Helmut Qualtinger als Bond-Bösewicht? Hitchock und Tarantino als Regisseure? Brigitte Bardot und Faye Dunaway als Bond-Girls? Leider nein. Ein Überblick über alles, was im Rahmen der erfolgreichen Filmserie nicht passierte.
Ian Fleming blickte starr auf das kristallklare Karibische Meer vor dem Privatstrand seiner Villa Golden Eye in Jamaica. Seine Romane, angesiedelt zwischen Chandler und Conan Doyle, über die Abenteuer des Geheimagenten James Bond waren Millionenseller. Dennoch zeigte keines der großen Filmstudios Interesse, sie zu verfilmen. Der englische Produzent Alexander Korda hatte schon 1954 die Option auf Filmadaption des Romans „Live and Let Die“ ungenutzt verstreichen lassen. Fleming fühlte sich in Kriegszeiten zurückversetzt, als er de facto als Schreibtisch-Attentäter die Eliteeinheiten der British Royal Navy, Schachfiguren gleich, hinter die feindlichen Linien schicken und dann den Ausgang Ihrer Sabotageakte mit einer Mischung aus Furcht und Hoffnung erwarten musste. Ein Zug aus seinem Elfenbein- Zigarettenspitz ließ ihn einen Entschluss fassen. Er würde sich die Hilfe eines professionellen Drehbuchautors holen. Dann wäre es nur eine Frage der Zeit, bis Bond auch auf der Leinwand Gangster, Drinks und Ladies killen würde.
Seine unmittelbaren Nachbarn in der Britischen Kronkolonie waren Errol Flynn, der Hollywood Haudegen, und Noel Coward, der bekannte Theaterautor. Sie und einige reale Agenten hatten Pate für einzelne Charakterzüge Bonds gestanden. Flynn hätte eventuell sogar die Hauptrolle spielen können, wäre er nicht kurz zuvor mit 50 Jahren im Beisein seiner 17-jährigen Verlobten einem Herzanfall erlegen. Der Retter der westlichen Welt sollte, wenn es nach seinem Erfinder ging, einen britischen Pass haben. David Niven, Cary Grant und Trevor Howard waren die erste Wahl. Die arrivierten Stars waren jedoch zurückhaltend, einen Vertag über mehr als einen Film am Stück zu unterzeichnen. Richard Burton, James Mason und Peter Finch wurden ebenfalls für die Rolle des 007 in Betracht gezogen. Außerdem befand sich damals schon ein junger Roger Moore, der aus der TV- Serie The Saint bekannt war, auf der langen Shortlist. Die schlechtesten Karten hatte Patrick McGoohan, gebürtiger US- Amerikaner war. Der Aussie Rod Taylor hatte Außenseiterchancen, sagte aber von sich aus ab. Später kommentierte er seinen Misere-Schachzug so: „Cubby Broccoli wanted me to screen test for James Bond when he was preparing Dr. No in 1961. I refused because I thought it was beneath me. I didn’t think Bond would be successful in the movies. That was one of the greatest mistakes of my career! Every time a new Bond picture became a smash hit, I tore out my hair. Cubby and I have laughed about it ever since.”
Als schließlich Sean Connery als Hauptdarsteller unter Vertrag genommen wurde, musste er erst einmal die Vorbehalte seines schottischen Landsmannes entkräften. Ian Fleming stieß sich weniger an Connerys Werdegang als Sargpolierer, Milchmann und Bodybuilder, als vielmehr an dessen Namen, der sich ausgesprochen wie „Seen Canary“ anhörte, zu Deutsch: „Kanarienvogel gesichtet“. Fleming befürchtete, dies würde das englischsprachige Kinopublikum eher zu Lachstürmen als zu Ehrfurchtserbietungen hinreißen. Zu Unrecht, wie sich herausstellen sollte.
Hitchcock alias Dr. No No!
