i tonya

Filmkritik

I, Tonya

| Roman Scheiber |

Margot Robbie amüsiert und wärmt das Herz als „Eishexe“ Tonya Harding.

Es war die saftigste Geschichte im Vorfeld von Olympia 1994: der Hieb mit einem Schlagstock auf das Knie von Eisprinzessin Nancy Kerrigan. Unter Verdacht: Tonya Harding, Kerrigans interne Rivalin, welche als erste US-amerikanische Eiskunstläuferin bei einer WM einen dreifachen Axel gestanden hatte. Das bevorstehende Duell in Lillehammer bekam vom Boulevard Etiketten wie „die Schöne und das Biest“ umgehängt, quotengeile TV-Stationen aus aller Welt ließen rund um die Uhr Hardings Wohnort in Portland belagern und begründeten damit quasi das Subgenre des Nonstop-Live-TV (das ein halbes Jahr später in O. J. Simpsons Flucht einen frühen Tiefpunkt finden sollte, übrigens köstlich „reenacted“ in der Serie American Crime Story: The People v. O. J. Simpson unter dem Titel „The Run of His Life“).

Inspiriert u.a. von der aktuellen Doku The Price of Gold rollen Mentorin, Produzentin und Titelheldin Margot Robbie, Drehbuchautor Steven Rogers und Regisseur Craig Gillespie die Story gänzlich aus der Sicht Tonya Hardings und ihres Umfelds auf und legen sie als akkurate und witzige, an Stellen berührende Mischung aus Coming-of-Age, Wettkampfdrama, Mediensatire und schwarzer Komödie an. Der Titel verweist schon auf die Strategie des Films, die Selbstinszenierung der Beteiligten zur amüsanten Oberfläche tieferer Schürfungen zu machen, im Zuge derer das Lachen im Hals stecken bleiben soll. Ich, Tonya (… gelobe die Wahrheit zu sagen, nichts als die Wahrheit, so wahr mir …), doch Gott hat der mutigen Athletin, die sich später auch als Boxerin, Catcherin oder Eishockeyspielerin versuchte, gewiss nicht geholfen.

Ein immanent logischer Kniff ist, eine die vierte Wand durchbrechende Rahmenhandlung nach Art einer Mockumentary um Hardings Geschichte herum zu modellieren. Doch im Kern geht es um ein kleines Mädchen, das von ihrer gewaltgeneigten Mutter gedrillt wird, um die beiden aus der Armutsfalle zu befreien – und das sich später folgerichtig in die Arme eines gewalttätigen Mannes wirft. Die Rolle von Tonyas Mutter LaVona scheint Allison Janney wie auf den Leib geschrieben, Sebastian Stan als Gatte Jeff Gillooly ist ein Casting-Glücksfall. Margot Robbie wiederum erweist sich hier als begnadete Sportlerin mit glaubhaftem White-Trash-Touch (den dreifachen Axel sprang freilich ein Double). „I was loved for a minute. Then I was hated. Then I was a punch-line“, so Harding.

Via Margot Robbie wird sie nun wieder geliebt, womöglich für mehr als nur eine Minute. I, Tonya findet hinter dem damaligen Skandal zu seiner eigenen Wahrheit und liefert ein selbstgenähtes Stück Americana gleich mit.