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Filmfestival | Preisverleihung

Fast prä-pandemisch

| Maxi Braun |
Das Edimotion-Festival feierte von 15. bis 18. Oktober die Montagekunst und die Wiener Schnittmeisterin Ingrid Koller, die als erste Österreicherin mit dem Ehrenpreis Schnitt und einer Hommage gewürdigt wurde.

„Österreichischer Humor ist kein Spaß“ – das lakonische Statement des jungen Kabarettisten Christoph Fritz erfüllte sich beim 21. Edimotion Festival für Filmschnitt und Montagekunst nicht. In Gestalt der Filmeditorin Ingrid Koller, die als erste österreichische Editorin mit dem Ehrenpreis für ihr Lebenswerk ausgezeichnet und mit einer Hommage gewürdigt wurde, kam personifizierter Wiener Schmäh nach Köln.

Schon der Eröffnungsfilm Echo Park, von Koller 1985 montiert, sorgte für Gaudi und offenbarte einen kleinen Culture Clash. „So lustig war es nun auch wieder nicht“, widersprach Koller dem Publikum, das die Independent-Komödie von Regisseur Robert Dornhelm euphorisch feierte. Seitenverkehrt die Reaktionen beim Screening von Harald Sicheritz’ schwarzhumoriger Hausbauer-Farce Hinterholz 8, mit Roland Düringer, Nina Proll, Alfred Dorfer und Lukas Resetarits hochkarätig besetzt und 1998 die erfolgreichste heimische Produktion. Hier lachte „die Koller“ – wie sie Produzent Wolfgang Ritzberger in seiner launigen Laudatio bei der Preisverleihung nannte – etwas herzhafter als das Publikum, hochdeutscher Untertitel zum Trotz. Das Meet & Greet mit der Schnittmeisterin populärer Stoffe, die viele Anekdoten aus 50 Jahren Berufspraxis preisgab, amüsierte aber alle gleichermaßen.

Der Ton passte zur ausgelassenen Stimmung, mit der vier Tage lang die Kunst der Montage gefeiert wurde. Die konsequent angewandte 3G-Regelung ermöglichte eine hohe Auslastung der Kinosäle und fast prä-pandemisches Festvalfeeling. Viele der 18 für die Schnitt Preise nominierten Editorinnen und Editoren stellten sich den Filmgesprächen vor Ort, Nachwuchskräfte und Filmstudierende suchten Austausch und Vernetzung jenseits von Zoom-Konferenzen.

Mit dem „Filmstiftung NRW Schnitt Preis Spielfilm“ wurde der Schweizer Editor Kaya Inan für die Montage von Wanda, mein Wunder ausgezeichnet, den die gewerkübergreifend besetzte Jury als „Schnittwunder“ bezeichnete. Der Kinostart ist für Jänner 2022 geplant. Den „Bild-Kunst Schnitt Preis Dokumentarfilm“ erhielt wenig überraschend, aber verdient Bettina Böhler für Schlingensief – In das Schweigen hineinschreien. Die Editorin zeichnet für den Film über den 2010 verstorbenen Agent Provocateur erstmals auch für die Regie verantwortlich. Beide Preise sind mit 7.500 Euro dotiert. Im Dokumentarfilmwettbewerb überzeugte auch die schweizerisch-österreichische Ko-Produktion The Bubble über die am Reißbrett geplante Siedlung „The Villages“ in Florida. In dieser Gated Community leben 150.000 weiße Seniorinnen und Senioren den Ruhestandstraum zwischen Golf- und Schießplatz aus, bewusst abgekoppelt vom Rest der Welt und deren Problemen. Der Film erkundet in totalen Einstellungen, die die sterile Künstlichkeit der Villages unterstreichen, neben dem ständig ins Umland expandierenden, unwirklichen Ort auch die alteingesessenen Communities, die dadurch verdrängt werden. Das Gespräch mit Editorin Nela Märkli (auch Montage und Produktion von Lampedusa im Winter) zeigte eindrücklich, welche weitreichenden Entscheidungen im Schneideraum getroffen werden müssen und wie immens die Montage die Narration und unsere Haltung gegenüber den Protagonistinnen und Protagonisten beeinflusst.

Weitere Sektionen wie der Themenschwerpunkt „Kurz-Schnitte“ mit Vorträgen zur Montage von Trailern, Titelsequenzen und Instant-Fiction-Formaten oder das Werkstattgespräch zu „A Symphony of Noise“ über den britischen Musiker und Audioaktivisten Matthew Herbert loteten weitere, spannende Aspekte der (Sound-)Montage aus. Ein Jahr nach dem Brexit kann die Wahl Großbritanniens zum Gastland als Signal europäischer Solidarität gedeutet werden. Das für zahlreiche BAFTAs nominierte Sozialdrama Rocks um eine Clique Teenager in London wird durch die vitale Energie der Darstellerinnen getragen und entfaltet eine Wucht, mit der das klassisch sozialkritische New British Cinema durch einen diversen, weiblichen Cast modernisiert wird.

Ganz verdrängen ließen sich die Pandemie und ihre Folgen nicht. Das International Film Editors Forum versammelte diesmal 55 Editors aus 28 Ländern und fünf Kontinenten – musste allerdings wie schon 2020 virtuell stattfinden. Die Auswirkungen der Pandemie auf alle Bereiche des Filmgeschäfts durchzogen beinahe alle Filmgespräche. Eine positive Nebenwirkung ist die erneut hybride Form des Festivals: Fast alle Filme samt Gesprächen und Panels sind noch bis 24. Oktober 2021 digital verfügbar.

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