Einmal hatte man ja schon probiert, James Bond in den USA zu einem Haushalts- Namen zu machen. Jedoch fand der Pilotfilm Casino Royal des Fernsehsender CBS trotz ansprechender Besetzung mit Linda Christian, der Ehefrau Tyrone Powers, als erste Mistress Bond und Peter Lorre in der Rolle des fieberhaft-fickrigen Gegenspielers Le Chiffre wenig Anklang. Kaum verwunderlich, zumal der Hauptdarsteller als „Jimmy Bond“ in Erscheinung trat und ganze 30 Minuten Zeit hatte, seine Übermännlichkeit unter Beweis zu stellen. Flemings Vorstellung eines kinoformattauglichen Meisterspions sah freilich anders aus. Zusammen mit den Drehbuchschreibern Kevin McClory und Len Deighton begab sich der Autor auf den Bahamas in Klausur, um ein Thunderball betiteltes Script für Bond Nr.1 zu verfassen. Tatsächlich nahm die Umsetzung der Idee einer gestohlenen Atombombe im Zeitalter nuklearer Bedrohung rasch Form an. Vorbild für den erstbesten Bond aller Zeiten war der Alfred Hitchcock Spionage-Thriller North by Northwest, der mit dem Beinahe- Bond Cary Grant besetzt war. Was lang also näher als den Altmeister persönlich zu kontaktieren, um ihn „Thunderball“ filmisch umsetzen zu lassen? Über seinen Topkapi-Schriftstellerfreund Eric Ambler ließ Fleming Hitchcock ein Telegramm zukommen:
HAVE WRITTEN BOND MOVIE TREATMENT -STOP- FEATURING MAFIA STOLEN ATOMIC BOMBER -STOP-BLACKMAIL OF ENGLAND-STOP-CULMINATING NASSAU WITH EXTENSIVE UNDERWATER DRAMATICS -STOP-WOULD HITCHCOCK BE INTERESTED IN DIRECTING THIS FIRST BOND FILM IN ASSOCIATION WITH XANADU -STOP- PLENTIFUL FINANCE -STOP- PURELY OLD BOY ENQUIRY WITHOUT INVOLVEMENT –STOP- THINK WE MIGHT ALL HAVE A WINNER –STOP- REGARDEST IAN FLEMING
Da Hitchcock es vorzog, Psycho zu inszenieren, schrieb Fleming das Drehbuch zu seinem neuesten Bond-Roman um. Da er aber seine Mitautoren nicht namentlich genannt hatte, zog dies einen Rechtsstreit nach sich. Das Produzenten-Duo Broccoli/Saltzman entschied kurzfristig, den Bond-Roman „Dr. No“ zu verfilmen. Ian Flemings Golfpartner Christopher Lee war für den Part des Bösewichts ohne die gewohnten, spitzen Eckzähne, aber mit Metallklauen vorgesehen. Daraus wurde nichts. Lee durfte erst 1973 als Mann mit dem goldenen Colt versuchen, Bond in den permanenten Ruhestand zu versetzen. Anita Ekberg sollte wie zuvor in Dolce Vita (Trevi-Brunnen!) in einer „Bikini-Szene“ dem Meer entsteigen. Dieser Part ging aber an die noch unbekannte Schweizer Schönheit Ursula Andress. Sie definierte das „Rollenfach“ Bond-Girl nachhaltig.
Für eine Musiksequenz zu Beginn des Films sprach ein lokaler Sänger namens Bob Marley vor. Sein Rastafari-Look wurde er aber als unpassend abgelehnt. Auch von Johnny Cash, Amy Winehouse, Shirley Bassey, Blondie, Alice Cooper, Pulp, Pet Shop Boys, Diane Warwick und Ace of Base existiert übrigens unvollendetes oder nicht verwendetes Song-Material. Beach Boy M Brian Wilson schrieb eine Hommage mit Titel „Run James Run“. Der Akustik Track wurde später aber unter dem Titel Pet Sounds veröffentlicht und schrieb Musik- statt Filmgeschichte. James Bond 007 jagt Dr. No wurde ein Kassenschlager. Die erfolgreichste Filmserie nahm ihren Lauf.
