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Francis Ford Coppola

Francis Ford Coppola – Eine umfangreiche DVD- bzw. Blu-ray-Kollektion mit allen gloriosen Meisterwerken

| Jörg Schiffauer |
Francis Ford Coppola trug ganz entscheidend zu einem der größten Umbrüche im US-amerikanischen Kino bei. Eine neue DVD-Kollektion bietet eine exzellente Gelegenheit Einblick in seine Meisterwerke vorzunehmen.

In einer Szene des großartigen Dokumentarfilms Hearts of Darkness: A Filmmaker’s Apocalypse, der hinter die Kulissen der Dreharbeiten von Apocalypse Now blickt, ist Francis Ford Coppola zu sehen, wie er sich einen Revolver an den Kopf hält – eine Geste, mit der er in ein wenig makaberer, ironischer Weise seine Verzweiflung über das anwachsende Chaos, das im Verlauf der Produktion um sich griff, demonstrieren wollte. Nun muss man den Legendenbildungen, die viele filmische Großprojekte umranken, nicht unbedingt Vorschub zu leisten, doch betrachtet man das von Coppolas Frau Eleanor während der Produktion von Apocalypse Now gedrehte Material und ruft sich den Film selbst wieder in Erinnerung, ist man durchaus geneigt zu glauben, dass Francis Coppola tatsächlich an seine physischen und psychischen Grenzen gelangte und die Arbeit an diesem Film wirklich so etwas wie eine Reise ins Herz der Finsternis wurde. Das Resultat spiegelt auf jeden Fall alle Anstrengungen wider, Apocalypse Now ist Coppolas Opus magnum, einer der absoluten Höhepunkte des Schaffens der Generation New Hollywood und schlichtweg eines der überwältigendsten Filmerlebnisse, die man im Kino machen kann.

 

Zeiten des Aufruhrs

Der am 7. April 1939 in Detroit geborene Francis Ford Coppola zählte schon früh zu den führenden Köpfen von New Hollywood, jener Bewegung junger Filmemacher, die sich anschickten ab Mitte der sechziger Jahre dem in jeder Hinsicht darniederliegenden US-amerikanischen Kino einen gewaltigen kreativen Schub zu verleihen. Wie die meisten seiner New-Hollywood-Kollegen  absolvierte auch Coppola eine Filmschule – jene an der UCLA – , daneben arbeitete er für den legendären Roger Corman, ein idealer Ausbildungsplatz in Sachen filmischer Praxis, der es Coppola 1963 ermöglichte, mit einem Minibudget den Horrorfilm Dementia 13 zu drehen. Bereits frühzeitig gelang es Coppola auch als Drehbuchautor in Hollywood Fuß zu fassen, so zeichnete er als Koautor für die Skripts von großen Produktionen wie This Property is Condemned, Is Paris Burning und Patton verantwortlich. Unzufrieden mit den Produktionsbedingungen traditionellen Zuschnitts der bei den Hollywood-Majors vorherrschte, gründete Francis Coppola 1969 mit American Zoetrope sein eigenes Studio, mit dem er nicht nur seine Regiearbeit The Rain People produzierte sondern auch den ersten Spielfilm seines Freundes George Lucas, THX 1138. Es war jedoch Coppolas Zusammenarbeit mit einem großen Studio, die New Hollywood zum großen Durchbruch verhelfen sollte. Paramount, das die Rechte an Mario Puzos Romanvorlage „The Godfather“ erworben hatte, trat, nachdem einige renommierte Namen abgesagt hatten, an Francis Coppola heran, der schließlich zusagte, die Regie zu übernehmen – the rest is history,  wie das im Englischen so knapp wie treffend formuliert wird. The Godfather (1972) wurde nicht nur zu jenem finanziellen Erfolg, den Hollywood so dringend brauchte – bei Produktionskosten von sechs Millionen Dollar betrugen die Einspielergebnisse schlussendlich 245 Millionen – der Film trat auch eine gewaltige Veränderungen innerhalb der Branche los. Denn Coppola hatte gegen alle Widerstände des Studios was Budget oder Besetzung anging, mit Zähigkeit an seiner Vorstellung von der filmischen Umsetzung des Romans festgehalten. Das Resultat war abseits des ökonomischen Erfolgs auch in künstlerischer Hinsicht überwältigend und trug nicht unwesentlich dazu bei, den Regisseur als Auteur zu etablieren – eine der Kernforderungen New Hollywoods. Zudem erfüllte The Godfather eine weiteren Anspruch des neuen US-Kinos auf kongeniale und geradezu exemplarische Weise, nämlich traditionelle Genres Hollywoods aufzufrischen ohne dabei auf völlig auf die klassischen Wurzeln zu vergessen. Coppola, George Lucas und Steven Spielberg waren dabei federführende Meister ihres Fachs, ihr Einfluss auf das US-amerikanische Kino war dabei wesentlich größer und nachhaltiger als der vieler anderer Protagonisten New Hollywoods, deren Arbeiten über den Status punktueller Leistungen nicht hinauskamen.

