Bemerkenswerte Frauen, ebenso bemerkenswert in Szene gesetzt
Eine Leinwand, die langsam und gleichmäßig grundiert wird. Postkarten, die scheinbar nichts miteinander zu tun haben, die vor den Augen des Zuschauers in einen neuen Zusammenhang gebracht werden. Bahnen von bemaltem Reispapier. Latexflächen, die an einer Wäscheleine aufgehängt werden, wie Haut zum Trocknen. Ein Raum, der von jedem, der ihn betritt, neu definiert werden kann.
Hinter ihrer Kunst sind die Stimmen der Künstlerinnen zu hören, die ab den siebziger Jahren Teil der Wiener Kunstszene waren und sich in der Frauenbewegung engagieren. Sie erzählen von ihrer Kunst, über ihre Inspirationen und wie die Menschen darauf reagiert haben. Sie erzählen aber auch darüber, wie es war, an der Kunst-Uni die einzige Frau des Lehrgangs zu sein, sich Wissen über den eigenen Körper und die eigene Sexualität anzueignen sowie zu erkennen, dass man eine solche haben darf, ohne Scham zu empfinden. Sie erzählen von patriarchalen Strukturen, ungewollten Berührungen, empörenden Anmaßungen und dem Kampf um persönliche Freiheit – im Privaten ebenso wie in der Kunst.
Mit einer außergewöhnlichen Bildsprache, die den Kunstwerken ebenso viel Raum gibt wie den Künstlerinnen und diesen Raum immer wieder mit einer gekonnten Gesprächsstille unterbricht, die einem sowohl Zeit gibt, das Gesagte zu verarbeiten, als auch die Filmbilder und leisen Töne auf sich wirken zu lassen, gestaltet Christiana Perschon in ihrem Atelier ein faszinierendes Kaleidoskop an Geschichten, Bildern, Aussagen, Interpretationen und Betrachtungen. Neben den Erzählungen und Erklärungen geht es in Sie ist der andere Blick zu einem wesentlichen Teil auch darum, den Moment einzufangen und sich mit ihm auseinanderzusetzen, in dem der erste Blick des Betrachters auf das Kunstwerk fällt und sich die Intention, die uns die Künstlerin vermittelt, mit unserer subjektiven Wahrnehmung vermischt. Alles was wir sind, was wir erlebt haben, wie wir Menschen, die Welt und die Kunst betrachten, fließen hier zusammen und lassen uns die Kunst auf gewisse Weise neu erschaffen – jeder und jede für sich. Der Titel ist also Programm. Er zeigt uns den Blick von Künstlerinnen auf eine Welt, die auch heute in vielerlei Hinsicht in Rollenbildern und Schubladendenken funktioniert. Von Künstlerinnen, denen einst vorgeworfen wurde, als Frauen zu wenig von Kunst zu verstehen, weil sie einen „anderen Blick“ hatten. Einen, den man sich ansehen sollte.