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Inherent Vice

Inherent Vice: Ein Gespräch mit Owen Wilson

| Andreas Ungerböck |
Ein Gipfeltreffen: Paul Thomas Anderson verfilmte Thomas Pynchons Roman “Inherent Vice” mit gewohnt großartiger Besetzung.

Interview – Brit Andres

Übersetzung – Andreas Ungerböck

 

Owen Wilson, geboren 1968 in Dallas, Texas, gehört zu den wohl beliebtesten Schauspielern Hollywoods. Seit seinem Debüt in Bottle Rocket (1996), das gleichzeitig die fulminante Regiekarriere seines Philosophie-Studienkollegen Wes Anderson einleitete, dem Wilson bis heute die Treue gehalten hat, entwickelte sich der blonde Schauspieler mit dem markant attraktiven Gesicht zu einem herausragenden Komödianten (Shanghai Noon, Zoolander, The Wedding Crashers, Midnight in Paris), der aber auch die eine oder andere ernstere Rolle nicht verschmäht. In Inherent Vice spielt er Coy Harlingen, den durchgeknallten Saxofonisten einer Surf-Rockband.

 

“Inherent Vice” ist eine Story, die sehr viel mit Los Angeles zu tun hat. Wo in L.A. leben Sie?

In Malibu. (lacht)

Wie hat der Film Ihre Erfahrungen mit der Stadt geprägt? Reflektiert er Ihre eigenen Erfahrungen mit Los Angeles? Gibt es einen Ort, den Sie besonders mögen oder an den Sie sich gerne erinnern? Und haben Sie so etwas wie Lieblings-L.A.-Filme?

Nun, Chinatown ist großartig und schwer zu übertreffen.Und Blade Runner, der steht für mich auch ganz oben. Wenn man in Downtown L.A. ist und sich die Gebäude anschaut, dann sehen manche von ihnen aus, als stammten sie aus Blade Runner. Shampoo ist auch ein wichtiger Film. Und natürlich Inherent Vice, dieser Film ist sooo Kalifornien.

Was macht denn Paul Thomas Anderson zu einem solch guten Regisseur? Was ist das Besondere an ihm?

Zu allererst sind es die Filme, die er gemacht hat, die machen ihn zu etwas Besonderem. Er hat diese Filme gemacht, die jeder großartig findet. Und es gibt nicht viele Regisseure, die eine so starke Vision haben wie er.

Während Sie mit ihm arbeiteten, hatten Sie da das Gefühl, dass er eine andere Art hat, an Dinge heranzugehen als andere Leute, mit denen Sie schon gearbeitet haben?

Ja, es war sicher eine andere Art zu arbeiten als üblich. Was mich überrascht hat, war, wie locker es da zuging. Ich wüsste gerne, ob er einfach so ist oder ob es nur dieses eine Mal war, dass er beschloss, das so hingerotzt zu machen, quasi wie bekifft, also ob er das so unorganisiert und zwanglos haben wollte, oder ob er das immer so macht. Ich würde meinen, es war nur dieses Mal so. Es war alles so locker, und ich kann mir nicht vorstellen, dass er bei Boogie Nights oder Hard Eight so gearbeitet hat. Ich würde das wirklich gerne wissen.

Wenn man die Gelegenheit bekommt, mit Anderson zu arbeiten, wie wichtig sind da noch das Drehbuch und die Figur?

Wahrscheinlich spielt das dann nicht so eine große Rolle. Man ist schon ziemlich geschmeichelt, dass er daran denkt, einen da mitzunehmen und dass man einen Film machen wird, der gut wird und den die Leute mögen. Es scheint so, als hätte man,wenn man einen Film mit so jemandem macht, eine reelle Chance, dass es ein wirklich guter Film wird. Und darum, glaube ich, sind Schauspieler so scharf darauf, mit ihm zu arbeiten.

Er hat Sie also angesprochen, ob Sie die Rolle übernehmen wollen?

Ja. Ich bekam eine nette Nachricht von ihm, dass er an der Story arbeite, und dann, glaube ich, schickte er gleich das Drehbuch. Und, ja, noch eine nette Nachricht.

Wie wählen Sie Ihre Rollen aus? Sie arbeiten ja öfter mit Regisseuren, die eher intellektuell und “arty” sind, ganz besonders mit Wes Anderson.

Ja. Aber egal, mit wem arbeitet, ist es letztlich doch so, das man, wenn man eine Szene dreht, versucht, es echt oder interessant oder lustig oder lebendig werden zu lassen. Ich glaube, was mit Schauspielern oft passiert, ist, dass den Regisseur als eine Art Patriarch ansehen, oder auch wenn es eine Regisseurin ist, dann kann man gar nicht anders, als zu schauen, was sie denken, wenn sie einen Take für beendet erklären. Man ist da ein bisschen wie ein Kind, das fragt: “Wie war das? Habe ich es gut gemacht?”

Fühlen Sie sich glücklich, dass Sie beim Publikum so gut ankommen, sowohl in Komödien als auch in intellktuellen Filmen?