Doch The Godfather ist natürlich weit mehr als ein neuer, gehaltvoller Beitrag im Genre des Gangsterfilms. Dieses ist bloß das Fundament, auf dem Coppola eine epische Familiensaga erzählt und dabei aus einer zunächst ungewöhnlichen Perspektive auch die Geschichte der Vereinigten Staaten widerspiegelt. Die im Zentrum des Geschehens stehende Familie Corleone repräsentiert zwar das organisierte Verbrechen, doch ebenso steht sie für die Geschichte vieler Immigranten, die die Historie Amerikas bekanntermaßen entscheidend geprägt haben. Im Gegensatz zum Gangsterfilm klassischer Prägung sind die Protagonisten hier keine Stereotypen sondern nuancierte Charaktere mit dem gesamten Spektrum menschlicher Stärken und Schwächen. Vor allem aber verzichtet The Godfather auf jedwedes vordergründiges Moralisieren, vielmehr werden die Corleones als Charaktere gezeigt, die die Prinzipien eines Systems, in dem wirtschaftlicher Erfolg absolute Priorität genießt, gründlich verinnerlicht haben. „It’s not personal. It’s strictly business“ heißt es immer wieder. Dass anstelle eines gefestigten Protestantismus – ursprünglich ein notwendiges Korrektiv im Kapitalismus amerikanischer Prägung – klandestine Strukturen treten, führt jedoch letztendlich zu jener mörderischen Verschmelzung von Verbrechen und Business, die die Cosa Nostra so berüchtigt gemacht hat. Im Fall der Corleones ist dies jedoch eine Entwicklung, die deutliche Spuren hinterlässt und schlussendlich zu einer Verrohung führt, die der von Marlon Brando gespielte Vito Corleone zu Anfang wohl selbst nicht für möglich gehalten hätte.

Mit The Godfather zeigt Francis Coppola aber auch seine unnachahmliche Fähigkeit, in epischer Breite zu erzählen ohne dabei in aufgesetztes Pathos oder gar ins Prätentiöse abzurutschen. Vor allem in Verbindung mit dem zwei Jahre später gedrehten The Godfather: Part II entfaltet sich die Saga der Familie Corleone in ihrer ganzen erzählerischen Dynamik die Coppola mittels einer ungemein komplexen und vielschichtigen narrativen Struktur zu entwickeln versteht. Die Godfather-Filme sind zudem auch Schauspieler-Kino von allererster Güte. Marlon Brandos etwas ins Stocken geratene Karriere erfuhr mit der Rolle des Patriarchen Vito Corleone ein grandioses Comeback, für eine ganze Reihe an Darstellern der Generation New Hollywood – Al Pacino, Robert De Niro, James Caan, Robert Duvall, Diane Keaton oder dem viel zu früh verstorbenene John Cazale –  war es ein erster Meilenstein auf dem Weg in die oberste Liga Hollywoods. Dass in The Godfather: Part II sogar der legendäre Lee Strassberg einen seiner raren Film-Auftritte hinlegt darf auch nicht unerwähnt bleiben.

Zwischen den beiden Godfather-Filmen drehte Francis Coppola mit The Conversation einen kleinen Thriller, der jedoch in vielerlei Hinsicht zu seinen bemerkenswertesten Arbeiten zählt. Protagonist ist dabei Harry Caul (Gene Hackman) ein Abhörspezialist, der seine Kenntnisse sowohl staatlichen als auch privaten Auftraggebern zur Verfügung stellt. Als er eine junge Frau, die ihren Mann, eine einflussreiche Persönlichkeit, betrügt, und ihren Liebhaber abhören soll, denkt Harry, dass es sich um einen Routineauftrag handelt. Als er vermeint, unfreiwilliger Teil eines Mordkomplotts zu sein, kommen ihm aber Bedenken. Doch Harry Caul ist schon tief in ein Verwirrspiel verstrickt, das er immer weniger zu durchblicken versteht und aus dem er sich auch nicht mehr lösen kann. The Conversation ist ein fiebriger Verschwörungsthriller, der kongenial die paranoide, von Misstrauen geprägte Atmosphäre die im Amerika der Nixon-Ära nach Watergate vorherrschte, widerspiegelt . Die Furcht vor im Hintergrund agierenden, allmächtigen Apparaten, die abseits aller demokratischen Kontrollen ungehemmt agieren und vor denen niemand sicher sein kann, legt sich wie ein dunkler Schatten über The Conversation, der angesichts der Ereignisse um Edward Snowden und die Praktiken der NSA aktueller den je erscheint.

