Lehrer- und Schüler-Seite, von denen einige in den allgemeinen Sprachgebrauch übergingen. „Chantal, heul leise!“ wurde gar zum „Filmzitat des Jahres“ gewählt. Und, man wagt es kaum zu sagen, die Annäherung zwischen Lehrer(n) und Kindern ist auch anrührend.

Was Wunder also, dass die „Macher des Films“, wie das heute so schön heißt, umgehend an einer Fortsetzung zu arbeiten begannen, die – glaubt man den Teasern und Trailern, die im Internet schon mehr ausgeschüttet als ausgestreut werden – more of the same, nur heftiger versprechen. Die Klasse ist diesmal auf Klassenfahrt, und das im bedauernswerten Thailand. Mehr als 1,4 Millionen Facebook-Fans warten bereits auf die neuesten sprachlichen Blüten von Chantal & Co., und dass der Besucher-Ansturm jenen des ersten Teils noch übertreffen wird, ist keine allzu gewagte Prognose. Elyas M’Barek ist inzwischen zum Top-Star des deutschen Films aufgestiegen, sein Gesicht ist in der Werbung omnipräsent, und dass er sich nach der Verleihung des Deutschen Filmpreises in einem Berliner Lokal mit Til Schweiger anlegte, brachte ihm weitere Sympathien ein. Seinen ersten Auftritt hatte M’Barek (sein Vater ist Tunesier, seine Mutter Österreicherin) noch während seiner Schulzeit in Mädchen, Mädchen. Für seine Rolle in der ARD-Serie Türkisch für Anfänger bekam er den Deutschen Fernsehpreis. Es folgten Filme wie Die Welle und Zeiten ändern dich, in dem er den jungen Bushido spielte. Im Jahr 2011 trat er an der Seite Matthias Schweighöfers in What a Man auf, wenig später folgte die Kinoversion von Türkisch für Anfänger, die 2,4 Millionen Zuschauer anlockte. Nach der Hollywood-Produktion Chroniken der Unterwelt und dem Historienstoff Der Medicus wurde Elyas M’Barek mit Fack ju Göhte zum Überflieger. Der Rest ist Geschichte.

 


Elyas M’Barek im Interview

Ihrem flächendeckend plakatierten Werbeauftritt für Orangenlimonade ist kaum zu entkommen. Sind Sie mittlerweile selbst zur Marke geworden?
Elyas M’Barek: Mein Name ist in den letzten zwei Jahren tatsächlich sehr bekannt geworden, wie ich bei Begegnungen mit Fans feststelle. Früher hieß es: „Das ist der Typ aus dem Fernsehen“. Danach war ich „der Cem aus Türkisch für Anfänger“. Irgendwann folgte „Das ist der Elyas, äh, Dings“. Und mittlerweile kennen viele meinen vollen Vor- und Zunamen. Als Marke habe ich ihn nicht schützen lassen, beim eigenen Namen muss man das nicht tun – so hoffe ich zumindest!

Sehen Sie keine Gefahr, dass die massive Präsenz irgendwann zu viel des Guten wird?
Elyas M’Barek: Diese Gefahr besteht wohl immer. Aber momentan läuft es einfach ziemlich gut, und ich freue mich über Möglichkeiten, die ich früher so nie hatte. Ich kann mir jetzt Dinge aussuchen, die Spaß machen, die toll sind, und niemand zwingt mich dazu. Umgekehrt gibt es auch vieles, was ich ablehne – diese Position genieße ich sehr.

Wie wichtig ist Geld dabei?
Elyas M’Barek: Geld? Naja, die Arbeit muss schon auch bezahlt werden, beziehungsweise in diesem Fall mein Name! Ich weiß schließlich nicht, was in drei Jahren sein wird. Vielleicht will mich dann kein Mensch mehr auf einem Werbeplakat sehen, oder ich mache dann womöglich etwas ganz anderes.

Was machen Sie mit den Einnahmen? Geldspeicher? Anlageberater? Luxusleben?
Elyas M’Barek: Zum Beispiel werde ich demnächst in München gemeinsam mit ein paar Freunden ein Lokal eröffnen, das war immer schon ein Traum von mir. Teure Hobbys habe ich allerdings noch immer keine. Ich gebe Geld aus für gutes Essen. Ich mag gute Kleidung. Und ich reise gerne.

Fack ju Göhte wurde zum Mega-Erfolg mit über sieben Millionen Zuschauern. Wie groß ist der Erwartungsdruck bei der Fortsetzung?
Elyas M’Barek: Erwartungsdruck spüre ich überhaupt nicht. Zum einen sind wir total dankbar und glücklich über den Erfolg des ersten Films – das kann uns niemand mehr nehmen. Zum anderen weiß ich, dass wir einen guten Film gemacht haben. Er trifft genau meinen Geschmack, deshalb kann ich absolut dahinterstehen. Problematischer wäre es, würde die Fortsetzung nur ein plumper Abklatsch sein. Aber so einfach hat es sich Autor und Regisseur Bora Dagtekin nicht gemacht. Er hat sich nicht auf dem Erfolg ausgeruht, sondern hart an diesem zweiten Teil gearbeitet. Wir haben alles gegeben, was wir tun konnten – der Rest liegt nicht in unserer Hand.

Der Satz „Chantal, heul leise!“ aus dem ersten Teil wurde schnell zum Kult. Welche Nachfolger-Sprüche gibt es diesmal?
Elyas M’Barek: Solche Dinge sind nicht planbar. Dass „Chantal, heul leise!“ derart populär werden würde, hätten wir damals nie gedacht. Erst vor kurzem erzählte mir Bora noch, wie überrascht er gewesen sei, weil er selbst diesen Spruch eigentlich gar nicht so witzig fand.

