ray Filmmagazin » Drama » Gruber geht

Filmkritik

Gruber geht

| Günter Pscheider |
Weitgehend gelungene Bestseller-Verfilmung über einen oberflächlichen Zyniker auf dem Weg der Besserung

Wenn Gewalt oft eine Folge der Angst vor dem Versagen (der Männlichkeit) ist, so resultiert die Angst vor Nähe oft in einem nihilistischen Zynismus, der die Leere einer Existenz ohne Bindungen notdürftig überdeckt. Johannes, genannt John, Gruber ist der typische Fall eines solchen mit viel destruktivem Humor gesegneten Zeitgenossen, der erfolgreich zwischen Werbeagentur, Fitnessstudio, Drogenkonsum und One-Night-Stands ein hedonistisches Traumleben führt. Familientermine auf dem Land sind bestenfalls lästige Pflichtübungen, Schwester und Mutter behandelt er wie nervende Angestellte, die Dialoge mit seinen „Freunden“, die alle auf dem gleichen Trip sind, wirken wie Boxkämpfe, bei denen jeder unbedingt gewinnen will. Grubers rücksichtslose Siegermentalität erhält einen starken Dämpfer, als er mit der Diagnose Krebs konfrontiert wird und sich – in einem ebenso klugen wie unwahrscheinlichen Kunstgriff – gleichzeitig von einer Berliner DJane angezogen fühlt.

Die Geschichte der Läuterung eines oberflächlichen Grantscherms ist Hollywood-Standardrepertoire. Mit Jack Nicholson kann Hauptdarsteller Manuel Rubey nicht ganz mithalten, obwohl er in seiner vielleicht ersten richtigen Charakterrolle eine durchaus reife Leistung zeigt. Bernadette Heerwagen ist mit ihrem rauen Charme perfekt als Gegenpol zu Grubers üblichen Model-Freundinnen gecastet, ihre gegenseitige Anziehung ist zumindest plausibel, wenn auch die für den weiteren Handlungsverlauf extrem wichtigen Kennenlernszenen nicht hundertprozentig funktionieren.

Marie Kreutzer (Die Vaterlosen) setzt ganz auf inszenatorischen Realismus und vermeidet die meisten Klischees und Sentimentalitäten, die beim Thema Sterblichkeit in der Lebensmitte schnell zur Hand sind. Durch die trotz des Themas erstaunlich geringe Fallhöhe identifiziert man sich aber auch nicht übermäßig mit dem (Anti-) Helden, er ist für den Zuschauer mehr ein entfernter Bekannter als ein Freund, um dessen Leben man wirklich zittert. Der Score ist keinesfalls schlecht, schafft es aber auch nicht, das Geschehen auf eine neue emotionale Ebene zu heben. Gar nicht geht, wenn die Lyrics das Geschehen auf der Leinwand beschreiben – so erklingt „Tumble Down“ von Naked Lunch, als Gruber in seiner Wohnung zusammenbricht. Doris Knecht ist eine hervorragende Beobachterin und Beschreiberin menschlicher Schwächen. Marie Kreutzer hat aus dem Roman einen weitgehend gelungenen Film über die absolute Notwendigkeit gemacht, sich mit der Welt, den Menschen und sich selber verbunden zu fühlen.