Hans Scheugls „Sex und Macht“ ist eine Art Remake plus Sequel seines spannenden Filmbuchs aus den 70er Jahren.
Hans Scheugl, geboren 1940, Mitbegründer der Austria Filmmakers Cooperative, gilt mit Recht als einer der führenden Vertreter des renommierten österreichischen Avantgardefilms, auch wenn seine letzte Arbeit Prince of Peace nun schon 14 Jahre zurückliegt. Filme wie Wien 17, Schumanngasse und Hernals* (beide 1967) oder zzz: Hamburg spezial (1968) gehören quasi zum Kanon. Immer wieder war und ist Scheugl aber auch publizistisch tätig. 1974 veröffentlichte er zwei bis heute Richtung weisende Bücher: zum einen gemeinsam mit Ernst Schmidt Jr. das zweibändige Kompendium Eine Subgeschichte des Films. Lexikon des Avantgarde-, Experimental- und Undergroundfilms, zum anderen erschien bei Hanser Sexualität und Neurose im Film. Die Kinomythen von Griffith bis Warhol.
Es war dies eine Zeit, als noch nicht jede Woche mehrere Filmbücher zu allem und jedem erschienen; schon deswegen erregte Scheugls umfangreiche Untersuchung des populären US-Kinos Aufsehen. Nicht von ungefähr hieß es im Verlagstext, seit Siegfried Kracauers Von Caligari bis Hitler (1947) sei eine „Gesellschaftsgeschichte im Film und eine Filmgeschichte aus der Gesellschaftsstruktur (…) nicht mehr geschrieben worden.“ Und, mehr als das: Scheugl gelang eine minuziöse Darstellung der wechselseitigen Durchdringung von gesellschaftlichen Gegebenheiten und der Produktion Hollywoods, die seit Anfang des Kinos höchst sensibel auf soziale und politische Strömungen reagiert, sie auffängt, in populären Erzählungen deutet und umdeutet und wieder an die Gesellschaft zurückgibt. Einen besonderen Fokus – siehe Untertitel – legte Scheugl auf den sexuellen Subtext der Filme, der, je nach Epoche, unterschiedlich stark und unterschiedlich bedeutsam war. Das Buch löste heftige Reaktionen aus, positive (etwa von Karsten Witte) ebenso wie negative – Klaus Theweleit etwa warf Scheugl in seinem seinerzeit enorm populären Wälzer Männerphantasien 1+2 (1977/78) Humorlosigkeit und einen „pseudo-psychoanalytischen“ Ansatz vor.
Sex und Macht. Eine Metaerzählung des amerikanischen Films des 20. Jahrhunderts nun ist keine bloße „aktualisierte Neuauflage“, sondern eine Zuspitzung: „Die Verfassung des Mannes und jene der Frau, wie sie die Filme zu erkennen geben“, sei zum „zentralen Motiv des Buches“ geworden, und so beleuchtet Scheugl hier – auch in den ganz neuen Kapiteln (70er bis 90er Jahre) – vor allem das Verhältnis der Geschlechter, das sich im Film als ebenso wandelbar erweist wie in der Gesellschaft: Vom gemeinsamen Aufbruch zu Zeiten von Vietnamkrieg, Bürgerrechts- und Frauenbewegung blieb bald nichts mehr übrig – in den 70er Jahren etwa kamen Frauen in wichtigen Rollen kaum noch vor, die patriarchalische Restauration hatte, wie nach dem Zweiten Weltkrieg auch, wieder einmal die Oberhand gewonnen. Es ist (auch diesmal) Scheugls Verdienst, solche Zusammenhänge anhand einer schieren Unzahl von 1.200 Filmen schlüssig darzustellen und zu erhellen. Das Besondere an dem Buch ist, dass es lehrreich und doch unterhaltsam ist, bzw. umgekehrt, ganz wie die besten Beispiele aus der langen Geschichte Hollywoods. Bleibt noch zu wünschen, Scheugl möge demnächst sein Avantgardefilm-Lexikon updaten.