Bora Dagtekin hat einst schon Türkisch für Anfänger zum großen Erfolg gemacht – was ist sein Geheimnis?
Elyas M’Barek: Bora hat schon geniale Züge. Er arbeitet wie ein Wahnsinniger und ist dabei unglaublich genau. Wenn er manchmal am Set noch Szenen umschreibt, wundere ich mich wirklich, woher er die Energie nimmt und diese Einfälle bekommt. Ich staune darüber, wie dieses Gehirn funktioniert.

Wie ist Ihr Verhältnis?
Elyas M’Barek: Seit der Serie Türkisch für Anfänger sind wir sehr gute Freunde geworden, Bora gehört zu meinen wichtigsten Bezugspersonen. Wobei wir am Set durchaus auch streiten, was gar nicht ausbleibt, wenn man sich vom Charakter, vom Temperament und sogar vom Aussehen her so ähnlich ist. Wir könnten tatsächlich aus derselben Familie stammen.

Haben Sie eine Erklärung, weshalb Fack ju Göhte derart durch die Decke ging?
Elyas M’Barek: Ein Grund liegt sicher darin, dass jüngere Zuschauer den Film mehrfach angeschaut haben. Auf Facebook schrieben Fans, dass sie ihn zehnmal gesehen hätten, einer war sogar 30-mal im Kino – das muss man sich einmal vorstellen! Irgendwann ist ein Phänomen daraus geworden, und es kamen Zuschauer, die eigentlich gar nicht zur primären Zielgruppe gehörten: Lehrer beispielsweise oder ältere Leute wollten diesen Film sehen, weil alle darüber gesprochen haben.

Wenn Sie bei Premieren über den Roten Teppich laufen, ist der Kreischalarm enorm. Hält man den Lärmpegel ohne Ohrstöpsel überhaupt aus?
Elyas M’Barek: Daran gewöhnt man sich, es ist ja auch schön, wenn die Leute einen so begeistert bei einer Premiere empfangen und sich so freuen. Man muss sich einfach immer darüber im Klaren sein, dass das alles sehr absurd ist und diese Situation dem wahren Leben nicht entspricht. Das passiert auf dem Roten Teppich – wenn ich im Alltag aus dem Haus gehe, dann kreischt da niemand. Gottseidank.

Was finden die Fans so toll an Ihnen?
Elyas M’Barek: Das müsste man die Fans fragen. Es ist immer schwierig, sich selbst von außen zu betrachten, welche Wahrnehmung andere von mir haben, das weiß ich nicht. Bei mir gibt es da kein Kalkül oder einen Plan. Ich bin der, der ich bin.

Finden Sie es befremdlich, dass sich Fans und Medien derart exzessiv für die privaten Seiten der Stars interessieren?
Elyas M’Barek: Das Interesse kann ich völlig nachvollziehen – aber ich versuche, dem möglichst weit aus dem Weg zu gehen. Es gibt keine Homestorys über mich, und mein Privatleben bleibt privat. Wenn ich auf das Oktoberfest gehe, weiß ich, dass das wahrscheinlich nicht unbedingt ein entspannter Abend werden wird – aber trotzdem lasse ich mir das nicht nehmen.

Verspüren Sie kein Bedürfnis, dem Image zu entfliehen?
Wäre etwa eine schwule Rolle für Sie denkbar?

Elyas M’Barek: Klar, warum auch nicht? Das Drehbuch muss einfach stimmen. Der Thriller Who Am I war ja auch schon ein ziemlicher Genre-Wechsel. Mir selbst muss ich nicht beweisen, dass ich mehr als nur komisch sein kann. Ich habe schon in etlichen ernsten Filmen gespielt – nur sind die eben nicht so bekannt.

Was wäre die Szene, auf die Sie in Ihrer Karriere am meisten stolz sind?
Elyas M’Barek: Das kann ich so nicht beantworten, das klingt mir auch zu eitel. Tatsächlich schaue ich mir die Filme nach der Premiere später kaum noch ein zweites Mal an.

Was ist die wichtigste Qualität für einen Schauspieler?
Elyas M’Barek: Die wichtigste Qualität für einen Schauspieler ist, authentisch zu sein. Entscheidend ist es, dass jede Zeile, die man sagt, wahrhaftig klingt. Damit das Publikum vergisst, hier spielt ihm einer nur etwas vor.

Würden Sie mit Zeki Müller, Ihrer Figur aus Fack ju Göhte, gern ein Bier trinken gehen?
Elyas M’Barek: Absolut. Zeki ist doch ein total sympathischer Kerl. Das macht die Figur ja aus, er ist der Typ von nebenan, mit dem jeder gern ein Bier trinken würde.

Sie haben die 2,2 Millionen-Fan-Marke auf Ihrer Facebook-Seite geknackt. Schreiben Sie dort alles selber?
Elyas M’Barek: Klar, für mich ist das ein Hobby, das totalen Spaß macht. Zwei Millionen Fans hätte ich nie erwartet. Ich weiß noch, wie ich bei Matthias Schweighöfer über dessen 1,4 Millionen gestaunt habe. Damals hatte ich selbst noch 350.000 Fans. Seit Fack ju Göhte ist das Ding echt explodiert. Dieses Wachstum der Seite zu verfolgen ist ein schönes Gefühl – das wächst wie ein kleines Imperium.