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Fashion im Film – Mode en vogue

Mode en Vogue

| Daniel Kalt |

Großes Potenzial trotz vager Genregrenzen: Das von Diane Pernet kuratierte Modekurzfilmprogramm A Shaded View on Fashion Film war anlässlich des jährlichen Mode- und Fotografiefestivals zu Gast in Wien.

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Schriebe Diane Pernet einen Roman, könnte dieser, in Anlehnung an E. M. Forster, A Room with a Shaded View heißen. Denn in den Augen dieser Dame, einer Grande des internationalen Modetreibens, sind alle Aussichten getönt. Als in Paris lebende Fotografin und Journalistin ist die ehemalige Designerin und gelernte Dokumentarfilmerin aus den USA mit ihren, wie sie mit Verweis auf Josephine Baker meint, „deux amours“ Film und Mode eine unverwechselbare Erscheinung und als Betreiberin von A Shaded View on Fashion, dem wohl wichtigsten aller Modeblogs, jedem in der Branche ein Begriff. Die omnipräsente shadedness erklärt sich aus einem Kuriosum: Diane Pernet gibt es als wohlfeiles Gesamtkunstwerk seit gut 25 Jahren nur all in black, von Kopf bis Fuß inklusive Sonnenbrille.

A Shaded View in Vienna

Während die in Modedingen äußerst Umtriebige nach eigenen Angaben schon um die Jahrtausendwende mit dem Gedanken schwanger ging, dem breit gefächerten Genre des fashion film zu mehr Beachtung zu verhelfen, brachte ein Designer die Dinge ins Rollen. Mark Eley lud Pernet 2005 ein, ihn zum Zwecke dokumentierender Promotion auf die berüchtigte Gumball-3000-Straßenrallye zu begleiten, woraus der 18-minütige Film A Shaded View on the Adventures of Pleasure resultierte. Daraufhin kam es rasch zur Vernetzung mit anderen Filmemachern, und 2006 war die erste Auflage des mobilen Festivalprogramms Wear It Well in Operationsmodus. 2008 fand dann erstmals – und zwar im erlauchten Rahmen des Pariser Jeu de Paume, parallel zur Prêt-à-Porter-Woche – das dreitägige Festival A Shaded View on Fashion Film statt. Ein wilder Mix aus Kurzfilmen, Dokumentationen, Imagevideos und Musikclips wurde einem interessierten Publikum näher gebracht. Aus dieser Langversion ging außerdem eine 90-minütige Selektion hervor, mit der Diane Pernet nun durch die Lande tourt. Kürzlich gastierte sie während des Mode- und Fotografiefestivals auch in Wien, und einem handverlesenen Publikum wurden in einem leider halbleeren Kino (angeblich gab es Pannen bei der Handverlesung) „die Diversität von Mode und Film und die Schnittpunkte der beiden Bereiche“, so Dianes knappes Resümee, näher gebracht.

Zu sehen gab es die ASVOFF-Auswahl von Werbespots (zum Beispiel für das wundertintenähnliche Blaufärbeparfum Wode des britischen Labels Boudicca), veritable Kurzfilme mit Miniplot (etwa – fantastisch! – Mareunrol‘s Detective im Fünfziger Jahre Film-noir-Stil von Kristine Kursiss für ein lettisches Modeduo), experimentell Farbenfrohes (Colors von Sophie Delaporte) oder schwarzweiß Animiertes (Mutation von Warren du Preez und Nick Thornton Jones). Der Gesamteindruck belief sich in Anbetracht dieser Flut von Visuals auf eine mit vagem Wohlwollen aufgenommene, eklektizistische Abfolge gefälliger Bildkompositionen.

Markant und darum eindrücklich: Zum einen Diane Pernets Kurzdoku über den britischen Korsettmacher Mr. Pearl, der unter anderem für die Wespentaille Dita von Teeses sorgt. Zum anderen Mode mit Humor à la Colin O’Toole, der mit den Lookbook-Models von Peter Jensen Screentest-Interviews realisierte und eine Reihe gleichermaßen verblüffter wie verblüffender junger Männer vorführt. Vielleicht der Höhepunkt des Abends war ein Video-Lookbook von Jeremy Scott, das sich nicht besser umreißen lässt als durch die beigestellte Synopsis: „Snuff film meets Blair Witch Project, as you would see it in Vogue Italia.“ Das näselnd-amüsierte Stimmchen des Designers höchstselbst führte in der Manier antiquierter Défilé-Ansagen durch diese heitere Modeinszenierung.

