Flügge werden wörtlich genommen: Coming-of-Age-Horror.
Vater, Mutter, Tochter Tinja und Sohn Tero: Das Lächeln in den Gesichtern ist festgefroren und falsch, die Haare sind zu blond, die Kleidung ist zu rosa respektive zu hellblau, die Rüschen sind schon schlimm, die Tennissocken in den Sandalen gehen gar nicht. Es ist eine Familie des Grauens, die da in der Vorstadt im schmucken Häuschen den Wohlstand lebt. Unablässig dokumentiert von der Mutter, in einem jener aseptischen Videoblogs, die das Internet mit der Propaganda von der Gleichung Konsum ist gleich Glück vollmüllen.
Insofern ist es kein Wunder, dass sich eines Tages ein Rabenvogel ins Wohnzimmer verfliegt und dort ein Scherbengericht niedergehen lässt. Der Mutter ist das Grund genug, dem Viech den Hals umzudrehen, doch der Rabe ist nicht nur in den nordischen Mythen ein bedeutsamer und mächtiger Vogel. Er hinterlässt der zwölfjährigen Tinja ein Ei, das diese – da zum einen mitleidigen Herzens und zum anderen sehr allein – in ihrem Bett ausbrütet. Tatsächlich schlüpft schließlich eine Kreatur heraus, ein grottenhässlich anzusehendes Mischwesen, in dem die geübten Zuschauer freilich sogleich die Verkörperung des Tabuisierten und Beschwiegenen erkennen. Dabei gilt es nun noch zu berücksichtigen, dass Tochter Tinja zur Turnerin gedrillt den verletzungsbedingt seinerzeit gescheiterten Lebenstraum der Mutter erfüllen will beziehungsweise muss und unter dementsprechendem Druck steht. Beste Voraussetzungen also für eine Wiederkehr des Verdrängten, die sich bekanntermaßen zumeist mit zerstörerischer Wucht vollzieht. Und so ist das, was folgt, kein Zuckerschlecken.
Mit Hanna Bergholms Spielfilmdebüt
Hatching feiert das gute alte Creature Feature fröhliche Urständ – und geht dabei kein geringes Risiko ein; steht und fällt ein solches Unterfangen im Allgemeinen mit der Überzeugungskraft der Kreatur und bewegte sich im Speziellen das Budget mit knapp vier Millionen Dollar in überschaubarem Rahmen. Doch nicht nur animatronische Spezialeffekte wie Maskenbild überzeugen mit handwerklich altmodischem Charme, sehenswert ist vor allem Siiri Solalinna, die in der Doppelrolle der braven Tinja und des bösen Zwillings Alli keines der beiden gequälten Wesen an wohlfeile Klischees verrät. Vielmehr flackert in jeder der beiden jene tiefe Angst vor dem Verlassenwerden und dem Ungeliebtsein, die den Übergang von der Kindheit ins Heranwachsen prägt. Mithin ein ganz normaler Vorgang, dessen inhärenter Schrecken hier allerdings endlich einmal nach Außen treten darf.