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Introduction / Inteurodeoksyeon

Filmkritik

Introduction

| Günter Pscheider |
Neue Miniaturen vom koreanischen Meister der Melancholie

Der Koreaner Hong Sang-Soo ist wohl einer der produktivsten Regisseure des Weltkinos. Wie Fassbinder produziert er mit einem kleinen Team und wenig Budget bis zu drei Filme im Jahr, dabei scheint er nicht auszubrennen, obwohl zumindest in seinen Filmen der Alkohol meist eine tragende zungenlösende Rolle spielt. Introduction macht da keine Ausnahme, auch wenn das Soju-Besäufnis diesmal erst gegen Ende die wahre Natur der Menschen offenbart.

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Der Geschichte gilt wie meist nicht das wirkliche Interesse des Autors und Regisseurs, der hier auch für Schnitt und die Kamera zuständig ist: Wir beobachten einen jungen Mann bei seinen Versuchen, etwas Zeit mit seinem Vater, einem vielbeschäftigten Arzt, zu verbringen. Dabei flirtet die mütterliche Sprechstundenhilfe, die ihn schon seit seiner Kindheit kennt, ungeniert mit ihm. Seine eigene Freundin beschließt, in Berlin Design zu studieren und wird von ihrer Zimmergenossin, einer verwestlichten südkoreanischen Künstlerin ein wenig unter die Fittiche genommen. Als er unangekündigt in Berlin auftaucht und holprig seine Sehnsucht nach ihr ausdrückt, reagiert sie trotz aller Freude etwas distanziert. In der letzten Vignette erfahren wir, wie diese Beziehung sich weiterentwickelt hat und den unkonventionellen Grund, warum der jetzt etwas ältere Protagonist seine gerade erst beginnende Schauspielerkarriere wieder aufgegeben hat.

Was Hong aber viel mehr beschäftigt als stringente Handlungen mit Anfang, Mitte und Ende sind die mannigfaltigen Arten, wie Menschen (nicht) miteinander kommunizieren. Seine Beobachtungsgabe ist enorm, deshalb sind die Dialoge, die immer zwischen Nichtigkeiten und Bedeutung oszillieren, so realistisch. Gefühle auszudrücken, fällt nicht nur den Männern schwer, zwischen den Zeilen offenbaren sich aber sehr präzise alle Sehnsüchte von heutigen Menschen zwischen dem Wunsch nach Anerkennung oder Liebe. Dass diese Sehnsüchte sich nur in oft sehr kurzen trunkenen Momenten erfüllen lassen, von denen oft noch Jahre lang gezehrt werden kann, macht die ganz spezielle existenzialistische Melancholie des Hong Sang-Soo aus.

Introduction reiht sich mit den ausgezeichneten Schauspielern, den neutralen Locations (Berlin ist völlig unkenntlich und könnte genau so gut Dublin sein) und dem leisen Humor, aber auch einigen zu gekünstelten und aufgeblasenen Szenen nahtlos in den langen Film seines Lebens ein.