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House of Gucci

Filmstart

House of Gucci

| Jörg Schiffauer |
Ridley Scotts reichlich durchwachsenes Porträt einer schrecklich reichen Familie.

Gleich zu Beginn wird das Objekt der Begierde zentral ins Bild gerückt: Maurizio Gucci (Adam Driver), in den siebziger Jahren Student der Rechtswissenschaften und vor allem zukünftiger Alleinerbe jener Hälfte des weltberühmten Familienunternehmens, die damals noch seinem Vater Rodolfo (Jeremy Irons) gehört. Die Stimme aus dem Off, die die Vorzüge eines Mitglieds der Familie Gucci preist, gehört der von Lady Gaga gespielten Patrizia Reggiani, die auf einer Party die Bekanntschaft Maurizios macht. Als sich die beiden näherkommen und bald darauf – zunächst gegen den Willen von Rodolfo Gucci – heiraten, wähnt sich Patrizia, deren Vater als typischer Angehöriger der Mittelschicht ein kleines Transportunternehmen betreibt, am Ziel ihrer Träume von Reichtum, Macht und vor allem dem Prestige, das mit dem Nehmen Gucci verbunden ist.

Was jedoch bereits an der eingangs erwähnten Vorausdeutung irritiert, ist, dass Patrizia Reggiani in der Originalfassung Englisch mit starkem italienischen Akzent spricht. Dieser Sprachduktus bleibt in der Originalfassung ein determinierendes Element – vor allem die zentralen Charaktere parlieren auf diese etwas merkwürdig anmutende Weise –, was jedoch zunächst primär für Verwirrung sorgt. Denn es bleibt wenig ersichtlich, warum englischsprachige Schauspieler in einer englischsprachigen Produktion sich diese Art von Akzent aneignen müssen. Selbst wenn die Geschichte der Familie Gucci, die Ridley Scott in House of Gucci erzählt, auf realen Ereignissen basiert, bleibt die dabei generierte Welt eine fiktive mit erzählerischen Spielregeln, die es eben möglich machen, dass die Sprache von italienischen Charakteren Englisch ist – ein solcher Prozess der Sprachsubstitution gehört zu akzeptierten narrativen Paradigmen.

Der Grund für den gekünstelten Akzent erschließt sich kaum, zumal die Sache nicht einmal konsequent bleibt: Al Pacino und Jared Leto als Maurizios Onkel Aldo bzw. dessen Cousin Paolo bleiben wie Lady Gaga durchgehend bei dieser Sprechweise,. Jack Huston in der Rolle des italienischen Anwalts der Guccis spricht dagegen weitgehend akzentfreies Englisch. Soweit man dem Trailer vertrauen kann, spart die deutsche Synchronfassung diese sprachbabylonischen Verwirrungen aus und lässt die Figuren ohne Akzent sprechen.

Man kann nur vermuten, dass diese sprachliche Merkwürdigkeit Teil eines Regiekonzepts ist, mit dem Ridley Scott die Geschichte die Ränkespiele der Guccis samt der einen tragischen Verlauf nehmenden Beziehung zwischen Maurizio und Patrizio als groteske Farce in Szene setzten wollte. Dass die maßgeblichen Charaktere überwiegend als eindimensionale Figuren erscheinen, mag als weiterer Verweis in diese Richtung dienen. Paolo Gucci ist dabei der elegische, in der Vergangenheit schwelgende, melancholische Patriarch, Aldo der barocke Sanguiniker und Paolo schlichtweg der Trottel vom Dienst. Besonders Al Pacino und Jared Leto zelebrieren dies mit sichtbarer Lust am Outrieren, in dem sie ihre Rollen geradezu karikaturhaft übersteigert ausgestalten. Und Stefani Joanne Angelina Germanota – so Lady Gagas bürgerlicher Name – hat ja schon als Popstar hinlänglich unter Beweis gestellt, dass sie perfekt eine Kunstfigur zu verkörpern versteht. Sie meistert auch die Vignette der prunksüchtigen, machiavellistischen Soziopathin als die Patrizia Reggiani erscheint, ziemlich souverän. Welche Nuancen dabei möglich gewesen wären, blitzt in jener Szene auf als Patrizia neben dem bereit todkranken Rodolfo Gucci sitzt und sich ungerührt eine Zigarette anzündet, obwohl sich der alte Herr gerade die Seele aus dem Leib hustet.

Doch an einem Drama subtiler Natur hatte Ridley Scott – und das überrascht bei einem Regisseur, der im Verlauf seiner höchst veritablen Karriere kongeniale Zugänge zu unterschiedlichsten Genres und Sujets eröffnen konnte – offensichtlich kein gesteigertes Interesse, seine Inszenierung konzentriert sich darauf, die glänzende Oberfläche, mit der die egozentrische Welt der High Fashion und -Society weitgehend rezipiert wird mit dem Mittel der grotesken Überzeichnung aufs Korn zu nehmen. Dass inmitten all dieser schrillen Töne, die Tragödie, in der die Beziehung von Patrizia und Maurizio Gucci mündete, auch nur mehr wie eine weitere Posse erscheint, ist vermutlich der gravierendste Fehler der wenig gelungenen dramaturgischen Konzeption von House of Gucci.