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Feuerwerk am helllichten Tage

Feuerwerk am helllichten Tage

| Roman Scheiber |

Der Gewinner des Goldenen Bären 2014 ist ein chinesischer Provinzkrimi im Neon-Noir-Gewand. Düster, humorvoll, sehenswert.

Ex-Kommissar Zhang Zili ist am Boden. Wir schreiben das Jahr 2004, es ist tiefster Winter in einer Provinzstadt im Norden Chinas. Zhang hat wieder einmal die Nacht durchgesoffen und liegt jetzt eingeschneit hinter einer Unterführung neben seinem Motorrad. Wenn nun ein Mopedfahrer vorbeikommt, kurzerhand sein minderes Fahrzeug gegen Zhangs Maschine eintauscht und davonschlittert, wirft das ein hübsches Schlaglicht auf den konzentrierten schwarzen Humor von Feuerwerk am helllichten Tage.

Wie der englische Titel Black Coal, Thin Ice besagt, geht es um schwarze Kohle und dünnes Eis. Auf Kohlewaggons wurden vor fünf Jahren und werden nun wieder Leichenteile verstreut, auf dünnem Eis wandelt aber eher der Ermittler als der Mörder. Zhang ist kein ausgesprochen sympathischer Typ, das ist  spätestens seit der Szene klar, in der sich seine Frau von ihm verabschiedet hat. Damals ist so einiges schief gelaufen in Zhangs Leben. 1999 endete die Suche nach dem Kohle-Mörder mit dem Verlust seines Jobs – in einem sehenswerten Showdown beim Friseur, der einem Tollpatschigkeitsfanatiker wie Tarantino gefallen könnte, andererseits aber eine Schockgewalt-Stilisierung à la Winding-Refn kontrastiert. Denn nicht um postmoderne Effekte ist es Regisseur Diao Yinan zu tun, sondern um eigenwillige Charaktere vor authentisch düsterer Kulisse. Und um eine klassische Detektivstory mit raffinierter Wendung, die natürlich mit einer veritablen Femme fatale aufwartet: Der Schlüssel zur Lösung des alten wie des neuen Falls scheint die bildhübsche, schweigsame Wu Zizhen (Gwei Lun Mei) zu sein, die in einer Putzerei arbeitet. Genauso wie vorher dem Alkohol scheint Zhang nun ihr zu verfallen. Während er sich ohne Auftrag immer obsessiver in die Suche nach dem Mörder verbeißt (Liao Fan erhielt für seine Darstellung den Silbernen Bären), stolpert er der Schönen – einmal sogar buchstäblich auf einem von Wiener-Walzer-Musik beschallten Eislaufplatz – in die Dunkelheit hinterher.

Bai ri yan huo, so der Originaltitel (der sich wie der deutsche auf die köstliche Schlusspointe bezieht), ist ein spannender Provinz-Krimi, genauer: ein Neo-Noir, man könnte sogar sagen: ein Neon-Noir; so nannte man ein Subgenre des US-amerikanischen Noirs der achtziger Jahre, benannt nach der von Leuchttafeln dominierten Lichtsetzung. Hier glimmern die Neonlettern und Reklamesignale allerdings eher wie Zeichen der Verzweiflung in einer ökonomisch und gesellschaftlich rückständigen Gegend. Von der Wirtschaftsexpansion Chinas ist noch nichts zu spüren. Die sorgfältige Farbgebung des Films mit einem Schwerpunkt auf den Ampelfarben trägt übrigens nicht nur zur sinistren Grundstimmung bei, sondern enthält auch entscheidende Hinweise zur Falllösung!