Ein Ösi als Böser
Mit Peter Lorre in TV-Bond, Klaus Maria Brandauer als Gegenspieler von Sean Connerys Comeback Bond und demnächst Christoph Waltz in SPECTRE, hat Österreich einen überdurchschnittlich hohen Anteil an wahnsinnigen Weltbeherrschern innerhalb der Agenten- Serie. Auch Helmut Qualtinger wurde für die Rolle des Gegenspielers ins Fadenkreuz genommen. In seinen Erinnerungen liest sich das so: „Ich sollte Ernst Stavro Blofeld spielen, James Bond gefährlichsten Feind. Produzent Harry Saltzmans hat die Nonchalance eines reisenden Monarchen. Der äußeren Erscheinung nach könnte er selbst Bonds Gegenspieler darstellen. Das Manuskript wird mir wie der Nobelpreis überreicht. Blofeld ist kahl, dirigiert Raketen im Weltall umher und gibt den Auftrag, James Bond zu töten. Als Kurzbeschreibung dient der Satz: „In seinen Augen ist alles Böse dieser Welt…“ Saltzman ist unzufrieden. „Sie haben einen Bart. Wie alt sind Sie? Sind Sie so groß (=klein) wie ich?“ Er hat sich das Böse dieser Welt anders vorgestellt. „Studieren Sie das Drehbuch. Wir unterhalten uns morgen im Studio. Nehmen Sie den Part nicht zu ernst, aber wehe, Sie machen sich darüber lustig.“ Danach sollte ich die teuerste Filmdekoration bis dato sehen. Sean Connery schüttelt mir resignierend die Hand, lässt ein paar Sätze fallen und geht hinter die Kulisse ab. Es wird sein vorerst letzter 007-Film. Sean wird von einer Deutschen belagert, die bisher in Karl-May- und Edgar-Wallace-Filmen mitspielte. Sie gibt eine sadistische Agentin. Harry mischt sich unter die Anwesenden wie Harun Al- Raschid. „Wann geht ihr Flugzeug? Wir müssen uns bald wieder unterhalten. Halt, das Drehbuch!“ Wie ein ertappter Museumsdieb retourniere ich das Heiligtum.“
Der Part ging letztendlich an den aus The Great Escape bekannten Donald Pleasence, den man mit einer langen Narbe „alles Böse dieser Welt“ ins Gesicht schrieb. Er war übrigens um nichts größer als Qualtinger.
Gesucht: Geheimagent
Im selben Jahr, als You Only Live Twice gedreht werden sollte, gab es erstmals Konkurrenz aus den eigenen Reihen. Ein Gegen-Bond wurde aufgestellt. Produzent Charles K. Feldman hatte die Rechte am einzigen Bond-Stoff, der nicht im Besitz der Produktionsfirma EON war, ergattert. Casino Royal wurde vom „Shakespeare unter den Drehbuchschreiber Hollywoods“, dem 19 Mal nominierten und zweimal mit dem Oscar ausgezeichneten Ben Hecht, für die Leinwand adaptiert. Sean Connery, der mit seinem Salär mehr als unzufrieden war, wurden eine Million Pfund dafür angeboten, die Seiten zu wechseln. Geistig hatte er schon gekündigt, weil er lieber den dramaturgisch wesentlich interessanteren On Her Majesty`s Secret Service gedreht hätte, wie es eigentlich geplant war. Das Offert versetzte das Produzententeam Broccoli /Saltzman in helle Aufruhr. Wäre Connery wirklich übergelaufen, hätten sie Roger Moore wahrscheinlich schon damals zum 007 befördert.
