Der 81. Jahrgang der Internationalen Filmfestspiele von Venedig setzt auf Promi-Präsenz und Blockbuster-Kino.
Er ist wieder da! Tim Burton? Der auch. Aber gemeint ist Beetlejuice, die Figur, der Film, mit dem Burton 1988 der Durchbruch gelang. Damals war der Regisseur gerade einmal Mitte zwanzig und ein visionärer Trickfilmkünstler, der das Kino im Sturm eroberte. Bei den Internationalen Filmfestspielen in Venedig wurde er 2007 mit dem Goldenen Löwen für sein Lebenswerk geehrt.
Mit Beetlejuice Beetlejuice eröffnete am gestrigen Abend die 81. Ausgabe des Festivals. Nun könnte man einwenden, die wenigsten Dinge werden besser, nur weil man ihren Namen wiederholt. In diesem Fall jedoch hat die Dopplung im Titel einen seltsam positiven Effekt auf die Fortsetzung. Das Ergebnis ist einerseits mit dem aktuellen It-Girl Jenna Ortega (bekannt aus Burtons Netflix-Serie Wednesday) zukunftsweisend besetzt. Anderseits zieht der Film seinen Charme aus einem bewussten Retro-Gefühl, das auch die Kenner des Originals über weite Strecken unterhält.
Ortega spielt Astrid, die Teenage-Tochter von Lydia Deetz, die erneut von Winona Ryder dargestellt wird. In Beetlejuice entkam diese gerade noch einer Zwangsheirat mit der von Michael Keaton hingebungsvoll verkörperten Titelfigur. Und auch 36 Jahre später versprüht der Schauspieler als untoter toter Plagegeist noch genug gute Laune auf der Leinwand, dass man ihm gerne dabei zuschaut, wie er im Reich der Toten und der Lebenden für ordentlich Unordnung sorgt. Eine der schönsten Szenen jedoch gehört Monica Belluccis Dolores gleich zu Beginn des Films. In einer wundervollen Choreografie zur Melodie des Bee-Gees-Klassikers „Tragedy“ setzt sie ihren in Einzelteile zerlegten Körper wieder zusammen, der zwischenzeitlich in diversen Kisten verstaut war. Gesicht und Oberkörper, Beine und Finger, alles tackert sie sorgfältig mit Metallklammern fest, bis eine stattliche, grau-blasse Heldin aus ihr wird, die in Burtons liebevoll arrangiertem Horrorszenario ihre ganz eigene Agenda verfolgt.
Damit war der allein Eröffnungsabend schon ordentlich mit Stars und Sternchen bestückt. Und schwergewichtig wird es in den nächsten zehn Tagen auf dem Lido weitergehen. Es scheint fast so, als wollte das Festival nach den diversen Branchen-Streiks im letzten Jahr gleich ganz Hollywood auf den roten Teppich zurückholen.
Nur so viel vorab: Joaquin Phoenix und Lady Gaga dürften in der kommenden Woche die Premiere von Todd Phillips’ Joker: Folie A Deux zu einem besonderen Highlight machen; davor präsentiert sich Angelina Jolie in Pablo Larrains Callas- Biopic Maria als abgedankte Opernsängerin. Außerdem zeigt Pedro Almodóvar seinen ersten englischsprachigen Film The Room Next Door mit Tilda Swinton und Julianne Moore, während Daniel Craig in Luca Guadagninos Queer (nach einem Roman von William-S.-Borroughs) die Hauptrolle spielt. Adrien Brody ist derweil in Brady Corbets The Brutalist in der Rolle eines Holocaust-Überlebenden zu sehen, der nach Amerika auswandert. Und über allen stehen George Clooney und Brad Pitt, die mit ihrem neuen Action-Spass Wolfs außer Konkurrenz laufen, wahrscheinlich aus gutem Grund.
Insgesamt konkurrieren in diesem Jahr 21 internationale Produktionen um den Goldenen Löwen. Der Schweizer Tim Fehlbaum hat es mit seinem neuen Film September 5 um die Berichterstattung über den Terroranschlag während der Olympischen Spiele 1972 leider „nur“ in die Nebenreihe Orizzonti geschafft. Und auch sonst läuft das Festival bei einem derartigen Staraufgebot Gefahr, dass vor allem die Filme im Programm untergehen, die vielleicht viel mehr zu sagen haben als Clooney und Co.
Feine Dokumentationen wie jene über Leni Riefenstahl von dem deutschen Regisseur Andres Veiel, zum Beispiel, die ebenfalls außer Konkurrenz gezeigt wird. Oder Errol Morris‘ Separated, der in seinem Film die „Null-Toleranz“-Politik der Trump-Regierung hinterfragt. Zudem nimmt die brasilianische Regisseurin Petra Costa in Apocalypse in the Tropics den aktuellen Zustand der Politik ihres Heimatlandes unter die Lupe. Der Film, der ursprünglich den katastrophalen Umgang des ehemaligen Präsidenten Jair Bolsonaro mit der Covid-19-Pandemie thematisieren sollte, entwickelte sich im Laufe von Costas Recherche zu einer brisanten Bestandsaufnahme darüber, wie Demokratien in Theokratien verschwimmen und in welchem Zusammenhang die wachsende evangelikale Bewegung in Brasilien zu den jüngsten politischen Unruhen im Land stehen.
Alles in allem sollten es also zehn spannende, filmreiche Tage zu werden – Glanz und Glamour hin oder her. Der Auftakt ist gemacht. Bleibt zu hoffen, dass Hollywood am Ende hält, was es verspricht.