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Große Namen, große Erwartungen

| Thomas Abeltshauser |

Es tut sich etwas am Lido. Wenn am Mittwoch das älteste Filmfestival der Welt zum 73. Mal eröffnet, werden die Festivalgäste zum ersten Mal seit vielen Jahren nicht mehr an der Baugrube neben dem Palazzo del Casinò vorbeilaufen müssen, die dort klaffte, seit großspurige Neubaupläne durch asbestverseuchten Baugrund gestoppt und die bereits ausgehobene Grube vorrübergehend mit Planen verdeckt wurden. Aus dem Provisorium freilich war im Laufe der Jahre ein Dauerzustand geworden, der, um einen Bauzaun erweitert, nicht besser wurde. Und nun: Grube zu, alles gut. Auf dem Gelände erstrahlt ein neuer roter Kubus, der sich vom frischesten grünen Rasen herum hervorhebt und konsequent Sala Giardino getauft wurde. Hier laufen ab Mittwoch von morgens um neun bis in die Nacht hinein Filme.

Es ist das deutlichste Zeichen eines Neuanfangs der Mostra, die sich nach Jahren der Lähmung zu etlichen kleinen organisatorischen Verbesserungen durchgerungen hat. Und auch das Programm des ältesten Filmfestivals der Welt verspricht in diesem Jahr außergewöhnlich zu werden. Auch wenn man auf ein Kinowunder wie mit Maren Ades Toni Erdmann (und Peter Simonischek als unvergesslichem Titelhelden) im Mai in Cannes wohl nicht hoffen kann. Aber mit Wim Wenders Les beaux jours d’Aranjuez läuft immerhin die 3D-Adaption eines Theaterstücks des Kärntener Schriftstellers Peter Handke im Wettbewerb. Besonders gespannt bin ich auf einen Film außer Konkurrenz: Ulrich Seidl folgt in Safari österreichischen Großwildjägern auf ihrer Killertour durch Afrika. Und Michael Palm widmet sich schließlich in seinem Essayfilm den Cinema Futures.

Glamourös wird es gleich zur Eröffnung am Mittwochabend. Das Festival beginnt mit La La Land, einer mitreißenden Hommage an die großen Hollywood-Musicals mit Ryan Gosling und Emma Stone in den Hauptrollen, die auch am Roten Teppich erwartet werden. Die anschließende Gala und Party allerdings wurden aus Solidarität mit den Opfern des Erdbebens in Italien vergangene Woche abgesagt.

Die Herbstfestivals in Venedig und Toronto gelten traditionell als erste Gradmesser für das Oscarrennen der amerikanischen Studios. In diesem Jahr dürfte die Mostra dem großen Rivalen auf der anderen Seite des großen Teichs den Rang ablaufen. Oscarpreisträgerin Natalie Portman schlüpft in Pablo Larraíns Jackie in die Rolle der Präsidentenwitwe Jacqueline Kennedy, und Denis Villeneuve schickt im Sci-Fi-Thriller Arrival Amy Adams und Jeremy Renner in den Kampf gegen Außerirdische. Adams spielt auch in Nocturnal Animals, der zweiten Regiearbeit des Modedesigners Tom Ford, die weibliche Hauptrolle an der Seite von Jake Gyllenhaal. Und in Derek Cianfrances Literaturverfilmung The Light Between Oceans verlieben sich Michael Fassbender und Alicia Vikander so glaubwürdig ineinander, dass es Gerüchten zufolge auch am Set gefunkt hat. Frankreichs Meisterregisseur François Ozon widmet sich in seinem größtenteils deutschsprachigen Melodram Frantz den Nachwehen des Ersten Weltkriegs in einer deutschen Kleinstadt, gespiegelt in der Annäherung der Verlobten eines gefallenen Soldaten, gespielt von der 21-jährigen Berlinerin Paula Beer, und einem unbekannten Franzosen.

Ergänzt wird der aus 20 Beiträgen bestehende Wettbewerb durch Festivallieblinge wie den Serben Emir Kusturica, den Mexikaner Amat Escalante sowie den Filipino Lav Diaz, der erst im Februar einen Achtstünder auf der Berlinale präsentiert hatte. Sein Schwarzweißdrama The Woman Who Left nimmt sich da fast bescheiden aus. Die Jury unter Vorsitz des Bond-Regisseurs Sam Mendes braucht nur Sitzfleisch für knapp vier Stunden. Nicht zu tangieren scheint das Festival dagegen die in Berlin und Cannes geführte Debatte um die Frauenquote. Ein einziger Wettbewerbsbeitrag stammt von einer Regisseurin. Die 36-jährige Amerikanerin Ana Lily Amirpour kommt mit dem apokalyptischen Kannibalenmärchen The Bad Badge.

Außer Konkurrenz laufen außerdem die Neuverfilmung der Glorreichen Sieben mit Denzel Washington, Chris Pratt und Ethan Hawke sowie Mel Gibsons Weltkriegsdrama Hacksaw Ridge mit Andrew Garfield in der Hauptrolle. Nach dem Skandal um Gibsons wiederholte antisemitische Entgleisungen ist der Film seine erste Regiearbeit seit zehn Jahren. Seine Rückkehr ins Rampenlicht hatte sich bereits in Cannes angekündigt. Damals durfte er die Goldene Palme an Ken Loach überreichen.