Filmstart

France

| Pamela Jahn |
Tragikomische Mediensatire mit Léa Seydoux als Top-Journalistin im Leerlauf

Es kommt nicht oft vor, dass Emanuel Macron vor der Presse um Aufmerksamkeit bitten muss. Doch France de Meurs hat ihren Auftritt wie immer sorgfältig geplant. Die Star-Journalistin weiß sich in jeder Situation in Szene zu setzen, ganz gleich ob sie mit Helm und Schutzweste aus Kriegsgebieten berichtet oder den französischen Premier im Konferenzsaal mit kritischen Fragen bombardiert. Sie hat das gewisse Etwas, ein Charisma, mit dem sie Politiker wie Publikum gleichermaßen in ihren Bann zieht. Das perfekte Image einer Powerfrau, die ihre Karriere fest im Griff hat und auch zu Hause die Fäden zieht, weil sich ihr Schriftsteller-Ehemann und der gemeinsame Sohn ebenfalls längst mit ihrem Leben als öffentliche Person arrangiert haben.

Deshalb wirkt der Aufprall umso heftiger bei ihr nach, als sie eines Tages auf der Straße einen jungen Motoradkurier anfährt, der sich bei dem Unfall die Kniescheibe verrenkt. Alles halb so wild, möchte man meinen. Aber für France kommt die Angelegenheit einer persönlichen Niederlage gleich, die sie komplett aus der Bahn wirft – vor wie hinter der Kamera. Erst regen sich tiefe Schuldgefühle in ihr, dann eine schwere Depression, und bald überholt ein Drama das nächste.

Wem das Ganze bereits jetzt zu aufgesetzt oder abgehoben klingt, dem sei versichert: Das ist es auch. Die knalligen Outfits, der immer etwas zu rote Lippenstift, das Luxus-Apartment, in dem France mit ihrer Familie wohnt, und die 40.000 Euro, die sie der Immigranten-Familie des Verunglückten unaufgefordert als Entschädigung zahlt, all das hat bei Bruno Dumont System. Der Regisseur und Autor, der zuletzt in Jeanne dArc den Mythos um die französische Freiheitsikone in einem Potpourri aus Tanz- und Gesangseinlagen dekonstruierte, scheut hier kein Klischee, kein Close-up und keine große Geste, um seiner offensichtlichen Kritik an Medien, sozialen Netzwerken und gesellschaftlichen Strukturen Luft zu machen.

France ist eine Tragikomödie mit der Betonung auf der ersten Silbe, in deren Zentrum Léa Seydoux wie ein seltener Paradiesvogel mit gebrochenen Flügeln agiert. Zwar hat Dumont durchaus einiges über die zersetzende Wirkung unserer 24-Stunden-Nachrichtenkultur zu sagen. Aber sein Film ist zu unentschlossen und Seydoux als Anti-Heldin zu glatt, unnahbar und kalkuliert, um ehrlich zu berühren. Wir sehen die Probleme. Wir sehen, wie sich France immer weiter ins Unglück stürzt. Aber unser Mitgefühl verdient sie sich deshalb noch lange nicht.