Erstaunlich viele Filme beim Festival in Singapore setzen auf große Emotionen mit einem nostalgischen Touch.
Zwölf Filme umfasst der Wettbewerb um die Silver Screen Awards, die beim 34. Singapore International Film Festival vergeben werden. Dabei bleiben bisher keine Augen trocken. Mit großer emotionaler Wucht machen die Filme teilweise wett, was ihnen an erzählerischer Finesse (noch) fehlt.
Dabei geht der Blick des öfteren zurück in die Vergangenheit, wie im Fall von Chong Keat Auns Snow in Midsummer, der zuletzt auch bei der Viennale gezeigt wurde. Nichts weniger als ein nationales Trauma nimmt sich der junge Regisseur aus Malaysia vor, die Unruhen vom 13. Mai 1969, als sich die chinesische Minderheit gegen die Unterdrückung durch die Malaien auflehnte. 49 Tote waren zu beklagen, die bis vor nicht allzu langer Zeit in Massengräbern verscharrt waren. Chong erzählt die tragischen Ereignisse anhand einer chinesischen Theatertruppe, die unfreiwillig in den Konflikt hineingezogen wird.
Sehr emotional geht es auch in Pham Thien Ans ebenfalls in Wien gezeigtem, sichtlich am Slow Cinema eines Apichatpong Weerasethakul geschultem Dreistünder Inside the Yellow Cocoon Shell zu, das Drama um einen jungen Mann aus Saigon, der seine verstorbene Schwägerin zurück in ihr Heimatdorf bringt. Da sein Bruder schon vor Jahren verschwunden ist, muss er sich nun um seinen Neffen kümmern.
In Dreaming & Dying von Nelson Yeo aus Singapore formt sich bei einem ziemlich gescheiterten Klassentreffen ein intensives Liebesdreieck zwischen einer Frau, ihrem Ehemann und einem Jugendschwarm, gespielt von Peter Yu, dem derzeit angesagtesten Star in Singapore, der aktuell in praktisch jedem einheimischen Film zu sehen ist. Diese reale Konstellation überlagert sich mit einer literarischen Erzählung, in der es ebenfalls um eine Dreiecksbeziehung geht.
Der indische Wettbewerbsbeitrag Valli von Manoj Shinde nimmt sich 143 Minuten Zeit, um die Geschichte des Titelhelden zu erzählen. Valli ist ein Transmann, der dank dieser seiner Sonderstellung als „Priesterin“ einer nicht näher genannten Göttin fungiert, im realen Leben aber ständigen Provokationen und kleinen Gewaltakten durch die herrschenden Dorf-Machos ausgesetzt ist. Seine einzige Bezugsperson ist die ähnlichen Repressalien ausgesetzte Tara. Eines Tages beschließen die beiden Outcasts, ihr Glück in einer der indischen Großstädte zu versuchen.
Wem das noch nicht gefühlsbeladen genug war, der konnte in der Reihe „Singapore Panorama“ mehr emotionalen Stoff bekommen. Kelvin Tongs A Year of No Significance führt zurück in die siebziger Jahre, als Englisch statt Chinesisch als offizielle Sprache des Stadtstaates eingeführt wurde, auch und vor allem im Berufsleben. Der Architekt Lim ist auf diese Situation ganz schlecht vorbereitet und gerät beruflich immer mehr ins Abseits. Zwei schwere Krisen in der Familie tun ein übriges, um ihn aus der Bahn zu werfen.
Und noch dicker kommt es im fast schon höhnisch betitelten Wonderland von Chai Yee-Wei. Der Film spielt in den achtziger Jahren, das erwähnte Sprachdilemma ist auch hier virulent, als die Tochter eines einfachen alten Geschäftsbesitzers zum Studieren in die USA geht. Der Vater spricht nur Chinesisch, die Tochter kann nur Englisch schreiben, also muss er sich ihre Briefe von einem Nachbarn übersetzen lassen bzw. die seinen von ihm schreiben lassen. Doch Loke, der alte Mann, ist darüber hinaus auch noch sterbenskrank, und die Tochter verunglückt in den USA. Das ist nun wirklich starker Tobak, auch wenn der Regisseur mit einem nostalgisch geprägten Bild einer intakten, enorm hilfsbereiten Hausgemeinschaft gegenzusteuern versucht.
Optimistischer als die Filme war da schon eine gut besetzte Gesprächsrunde zum Thema einer verstärkten filmischen Zusammenarbeit unter den kleineren südostasiatischen Ländern. Das leuchtende Beispiel, das auch entsprechend oft herbeizitiert wurde, ist natürlich Südkorea, das sich mit viel Geld und einer einzigartig cleveren Strategie zu einem der Major Players im internationalen Film- und Streaminggeschehen entwickelt hat.