Doch die Verhältnisse, sie sind nicht so!
Johannes Grenzfurthner, Mitglied des Künstlerkollektivs monochrom, ist ein Mann vieler Interessen – so treffen sich in seinen mit subversivem Humor angereicherten, multimedialen Arbeiten beispielsweise Felder wie Medientheorie, Nerdkultur, Urheberrechtsfragen oder die Auseinandersetzung mit Ideologien. Dabei war Grenzfurthner in seinen unabhängig (= mit wenig Geld) finanzierten Produktionen meist in jenen Gefilden unterwegs, die man „Underground“ zu nennen pflegt. 2016 war seine Doku Traceroute – in der Nerd Grenzfurthner allerlei Nerds in den USA aufsuchte – bei zahlreichen internationalen Festivals zu sehen, nun kommt im Eigenvertrieb eine weitere in die heimischen Kinos. Wobei das Wort Dokumentarfilm dann doch etwas irreführend wäre: Eher handelt es sich bei Glossary of Broken Dreams um einen stilistisch vielfältigen Essayfilm à la Nerd. Worum geht es? Um eigentlich eh alles: Überwachung, Kapitalismus, Markt, das Politische am Internet, Bobo-Cafés, die Krise der Sozialdemokratie und die Frage, warum heutzutage keine Kunstskandale mehr möglich sind. Das alles wird in einer wilden Abfolge aus Animationsfilm, Puppenspiel, Voice-over und bewusst trashig gehaltenen Szenen mit Schauspielern und Laien präsentiert, dazu gibt es oftmals derbe Witze.
Beginnen wir also mit dem betrüblichen Status quo: Der Zustand der Welt ist kein rosiger, die Privatsphäre als solche scheint bald nicht mehr zu existieren. Müsste man das Internet komplett abschaffen, um dem entgegenzuwirken? Nicht unbedingt, man könnte ja auch etwas Schönes daraus machen. Das Problem, so der Film, seien nicht die Daten an sich, sondern die Machtverhältnisse hinter den Daten. Über weite Strecken ist der Film so eine Analyse jener Dinge, die nach Grenzfurthners Ansicht nicht im Gleichgewicht sind. Beispielsweise der Kapitalismus: „Competitive systems“ seien ineffizient, weil der Großteil der Energie nicht darauf verwandt werde, ein Produkt zu erzeugen, sondern wettbewerbsfähig zu bleiben. Die Folge seien dann eben Scheißjobs. Und News seien ja ohnehin immer Fake, da sie von vornherein auf bestimmte Zielgruppen zugeschnitten würden. Der ultimative zerbrochene Traum sei die Linke selbst, heißt es an einer Stelle im Film – die aus Geldmangel leider nicht so pathetisch präsentiert werden kann, wie der Regisseur sich das vorstellt. Der habgierige Produzent (Gerald Votava) rückt kein Geld mehr heraus, also muss Grenzfurthner zur Frau Mama betteln gehen. Somit wären auch die prekären Arbeitsverhältnisse heutiger Kreativer inkludiert. Dazu gibt es jede Menge Theorie und historische Bögen – beispielsweise ist Heinrich Heines Gedicht „Die Weber“ (1844), das sich ausgebeuteten Arbeitern in Zeiten der aufkommenden Industrialisierung widmet, in Songform präsent.
Jede Menge Stoff also, manchmal vielleicht zu viel bzw. zu schnell. Kleinere Atem- und Denkpausen, um die Vielzahl an Informationen auch ein wenig einsickern zu lassen, wären eventuell hilfreich gewesen. Ansonsten ist Glossary of Broken Dreams eine irre, manchmal lustige Bestandsaufnahme der gegenwärtigen Verhältnisse, mit der Grenzfurthner seinen Stil, der intellektuellen Anspruch mit derben Witzen kurzschließt, noch ein Stückchen weitergetrieben hat.