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Filmkritik

Juliet, Naked

| Roman Scheiber |
Locker flockige Liebesdramödie nach Nick Hornby, mit Ethan Hawke als mythenumrankter Popstar-Legende.

Mit Nick-Hornby-Verfilmungen ist das so eine Sache. Sie versuchen den zumeist ironischen Ton der Vorlage zu treffen. Den existenziell anmutenden Mühen diverser Hornby-Protagonisten, ihre je eigenen Schrullen und Beziehungsträgheiten abzustreifen oder ihr Leben in den Griff zu kriegen, versuchen sie komische Facetten abzugewinnen. Sie verpflichten sich dem je nach Sichtweise intensiven oder doch eher exzessiven „Fandom“ des Autors, insbesondere für Popmusik (High Fidelity, 2000, von Stephen Frears, mit John Cusack) und Fußball (Fever Pitch, 1997, mit Colin Firth). Wer diese beiden Romane gelesen und deren Adaptionen gesehen hat, weiß, welch großes Herz Nick Hornby für Nerds hat. Erst für Kenner der Materie entfaltet ein Buchtitel über Fankultur wie „Wenn du am Spieltag beerdigt wirst, kann ich leider nicht kommen“ seine volle (selbst-)ironische Würze. Künstlerisch und finanziell einträglich war die Adaption von Hornbys Roman „About a Boy“ (2002) mit Hugh Grant; gänzlich in die Hose gegangen ist „A Long Way Down“ bzw. dessen Adaption von 2014, weil sich dessen Form der Verflockung von Suizidabsichten als allzu zynisch im Feld des Unleidlichen erwies. Mit anderen Worten: Wo der Humor pechschwarz hätte sein müssen, blieb er fahlgrau.

Im Fall von Juliet, Naked kommen jedenfalls viele Hornby-typische Faktoren zusammen, und wer sich von einer romantischen Dramödie wie dieser keine allzu hohe emotionale Fallhöhe erwartet, wird eine gelungene, an manchen Stellen anrührende, über weite Strecken vergnügliche Roman-Adaption erleben. Die weibliche Hauptfigur ist Annie, die es sich in ihrem beschaulichen Kleinstadtleben im fiktiven Sandcliff an der Küste Ostenglands als örtliche Museumsleiterin recht gemütlich eingerichtet hat. Seit fünfzehn Jahren ist sie mit dem amerikanischen College-Professor Duncan liiert, muss ihn aber mit einer länger dauernden Liebe teilen: Der unbewusst egozentrische Duncan (Seelenverwandter der Helden von „Fever Pitch“ und „High Fidelity“) ist nämlich der größte lebende Fan von Tucker Crowe, der nach einem Konzert 1993 mir nichts, dir nichts untergetaucht war und fortan als Projektionsfläche nicht enden wollender Spekulationen diente.

Duncan hält Tucker für den unterschätztesten Popmusiker aller Zeiten und betreibt deshalb einen Blog zu seinen Ehren. Von Crowe selbst freilich hat man seit damals keinen neuen Song mehr gehört. Umso sorgfältiger muss jede alternative Version eines alten Stücks, wenn sie einem denn zugeschickt wird, analysiert, eingeordnet und der offenbar mehrere hundert Mitglieder starken Fangemeinde zugänglich gemacht werden. Anhand so einer Zusendung, es handelt sich um den titelgebenden Song, mit dem Tucker damals die Trennung von einer Model-Flamme verarbeitet hat, anhand einer plötzlich aufgetauchten Demoversion dieses Stücks also entzündet sich ein Konflikt, der eine schon länger währende Entfremdung zwischen Annie und Duncan zu Trage treten lässt. Und bald bekommt man auch eine Ahnung, warum Tucker in eine kreative Krise gefallen sein könnte: Zu beschäftigt war er zunächst damit, sein Leben genüsslich auszukosten und sich mehr oder weniger geplant fortzupflanzen, und nun ist er ziemlich spät – wenn als werdender Großvater nicht sogar zu spät – dabei, sein Leben wieder in die eigene Hand zu nehmen. Dabei wird „Anti-Fan“ Annie natürlich eine Hauptrolle spielen, aber erst nach Auflösung allerlei restfamiliärer Verwicklungen und Kalamitäten. Höhepunkt: die einzige Sequenz, in der alle drei Protagonisten der seltsam verzwickten Dreiecksgeschichte zusammen zu sehen sind.

Die Inszenierung von Jessie Peretz bleibt über weite Strecken unauffällig bis einfallslos, das Schauspiel von Rose Byrne, der man die knallharte Junganwältin aus Damages kaum noch anmerkt, von Chris O’Dowd als Obercrowerianer und selbstverständlich von Ethan Hawke, der mit Blaze eben erst selbst (u.a. bei der Viennale) ein Musiker-Biopic als eigene Regie-Arbeit vorgestellt hat, ist indes überaus charmant. Dazu Musik von Conor Oberst, Lee Hazlewood, den Kinks, John Bowie oder Ryan Adams, gehäuft vorgetragen von Nathan Larson, Dana Lyn, Bill Campbell, Matt Ray und Ethan Hawke höchstselbst.

Ein Interview mit Ethan Hawke zu Leben und Werk lesen Sie hier.