Auch Vorhersehbarkeit kann unterhaltsam sein, dieser Stalker-Horror-Film beweist es.
Wie eine Ballerina trippelt sie heran, tänzerisch und luftig – und dann versetzt sie dem Eindringling einen weiteren Streich, den entscheidenden; und das kommt dann eben davon, wenn man(n) eine kleine, zierliche, ältere Dame unterschätzt.
Das Publikum ist da schlauer, hat es doch in vielen Jahren faszinierten Beobachtens gelernt, dass einer Figur, die von Isabelle Huppert gespielt wird, nicht zu trauen ist. Hupperts Figuren sind im Allgemeinen weder simpel gestrickt noch leicht zu durchschauen, ihr Verhältnis zur Wahrheit ist bestenfalls ambivalent, ihre Moral mitunter nicht sonderlich gefestigt und ihre Bereitschaft zum Risiko umgekehrt proportional zur Fragilität ihrer äußeren Erscheinung. Vorsicht ist also geboten, wenn sie sich nähert und tut, als könne sie kein Wässerchen trüben. So, als wäre sie das Opfer, obwohl sie doch recht eigentlich die Täterin ist.
Ziemlich früh in Neil Jordans Greta sieht man also das Unheil kommen, ein Umstand, der das perverse Vergnügen an der wüsten Geschichte jedoch nur geringfügig mindert. Wer braucht Glaubwürdigkeit, wenn man sieht, mit welchem Gusto Madame Huppert dem Wahnsinn im Inneren ihrer Figur die Zügel schießen lässt, während es ihr zugleich gelingt, nach außen die Fassade des vermeintlich Normalen aufrechtzuerhalten? Lange fragt man sich, wie durchgeknallt diese Greta Hideg denn nun wirklich ist, ob ihr zunehmend zudringliches Benehmen nicht doch vielleicht mit Trauma und Kummer erklärbar wäre und irgendwie noch rechtzeitig in den Griff zu bekommen.
Das denkt sich wohl auch die junge Kellnerin, die sich mit Greta angefreundet hat: Frances, die vor nicht allzu langer Zeit ihre Mutter verlor, während die kürzlich verwitwete Greta schmerzlich ihre in Paris studierende Tochter vermisst – die beiden Frauen ergänzen und trösten einander, weil sie einander Mutter respektive Tochter ersetzen. Aber dann … dann bleibt Frances viel zu lange in Gretas Nähe; weil sie ein schlechtes Gewissen hat und weil sie allzu naiv ist und weil das immer wieder Ausflüge ins Hane-büchene unternehmende Drehbuch es so will. Und so bekommt Frances eben ihre Quittung, und das Drehbuch dreht so richtig auf, und Neil Jordan nutzt einmal mehr und ohne jede Hemmung sämtliche Gelegenheiten, die so ein knackiger Thriller bietet. Er inszeniert die Mär vom vermeintlich so freundlich Vertrauten, das urplötzlich die Reißzähne zeigt – und Isabelle Huppert ist als Stehaufweibchen ganz in ihrem Element.