Mode im Netz

Wer neugierig geworden ist oder konkreteren Input als diesen Aperçu wünscht, wird mit ein wenig Suchgeschick fast alle Clips im Internet finden: auf YouTube, diversen Modeblogs oder der Plattform SHOWStudio, initiiert und betrieben vom Modefotografen Nick Knight. Und damit ist ein Kernpunkt der Angelegenheit angesprochen: Das Genre blüht und gedeiht vorwiegend im Netz. „Wir sind“, meint Diane Pernet, „die YouTube-Generation. Alles ist so unmittelbar und zugänglich. Ich glaube, dass viele Labels allmählich das Potenzial des Internets für die Verbreitung von Modefilm realisieren.“ So lässt Nick Knight seit ein paar Jahren Backstage-Videos von Produktionen gleichermaßen auf SHOWStudio flimmern wie eigens angefertigte Produktionen mit hohem kreativen Anspruch. Für ASVOFF kooperiert Pernet mit den Betreibern: „Ich liebe SHOWStudio, und es ist unmöglich, ohne sie auszukommen. Sie sind absolute Pioniere, und ich finde ihre Filme, die immer Teil meiner Festivalselektionen waren, toll.“

Eine der aufsehenerregendsten Produktionen des Jahres war das Imagevideo für den Londoner Shooting Star Gareth Pugh. Die Vorteile einer solchen Präsentation, die in Paris anstelle eines Défilés gezeigt wurde, sind dreierlei: Einerseits lässt sich so ein größeres Publikum erreichen, da im dicht gedrängten Modewochenzeitplan ein im Loop laufendes Video der Fachpresse und den Einkäufern größere Flexibilität ermöglicht. Andererseits ist ein Video einigermaßen kostensparend im Vergleich zu sagenhaft teuren Laufstegproduktionen, die obendrein nur in seltenen Fällen den Spagat zwischen Mode- und Showbusiness wirklich bravourös meistern. Und zuletzt, dies der dritte Trumpf des Genres, transportiert ein Imagefilm die komplexe Ästhetik der Design-Avantgarde effizienter als konventionelles Laufsteg-Gestakse. Wenig verwunderlich also, dass gerade von der jungen Designergeneration gerne mit dem Medium gespielt wird und das Video allmählich den Rang einer ernstzunehmenden Alternative zu Modeschauen oder Still Performances einzunehmen beginnt. Auch sieht man immer mehr Modefotografen, die vorübergehend ihre Hasselblad gegen die Handicam tauschen. Und auch die von großen Häusern engagierten Nachwuchstalente schätzen das Medium, so Stefano Pilati bei Yves Saint-Laurent, der seit ein paar Saisonen seine Shows von kurzen Clips einleiten lässt.

Der Modefilm boomt

Darüber hinaus ist dem Modekurzfilm Bedeutung im gern dramatisierten Clash Internet vs. Print beizumessen: Denn während feststeht, dass Magazine als Coffee-Table-Objekte mit haptischer Qualität die wichtigste Veröffentlichungsplattform für Modeeditorials bleiben, warten Onlineformate mit dem Vorteil der Integrierbarkeit von Modefilmen auf. Das schätzen die Portale von Tageszeitungen, wo man reihenweise Interviewfeatures vorfindet (der Herald Tribune schickt gar seine Gallionsfigur Suzy Menkes ins Rennen), ebenso wie Online-Modemagazine, die Imageclips in Pop-Up-Windows kredenzen. Ein Konterversuch wie das 3-D-Editorial in der jüngsten Sommerausgabe von Dazed and Confused mit mitgelieferter Spezialbrille nimmt sich demgegenüber etwas matt aus.

Die vorangegangenen Ausführungen dürften klar gemacht haben, dass für das Genre des Modefilms im Allgemeinen die Devise der würzigen Kürze gilt. Eine Ausnahme stellen längere Dokumentationen und Designerporträts dar, wie etwa Madeleine Cziglers Reihe Masters of Style, die ebenfalls im Rahmen von ASVOFF 2008 gezeigt wurde. Die eine oder andere Doku findet freilich auch den Weg auf die große Leinwand, so (wenigstens in Frankreich) das eher platte Geplapper in Lagerfeld Confidential oder, aktueller, The Last Emperor – Valentino. Mit großer Spannung blickt man derzeit dem für September angesagten Start von The September Issue engtegen, das quasi die Echtzeit-Fortsetzung von The Devil Wears Prada darstellt.

Überhaupt dürfte das Modethema gerade en vogue sein, schließlich ist Coco avant Chanel soeben quasi zeitgleich mit dem sehr entbehrlichen Brüno-Klamauk angelaufen. Vielleicht verspricht man sich von modeaffiner Oberflächenpolitur sublimierenden Glamour in Zeiten der Krise? Dabei sollte nicht darauf vergessen werden, dass die seinsprägenden Qualitäten des pompösen Scheins bescheiden bleiben. Weniges gereicht, wie das nackte Schlussdéfilé in Robert Altmans Prêt-à-Porter, vielleicht dem bedeutendsten Modefilm bis dato, zur reflektierten Bedachtnahme auf diesen Umstand.