Kurzfristig sah es sogar so aus, als könnten die beiden Konkurrenten sogar gemeinsame Sache machen. Als man sich aber auf keine Gewinnteilung einigen konnte, beschloss Feldman, aus Casino Royal eine Bond-Parodie zu machen. Unter anderem werkten Billy Wilder und Woody Allen an dem Film mit. Mit Orson Welles, der oft mit der Original-Bond- Serie in Verbindung gebracht wurde, verfügte er aber über einen Bösewicht ersten Kalibers. Auf Ben Hechts spannende und unterhaltsame Vorlage sollte erst beim Reboot der Bond-Serie mit Daniel Craig wieder zurückgegriffen werden.
Connery quittierte erwartungsgemäß nach You Only Live Twice den Geheim-Dienst und drehte mit dem Leider-Nein-Bond-Regisseur Hitchcock. Ein neues Gesicht für 007 wurde gesucht. Dick Van Dyke, der in Ian Flemings Tschitti Tschitti Bang Bang vor der Kamera gestanden hatte, war ein Anwärter. Hildegard Knefs Ehemann, David Cameron, wurde zum Casting eingeladen. Enfant terrible Oliver Reed lag bei einer Zeitungs- Umfrage in der Lesergunst auf Platz 1. Michael Caine wurde gefragt, wollte aber nach drei knallharten Harry-Palmer-Filmen das Genre wechseln. Roger Moore stand mittlerweile mit Tony Curtis für The Persuaders vor der Kamera und war unabkömmlich.
So gelang es George Lazenby, einem australischen Fotomodell ohne schauspielerische Erfahrung, mit Charme und Chuzpe für den Geheimdienst Ihrer Majestät engagiert zu werden. Als er nach einem Film schon wieder ausschied, war Connery, nunmehr mit Toupet, bereit für viel mehr Geld zurückzukommen. Man wollte aus Diamonds Are Forever einen Goldfinger 2.0 machen und überlegte sogar, Gert Fröbe als Goldfingers Zwillingsbruder zurückzubringen.
Die 00Siebziger
Nach dem mäßigen Einspielergebnis des mäßigen Diamonds Are Forever war es an der Zeit, Bond neu zu erfinden. United Artists plädierte für den ersten Amerikaner als Bond. Stars wie Steve McQueen, Robert Redford, Clint Eastwood und Paul Newman wurden ins Spiel gebracht. Schlußendlich aber durfte der ehemaligen Simon-Templar– Darsteller Roger Moore mit dandyhaften Auftreten und als gelungene Mischung aus Techno-Witzbold und Gentleman-Killer James Bond seinen Stempel aufdrücken. Live and Let Die, der schon für 1967 angekündigt worden war, traf mit Bonds Auseinandersetzung mit Schwarzer Magie ganz den Nerv der Zeit. Doch schon bei Moores zweiten Antreten als 007 in The Man with the Golden Gun, mit dem man auf die Kung-Fu-Welle aufritt, wurde Kritik an zu viel Klamauk laut.
Mittlerweile hatten Trittbrett- Spione wie James Coburn als Unser Mann Flint oder Dean Martin mit der Matt Helm-Serie die Erfolgsformel „Alpha Male + exotische Schauplätze + schöne Mädchen + böse Buben“ erfolgreich kopiert und setzten dem Original schwer zu.
Mit dem fulminanten The Spy Who Loved Me, dem ersten Film, der mit dem Fleming-Roman nur den Titel gemein hatte, trat Bond wieder aus dem Schatten der Nachahmer. James Bond war jetzt Roger Moore. Der Star-Wars– Hype war verantwortlich dafür, dass 1979 dem angekündigten For Your Eyes Only der im Weltraum angesiedelte Moonraker vorgezogen wurde. Der hünenhafte Kontrahent Beißer aus dem Vorgänger-Film war als Publikumsliebling dem Tod von der Schaufel gesprungen. Die Szene seines Ablebens wurde gestrichen und er durfte sein „stahlendes“ Lächeln ein zweites Mal zeigen. Bei den Dreharbeiten in Rio de Janeiro hätte auch der dort ansässige legendäre Posträuber Ronald Biggs als Bonds Chauffeur einen Gastauftritt haben sollen. Aus Anstandsgründen wurde aber darauf verzichtet. Trotz des finanziell überaus erfolgreichen Ausflugs ins All wurde bei jedem der kommenden Bond-Filme über eine Wachablöse Roger Moores spekuliert. Man setzte aber eins ums andere Mal weiter auf bewährt Heiteres, zumal sich am Horizont Gewitterwolken formierten: Thunderball-Ko-Autor Kevin McClory kündigte an, aus seinen Rechten am Script einen eigenständigen Bond Film zu machen.