 

Dschungelkrieg

Nach dem Erfolg der Godfather-Filme war Francis Coppola in der Position, sich einem Projekt zuzuwenden, dessen Dimensionen von Anfang an gewaltig erschienen: Apocalypse Now, ein Film über den Krieg in Vietnam, basierend auf Joseph Conrads 1899 erschienen Roman „Heart of Darkness“. Ursprünglich hätte das von John Milius verfasste Drehbuch von George Lucas verfilmt werden sollen, es erscheint ein durchaus spannendes Gedankenexperiment sich vorzustellen, welcher Film daraus geworden wäre. Im Mittelpunkt von Apocalypse Now steht der von Martin Sheen gespielte Captain Willard, der den Auftrag erhält, einen geheimnisumwitterten Oberst namens Kurtz, der sich in den Wirren des Krieges abgesetzt und mitten im Dschungel mit einer Art von Privatarmee herrscht, aufspüren und liquidieren soll. Auf einem kleinen Patrouillenboot fährt Willard einen Fluss hinauf, mitten durch Kampfzonen, wobei ihm nach und nach die ganze Absurdität dieses Krieges immer deutlicher vor Augen geführt wird.

Im März 1976 begann Coppola mit den Dreharbeiten auf den Philippinnen. Die eingangs erwähnte Dokumentation macht deutlich, dass Coppola mit Widrigkeiten aller Art zu kämpfen hatte. Ein Taifun zerstörte große Teile des Filmsets, Martin Sheen erlitt einen Herzinfarkt, der in einige Wochen zum Pausieren zwang, Marlon Brando erwies sich in der so wichtigen Rolle des Colonel Kurtz als recht unkooperativ, Coppola musste für Budgetüberschreitungen sogar mit seinem Vermögen bürgen. An einem Punkt der Produktion meinte ein sichtlich an die Grenzen seiner Belastbarkeit gelangter Coppola sinngemäß, es sei ihm mittlerweile egal , ob der Film gut oder schlecht wird, er wolle ihn vor allem zu Ende bringen.

Die Qualen und die Risikobereitschaft haben sich letztendlich gelohnt, mit Apocalypse Now hat sich Coppola endgültig als Filmemacher von grandioser Qualität für alle Zeiten etabliert. Kein anderer Film hat die Widersprüchlichkeiten, mit denen sich Amerika im Vietnam-Krieg konfrontiert sah, so deutlich gemacht wie Apocalypse Now. Und kaum ein anderer Film versteht es so kongenial auf die Ambivalenz zwischen der Faszination und dem Grauen, die von Schlachtenszenen ausgehen und dem Kriegsfilm so inhärent sind, zu verweisen und sie gleichzeitig dramaturgisch auszunützen. Wobei die Kategorisierung als Kriegsfilm in diesem Fall zu kurz greift. Wie auch bei The Godfather hat man bei speziell bei Apocalypse Now den Eindruck, man betrachtet etwas ganz Großes. Coppolas beste Arbeiten – Apocalypse Now bildet da den Höhepunkt – vereinigen jene Mischung aus Vision und Wahnsinn im Stil von David Lean und Stanley Kubrick, die wirklich große Meisterwerke von einfach sehr guten Filmen unterscheidet.

Die Auswahl der Filme für die vorliegende Kollektion erscheint gut getroffen. Sie umfasst mit The Godfather, The Godfather: Part II, Apocalypse Now, und dem kleinen Juwel The Conversation den Nukleus von Coppolas umfangreichem Oeuvre. Bei Apocalypse Now liegt die im Jahr 2001 veröffentlichte Redux-Fassung vor, die von Coppola um eine lange Sequenz, in der Willard auf französische Plantagenbesitzer trifft –die Kinofassung, die diese Sequenz ausspart, ist allerdings immer noch beeindruckender, jede Ergänzung kann die Wucht, die von diesem Film ausgeht nur abmindern. Die bereits angesprochenen Dokumentation Hearts of Darkness: A Filmmaker’s Apocalypse ist dagegen eine perfekte Ergänzung, die großartige Einblicke vermittelt.

The Godfather: Part III (1990) ist ein später Abschluss der Corleone-Saga, dem jedoch ein wenig die epische Größe der Teile I und II abgeht. Interessanter erscheint da The Outsiders (1983), Francis Coppolas Adaption eines vor allem in den Vereinigten Staaten populären Romans. Am sozialkritischen Aspekt er Vorlage ist Coppola weniger interessiert, The Outsiders ist vielmehr eine Reflexion über die Repräsentation der Jugendkultur im Film. Die vor allem formal spannende Inszenierung versammelt eine neue Generation vielversprechender Schauspieltalente, wie Matt Dillon, Patrick Swayze, Emilio Estevez, Ralph Macchio, Diane Lane und Tom Cruise. The Outsiders nimmt aber auch schon ein wenig vorweg, wie Francis Ford Coppolas Karriere nach Apocalypse Now verlaufen sollte: ambitionierte Projekte mischten sich mit reichlich konventionellen, neben durchaus respektablen Filmen schlichen sich auch bittere Fehlschläge ein, die visionäre Größe der siebziger Jahre sollte er als Filmemacher nie mehr erreichen. Seinen Platz im Olymp der Filmgeschichte hatte sich Francis Ford Coppola da allerdings längst und völlig zu Recht gesichert.