Ein ungewöhnlich unaufgeregtes Transgender-Drama mit John Carroll Lynch und Matt Bomer
Early ist ein bedächtiger Mann. Alles was er macht, geschieht sehr genau und vorbereitet. Auf das blaue Kleid seiner eben verstorbenen Frau legt der Witwer nun ihre goldene Halskette. Nach dem Begräbnis, bei dem Early sicher alles richtig gemacht hat, setzt er sich in die Badewanne und unternimmt seinen ersten Suizidversuch. Dass ihn daraufhin seine jüngere Schwester ins tausende Kilometer entfernte Kalifornien zu sich holt, rettet ihm das Leben. Aber wieder zu leben lernen, das hat Early noch vor sich.
Anything ist kein Film über die große Aufregung, obwohl er von der schwersten Krise im Leben eines Menschen erzählt. Das liegt daran, dass Timothy McNeil, der dafür sein eigenes Theaterstück adaptierte, seine Geschichte auf das Wesentlichste reduziert. Early zieht von Mississippi nach Kalifornien, sucht sich nach einiger Zeit und gegen den Willen der Schwester eine eigene Wohnung in einem weniger angesagten Viertel von Los Angeles – und lernt seine neue Nachbarin Freda kennen. Der Witwer und die Trans-Sexarbeiterin sind ein so ungleiches Paar, das alles, was sich zwischen ihnen ereignet, an sich außergewöhnlich ist.
Wirklich gut an Anything ist aber seine Besetzung: John Carroll Lynch, als Regisseur von Lucky zuletzt Eröffnungsgast der
Viennale, und Matt Bomer, nicht erst seit seinem Outing für eine solche Rolle prädestiniert, begegnen einander stets auf Augenhöhe und widerstehen eindrücklich der Versuchung, aus diesem Stoff ein großes Seifentheater zu machen – vor allem Bomer geht die Rolle des Transvestiten im Vergleich zu Jared Leto in Dallas Buyers Club nahezu entspannt an. Vielmehr wirkt hier alles dermaßen reduziert, dass die Erzählform so gar nicht zum im Grunde dramatischen Inhalt zu passen scheint.
Anything erzählt von der Banalität im Außergewöhnlichen, er ist ruhig und energisch zugleich, so wie seine beiden Hauptfiguren, die erstaunlicherweise in jeder Situation instinktiv wissen, was für sie das Richtige ist. Early lernt von der tablettensüchtigen Freda, dass es nie zu spät ist, etwas Neues zu tun, und umgekehrt ist hier plötzlich jemand da, der sich ohne Eigeninteresse um einen kümmert. Was kümmert einen da die Meinung der anderen?
Manchmal mäandert die Erzählung ein wenig vor sich hin, verliert sich nutzlos. Das ist schön, weil die Szenen dadurch wie lose zusammenhängende, kleine Einheiten wirken. Also wie einzelne Tage im richtigen Leben, das immer wieder von Neuem beginnt und dennoch immer dasselbe bleibt.