Ein detaillierter Blick hinter die Kulissen von Jamaikas weiblicher Dancehall- und Reggae-Szene.
„A Herstory of Reggae and Dancehall“, so lautet der Untertitel des ersten abendfüllenden Dokumentarfilms der jungen Linzerin Sandra Krampelhuber; die komplette weibliche Geschichte einer Musikrichtung darf man sich allerdings nicht erwarten. Schon in den Zwischentiteln am Beginn wird das Terrain abgesteckt und die harten Fakten geliefert. Reggae ist der wichtigste Exportartikel der kleinen Karibikinsel, der Frauenanteil im Business, sowohl vor als auch hinter den Kulissen, ist verschwindend gering. In teilweise allzu rasant montierten Interviews lässt die Regisseurin drei Generationen von Powerfrauen über ihr Leben als zum Christentum bekehrte Ex-Dancehall-Queen, als Background Sängerin von Bob Marley oder als toughe Producerin erzählen. Für alle war der Durchbruch in einer Männerdomäne hart, die anfängliche Solidarität unter den Frauen wich oft einem unbarmherzigen Konkurrenzkampf. Dazwischen streut eine Kulturwissenschaftlerin eher verzichtbare Analysen ein, warum es doch gar nicht so schlimm sei, wenn in vielen Dancehall-Lyrics zum Schwulen-Bashing aufgerufen würde (das sei ja nur symbolisch gemeint) oder Frauen zu Sexobjekten degradiert werden (es sei schon schlimm, ein Sexobjekt zu sein, aber noch schlimmer, keines zu sein). Die komplexe, von vielerlei Einflüssen wie einem sehr präsenten Christentum, der Rastareligion und anderen afrikanischen Roots geprägte jamaikanische Kultur ist widersprüchlich, das wird durch die unterschiedlichen Meinungen der Performerinnen zu verschiedenen Themen wie den sexistischen Slack-Dancehall-Texten sehr deutlich. Auffällig ist, dass die meisten Frauen trotz oder gerade wegen des herrschenden Machismo eine Kraft ausstrahlen, die sich vor allem in den eher selten eingestreuten Bühnenauftritten manifestiert.
Bis auf ein paar Kamerafahrten durch Kingston, einige Konzertclips und zu kurze Impressionen einer typischen Straßenparty mit Soundsystem, beschränkt sich der Film auf die Interviews mit lokalen und internationalen Größen wie Marcia Griffiths, Tanya Stephens, Macka Diamond oder Sasha. Der Stil ist anekdotisch; vielleicht wären es klüger gewesen, sich auf weniger Protagonistinnen zu beschränken und diese dafür länger zu Wort kommen zu lassen, denn ein solches von „Talking Heads“ dominiertes Konzept steht und fällt mit der Ausstrahlung der Erzählenden. Trotz des geringen Budgets gibt der Film einen guten Einblick in eine vielfältige Szene. Vorwissen über Jamaika wird vorausgesetzt, ansonsten verliert man wahrscheinlich nach einer Viertelstunde intensivster Informationen über alle Aspekte der heutigen Dancehall- und Reggae-Kultur schnell den Überblick.