Sag niemals nie, Connery
1983 war es dann soweit. McClory hatte es geschafft, Sean Connery in Never Say Never Again zu einem selbstironischen Comeback als alternder Agent mit Rückenleiden zu überreden. Die Ausstattung war top, und auch die Besetzung mit Kim Basinger, Max von Sydow, Barbara Carrera und Klaus Maria Brandauer, der durch Out of Africa auf sich aufmerksam gemacht hatte, konnte sich sehen lassen. James Brolin, der Lewis Collins und Christopher Reeves aus dem Feld geschlagen hatte, hatte einen Vorvertrag er für das offizielle Bond- Vehikel Octopussy in der Tasche. Einige seiner überzeugenden Testaufnahmen sind im Internet abrufbar. Er war schon auf Haussuche in London. Trotzdem hatte er das Nachsehen. Auf den Bond-Umbruch wurde verzichtet. Roger musste wieder ran.
Interessanterweise profitierten beide Filme an den Kinokassen von dem Bond vs. Bond-Duell. McClory kündigte sofort eine Fortsetzung an. Sean Connery erklärte sich bereit, für Warhead 2000 zurückzukehren. Zuerst als Akteur, dann als Produzent. James Bond sollte von seinem Sohn Jason Connery verkörpert werden. Die Story beinhaltet einen Unterwasserwelt Blofelds, der aus den Weltmeeren Edelmetalle extrahieren kann. Eine entwendete A-Bombe wird in der Freiheitsstatue deponiert und die Geheimorganisation schleust computergesteuerte Haie ins Abwassersystem New York ein. Bis in die späten Neunziger Jahre wurde das Drehbuch in geheimen Zirkeln Hollywoods wie ein heißer Pferdeapfel herumgereicht. Connery sagte zwar niemals nie, aber auch niemals mehr zu, diese abstruse Geschichte zu realisieren.
Shakespeare-Darsteller Timothy Dalton (Sam Neill und Mel Gibson waren alternative Kandidaten) wurde der nächste 007. Eigentlich hätte aber Pierce Brosnan in The Living Daylights seines Amtes walten sollen. Seine TV-Serie Remington Steel war eingestellt worden, erhielt aber im letzten Moment just durch die Ankündigung, dass Brosnan bald Bond würde, die nötige Finanzierung, um die Serie fortzuführen. Dalton wäre wiederum noch für Brosnans Debütfilm Golden Eye vorgesehen gewesen. Liam Neeson war ebenso ein Wunschkandidat in den sechs bondlosen Jahren zwischen1989 und 1995, er sah sich damals aber noch als „ernsthafter“ Schauspieler und nicht als Actionheld.
Spätestens nach Die Another Day war jedoch klar, dass sich das Erfolgskonzept selbst überholt hatte und im Kreis drehte. Die Einnahmen waren zwar wie immer exorbitant, aber das Publikumsinteresse schwand. Brosnan selbst wurde kreativ und lancierte Quentin Tarantino als Regisseur. Mit ihm gemeinsam ließe sich das Flair der Anfangszeiten wieder heraufbeschwören. Der Regisseur dachte an, den Filmstoff „Casino Royal“ in den sechziger Jahren anzusiedeln und in Schwarzweiß zu drehen. Ihn ereilte aber das gleiche Schicksal wie Steven Spielberg und Roland Emmerich, die sich geoutet hatten, gern einmal einen Bond drehen zu wollen und sich damit selbst ins Out schossen.
