Catherine Corsinis Drama macht gesellschaftliche Bruchlinien sichtbar.
Eine Pariser Notaufnahme vor dem Kollaps. Das spärliche Personal, darunter eine gewissenhafte Migrantin, die eigentlich zu Hause angesichts ihres kranken Kinds gebraucht würde, weiß nicht, welchem Patienten es sich zuerst widmen soll. Alles arbeitet bis zum Anschlag. Menschen mit Schmerzen liegen auf der Station, aber auch eine alte verwirrte Frau und ein Mann mit einer Psychose, für die auf der Psychiatrie kein Platz mehr war. Dieser ganz „normale“ Wahnsinn wird nach einer eskalierten Gelbwesten-Demo mit kriegsähnlichen Schlachten auf den Straßen noch übersteigert. Der an einem Bein schwer verletzte Lastwagenfahrer Yann ist einer unter Hunderten Schwerverletzter, die in der Klinik Zuflucht suchen. Die selbstmitleidige, überkandidelte Cartoonistin Raphaela, die ihn zu wüsten Wortgefechten herausfordert, hat sich dagegen nur bei einem Sturz nach dem Streit mit der Freundin den Arm gebrochen.
Wie unter einem Brennglas zeigt Catherine Corsini die gespaltene Gesellschaft an dem prägnantesten Ort, an dem sich ihr maroder Zustand nicht wegdiskutieren lässt, überarbeitete, unterbezahlte Pflegerinnen ihren Berufungen kaum mehr gerecht werden können angesichts der desolaten Auswirkungen einer menschenunfreundlichen Politik. Er habe gehofft, Macron würde mit den Protestierenden reden, sagt Yann. Was, fragt man sich angesichts des auf Leben und Tod zugespitzten Kampfes, muss noch geschehen, damit Menschen wieder einander zuhören? Damit tun sich freilich auch die bildungsbürgerliche Künstlerin und der einfache Angestellte schwer, die sich zur gleichen Zeit zusehends lauter anschreien, bis sich unverhofft Gemeinsamkeiten auftun.
Ein politisches Pamphlet ist La fracture nicht, es geht weniger um die Gelbwesten, deren Bewegung nicht näher beleuchtet wird, als das ausbeuterische System an sich, dies vor allem am Beispiel des Fahrers, der auf eine Operation nicht lange warten kann, weil er damit den Verlust seines Jobs riskieren würde. Mag sein, dass es die krisenreiche Beziehungsgeschichte zwischen der nervtötenden, wie aufgezogen plappernden Valeria Bruni Tedeschi und ihrer taffen Verlegerfreundin angesichts des ohnehin schon großen Konfliktstoffs nicht gebraucht hätte. Allerdings spiegelt sich das kleine Drama der intimen Feindseligkeiten im Großen des globalen Weltgeschehens. Und vielleicht wäre der Film mit seiner subtilen couragierten Kritik am französischen Präsidenten Emmanuel Macron in seiner ganzen Atem- und Ruhelosigkeit zu erdenschwer geworden, würden ihn nicht die teils auch lustigen Zankereien des exzentrischen Frauenpaars von Zeit zu Zeit etwas auflockern.