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Identities

Identities – Making a Difference

| Oliver Stangl |
Musik, Literatur, Sport, Coming-of-Age: identities gibt sich auch 2015 gewohnt vielfältig.

Life Ball, Song Contest, lesbisch-schwule Ampelanzeigen: Im Mai schien sich eine geballte Ladung an Toleranz über Wien ergossen zu haben. Nachdem sich der Staub dieser Großevents wieder gelegt hat, kann man sich dem Thema im Juni beim identities Queer Film Festival auf subtilere, cineastische Weise widmen. Heuer stehen dabei mehrere Schienen am Programm, die sich dem Wirken eindrucksvoller Persönlichkeiten und ihrem Verhältnis zur Gesellschaft verschrieben haben. So ist ein Schwerpunkt einigen Frauen des Wortes gewidmet: Pratibha Parmars Dokumentarfilm Alice Walker: Truth in Beauty etwa porträtiert das Leben der titelgebenden afro-amerikanischen Schriftstellerin, Bürgerrechtsaktivistin und Pulitzer-Preisträgerin, der mit dem Roman „The Color Purple“ ein Weltbestseller gelang. Parmar vereint Interviews von Weggefährtinnen und Lebenspartnern und entwirft so ein vielstimmiges Bild sowohl des Menschen als auch der Künstlerin Alice Walker, die trotz zahlreicher Anfeindungen stets kompromisslos ihren Weg ging. Ein ebenso persönlicher wie historisch interessanter „talking heads“-Film, in dem auch die Autorin selbst ausreichend Gelegenheit bekommt, über ihre Erfahrungen mit Rassismus sowie ihr bis heute andauerendes politisches Engagement, darunter in Gaza, zu sprechen. Weitere Filme mit literarischem Schwerpunkt sind Regarding Susan Sontag von Nancy D. Kates, der sich dokumentarisch mit dem Leben der legendären US-Schriftstellerin und Intellektuellen auseinandersetzt und Véronique Aubouys Je suis Annemarie Schwarzenbach, eine zwischen Doku und Fiktion angesiedelte Annäherung an die antifaschistische, lesbische Autorin. Gleich zwei Filme sind schließlich einer Pionierin feministischer Literatur gewidmet: Der Spielfilm Violette von Martin Provost sowie der Dokumentarfilm Violette Leduc, la chasse à l’amour von Esther Hoffenberg.

Neben der Literatur kommt auch die Musik beim Festival nicht zu kurz, wofür etwa der Dokumentarfilm Kumbia Queers: More louder bitte! sorgt: Das Regieduo Natalia Sanhueza und Almut Wetzstein begleitete dafür sechs lesbische, lateinamerikanische Musikerinnen, die mit einem Mix aus Rock, Pop, Punk, Cambia und politischen Songtexten für Furore sorgen, auf Deutschlandtour.

Auch ältere, zu Unrecht in Vergessenheit geratene Filme kann man wiederentdecken: So etwa Personal Best (1982), eine der raren Regiearbeiten des legendären US-Drehbuchautors Robert Towne (Chinatown). Towne erzählt hier auf einfühlsame Weise und mit gewohnt lebensechtem Dialog von der Affäre zweier Leichtathletinnen (Mariel Hemingway, Patrice Donnelly), die sich für die Olympischen Spiele qualifizieren wollen und schuf so einen der ungewöhnlichsten, wahrhaftigsten Sportfilme der achtziger Jahre. Unter den Spielfilmen jüngeren Datums, die bei identities gezeigt werden, ragt Atlántida von Inés María Barrionuevo heraus. Eine ungemein atmosphärische Arbeit, die die Erlebnisse mehrerer Jugendlicher an einem heißen Tag in der argentinischen Provinz schildert. Barrionuevo richtet den Fokus dabei auf zwei Schwestern, die getrennt voneinander erotische, aber auch existenzielle Erfahrungen machen. Ein schöner Film, der in semi-dokumentarischen Bildern vom Verlangen nach neuen Erfahrungen erzählt.

Unter den Animationsfilmen seien besonders Bradley Manning Had Secrets von Adam Butcher– eine Arbeit im Pixel-Style, die von der Identitäts- und Gewissenskrise der Whistleblowerin Chelsea Manning erzählt – und Adelshingst – eine böse Satire von Linus Hartin und Sofia Priftis, die einen blasierten Adeligen ohne sein Wissen zum Samenspender für queere Paare macht – hervorgehoben.

Andere Themenreihen sind der Tänzerin, Choreografin und Filmemacherin Yvonne Rainer, dem Themenfeld Black Queer Identities und queeren Filmen aus der Schweiz gewidmet. Ein weiterer Fokus liegt schließlich auf auf den Themen „Jugend & Coming of Age“. Gelebte Vielfalt, könnte man da sagen.