Casino Retroyale
Einige der Vintage- Ideen wurden aufgegriffen und einmal mehr begann die Suche nach dem idealen 007-Darsteller, der die Serie ins neue Jahrtausend führen sollte. Die Jason Bourne– Trilogie hatte schmerzhaft realistisch vorgezeigt, wie der Agentenfilm der Neuzeit aussehen musste, um ein weltweites Publikum anzusprechen. Deshalb schien Ewan McGregor, der vom Typ her Bond hätte sein können, als aussichtreichster Kandidat. Henry Cahill bestach durch sein gefälliges Äußeres, wurde aber als zu jung befunden. Dann war man sich angeblich schon mit Clive Owen einig. Anderen Quellen zufolge dementierte dieser, überhaupt kontaktiert worden zu sein. Einmal mehr war ein Australier im Gespräch. Hugh Jackman wollte sein Superhelden-Dasein als Wolverine jedoch nicht aufgeben. Jude Law war einer der üblichen Verdächtigen, beherrschte er doch die Rolle des Frauenhelden filmisch wie privat bestens. Der aus der Fernseh-Serie Nip Tuck bekannte Julian McMahon ließ sich für ein Herrenmagazin schon im Smoking ablichten. Es blieb sein einziger Auftritt im weißen Dinnerjacket.
Daniel Craig hatte einen großartigen, in London angesiedelten Gangsterfilm namens Layer Cake gedreht, der ihm schließlich die Rolle des Geheimagenten bescherte. Das Katz-und-Maus-Spiel beinhaltete die ganze Gefühls- Klaviatur, die er für Casino Royal benötigen würde. Seine Filmpartnerin Sienna Miller sollte gleich als Gespielin mit übernommen werde. Dass sie dann doch nicht engagiert wurde stellt sie auf eine Stufe mit anderen prominenten Beinahe-Bond-Girls wie Brigitte Bardot und Faye Dunaway. Man erinnerte sich plötzlich wieder des Drehbuchs, welches Ben Hecht verfasst hatte. Einige Elemente habe in den Film Einzug gehalten, viele nicht. In Hechts Version entführt eine Geheimorganisation, der der Erzbösewicht Le Chiffre vorsteht, die Töchter von politischen Entscheidungsträgern und setzt sie unter Drogen, um sie gefügig zu machen. Das deutsche Schloss, in dem die Mädchen zur Prostitution gezwungen werden, wird am Schluss gestürmt.
James Bonds Gespielinnen sind die Doppelagentin Vesper Lynn, der er einen Hochzeitsantrag macht, und eine fatale Femme namens Giovanna Scotti. Hier ein Auszug aus Drehbuch: „Bond becomes alert in the shadows. Gun in hand, Bond moves cautiously to the bedroom. He switches on the light and stands with his gun aimed at the lovely occupant of his bed. It is Giovanna in a transparent nighty. “How much did you pay the concierge to get in?” “Twenty francs, a bargain. May I have cigarette?” “Here, don`t set the bed on fire.” “I don`t need a cigarette for that”.”
Wenn man sich nun alle nicht realisierten und unvollendeten Projekte der Bond-Macher vergegenwärtigt, wo ist uns eventuell ganz großes Kino entgangen? Was sind die verpassten Sternstunden einer Superlativ- Serie? In allererster Linie wohl bei On His Majesty`s Secret Service, weil man davon ausgehen darf, dass der atmosphärisch dichte Film mit einem inspirierten Connery das Zeug zu einer Bond-Benchmark gehabt hätte. Pierce Brosnan unter Tarantino in einem „Casino Retro Royale“ hätte ein Meilenstein à la Pulp Fiction werden können. Vielleicht hätte Timothy Dalton in seinem dritten Bond Golden Eye geglänzt und eventuell hätte George Lazenby im hochglänzenden Diamonds Are Forever eine neue Ära eingeleitet. Und hätte sich Sean Connery 1967 für Casino Royal abwerben lassen und Roger Moore für ihn You Only Live Twice übernommen, wären wir in die frühe Gnade eines direkten Duells der beiden Meisterspione gekommen. Eines sollte man bei diesen ungesicherten Überlegungen nie vergessen: Der beste Bond aller Zeiten ist und bleibt immer der Nächste.