Ja, das hat sich so ergeben. Man kann ja die Reaktionen der Leute nicht kontrollieren. Ich schätze, da ist auch viel Glück dabei.

Haben Sie jemals die Bücher von Thomas Pynchon gelesen?

Nein, kein einziges.

Wie haben Sie reagiert, als Sie das Drehbuch bekamen?

Es war sehr dicht, und das sind wohl auch Pynchons Bücher. Er ist sehr bekannt und populär, aber ich glaube, dass nicht allzu viele Leute seine Bücher gelesen haben. Paul schon, und er liebt sie. Darum sitzen wir jetzt hier. Ich hatte jedenfalls nicht das Gefühl, dass das eine Komödie ist, und ich habe das Drehbuch nicht so gelesen. Als ich den fertigen Film sah, war ich ich sehr bewegt, von den Bildern und von allem möglichen. Manche Szenen zwischen Joaquin Phoenix und Katherine Waterston mit dem Neil-Young-Song dazu sind unglaublich schön. Ichj dachte: Das ist genau das, was ich liebe.

Sowohl der Regisseur als auch der Autor und die Geschichte haben einen sehr speziellen Stil. Schränkt Sie das als Schauspieler ein, oder ist es befreiend?

Absolut nichts auf dem Set vermittelte einem das Gefühl, eingeschränkt zu sein. Im Gegenteil: Ich wusste, ich würde eine Million Chancen bekommen, etwas zu machen und so viele Takes wie nötig, und man konnte immer etwas anderes ausprobieren, wenn man eine entsprechende Idee hatte.

Sie arbeiten jetzt schon sehr lang als Schauspieler. Gibt es da Momente, wo Sie so etwas wie Langeweile verspüren?

Ich glaube, ich habe bei fast allen Filmen, an denen ich mitgearbeitet habe, großes Glück hatte. Normalerweise habe ich dabei eine ziemlich gute Zeit und ein gutes Gefühl. Ich kann mich nur an ganz wenige Gelegenheiten erinnern, bei denen ich dachte: “Das macht mir jetzt aber gar keinen Spaß”, weil ich das Gefühl hatte, das würde nicht richtig laufen. Aber selbst dann kann es passieren, dass man denkt: “Es läuft zwar nicht so richtig, aber vielleicht wird doch etwas ziemlich Gutes daraus.” Es wäre auch zu deprimierend, jeden Tag zur Arbeit zu gehen und zu denken, dass man etwas Lausiges macht. Also denkt man schon mal, es könne immer noch etwas Gutes daraus entstehen. Und es gibt nur ganz wenige Dinge, bei denen ich mir nicht einmal das einreden konnte.

Dass Sie ein Mann Mitte der Vierzig sind, macht Ihnen das zu schaffen? Für manche Schauspieler ist das ja ein großes Thema.

Für mich nicht. Das kümmert mich gar nicht. Das Alter ist nur eine Zahl.

Was wollten Sie werden, als Sie ein Kind waren?

Nun, ich dachte jedenfalls nicht daran, Filme machen zu können. Ich sah Filme und liebte Filme, aber der Wunsch, Schauspieler zu werden und in Hollywood zu arbeiten, hätte lächerlich geklungen.Die Leute hätten mich ausgelacht. Es hätte so lächerlich geklungen, dass ich mich wahrscheinlich dafür entschieden hätte, das zu tun, was mein Vater tat, in die Werbung zu gehen oder ähnliches, oder vielleicht etwas zu schreiben. Ich wuchs in Dallas auf, also erschien es fast unmöglich, an so etwas wie Schauspielerei zu denken.

Sie bringen sehr viele Leute zum Lachen. Was machen Sie denn gerne in Ihrer Freizeit?

Danke. Ich bin gerne am Meer und surfe, und ich liebe Wettbewerbe, Tischtennis oder Tennis, oder “Hey, lass uns mal sehen, wer einen Stein werfen und diesen Baum dort treffen kann.” Vielleicht kommt das daher, dass ich mit zwei Brüdern aufgewachsen bin. Ich liebe Backgammon und Domino, eigentlich alle Arten von Spielen. Und ich freue mich schon darauf, wenn meine Söhne, der eine ist jetzt vier, der andere knapp ein Jahr alt, so weit sind, dass man mit ihnen so etwas spielen kann. Diese Fragen sind für mich immer so wie die Centerfold-Fragen im “Playboy”: “Was turnt sie an?” Ich mag das Meer, Sonnenuntergänge und Dinners bei Kerzenschein.

Sind Sie manchmal noch nervös, wenn Sie anfangen, an einem Film zu arbeiten?

Ja, bin ich! Jedes Mal, wenn man anfängt, gibt es diesen ersten Tag, an dem man ein bisschen nervös ist. Man sollte meinen, dass das verschwindet, wenn man so viele Filme gemacht hat. Am dritten Tag ist es ja auch weg, aber am ersten fühlt man sich schon ein bisschen gehemmt.

 

© 2014 Brit Andres / The Interview People