Der Spion, der in die Kälte kam
Sprach Daniel Craig kürzlich zu „Time Out“: Er würde sich lieber die Pulsadern aufschneiden, als wieder Bond zu spielen. Zumindest momentan. Und wenn er es doch wieder tun würde, dann nur des Geldes wegen. Dass die Bond-Rolle zugleich Fluch und Segen sein kann, zeigte sich ja schon beim großen Sean Connery, der nach You Only Live Twice (1967) ähnliche Töne anstimmte und nur durch hohe Gagen zu zwei weiteren Filmen überredet werden konnte. Doch unabhängig davon, ob Craig tatsächlich erschöpft ist oder mit seinen Aussagen bloß die zukünftige Gage in die Höhe treiben wollte: Leicht ist es gewiss nicht, eine mit allerlei Erwartungshaltungen aufgeladene, populärkulturelle Ikone wie den Meisterspion mit Hang zu Martinis und schönen Frauen zu spielen. Neben psychologischem Druck kommen nämlich noch eine umfangreiche Drehzeit, ein rigides Fitnessregime, allerlei Promotionverpflichtungen und die Angst vor Typecasting hinzu. Auch Regisseur Sam Mendes, immerhin Oscarpreisträger für American Beauty, bekannte, nervös gewesen zu sein, als er Skyfall (2012) inszenierte. Doch alles ging gut beim 50. Jubiläum der Filmreihe: Skyfall spielte Rekordsummen ein und kam auch bei der Kritik überaus gut an. Nun liegt allerdings die Latte für den Nachfolger Spectre besonders hoch. Zur Handlung hält man sich von Seiten der Produktionsfirma noch relativ bedeckt: Zwar kursierte letztes Jahr nach einem Leak das Drehbuch im Internet, doch soll es sich dabei um eine frühe Version gehandelt haben, bei der noch allerlei verändert wurde. Offiziell bekannt ist jedenfalls, allein schon durch den Titel, dass die Geheimorganisation SPECTRE erstmals seit Diamonds Are Forever (1971) wieder zurück ist (bei dem mit Beginn der Craig-Ära eingeführten Syndikat Quantum handelt es sich bloß um eine Unterabteilung im bösen Konzern). Bad Guy Oberhauser, dargestellt von Christoph Waltz geht möglicherweise auf eine Kurzgeschichte von Bond-Erfinder Ian Fleming zurück und scheint ein alter Bekannter des Agenten zu sein, den es auf die dunkle Seite der Macht verschlug. Außerdem lässt das einschlägig bekannte Nehru-Jacke, die Waltz in den Trailern trägt, noch Raum für einen möglichen Twist. Bonds weißes Dinnerjackett scheint anzudeuten, dass es wieder zurück zu den Wurzeln der Figur geht – allerdings wohl wieder mit jenem melancholischen, düsteren Unterton, der schon in Skyfall vorherrschte (für das exquisit-düstere Bild sorgt diesmal der niederländische Kameramann Hoyte Van Hoytema). Dass neben England, Italien, Nordafrika und Mexiko auch im verschneiten Osttirol und in der Steiermark gedreht wurde, ist hierzulande ja ausreichend bekannt und führt Bond erstmals seit den achtziger Jahren wieder in die Bereiche alpiner Action. Die Besetzung ist durchaus edel: Neben Craig und Waltz tummeln sich Léa Seydoux als Psychologin, Monica Bellucci als Witwe eines von Bond getöteten Attentäters, Ralph Fiennes als Bond-Boss M, Ben Whishaw als Waffenschmied Q, Naomie Harris als Miss Monepenny und Dave Bautista als SPECTRE-Henkersknecht. Man darf der Mission also optimistisch entgegenblicken.