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Filmkritik

Jean Seberg – Against all Enemies

| Jörg Schiffauer |
Eine weltbekannte Schauspielerin wird unfassbarerweise zur Zielscheibe des FBI.

Am Anfang verlief ihre Karriere geradezu bilderbuchmäßig. Jean Seberg wurde bei einem Casting unter 18.000 Bewerberinnen ausgewählt, um 1957 unter der Regie von Otto Preminger Johanna von Orleans zu spielen. Ihr Debütfilm verhalf ihr mit gerade einmal 19 Jahren gleichsam über Nacht zu einem großen Namen, ehe sie 1960 mit ihrer Rolle in Jean-Luc Godards À bout de souffle zur Ikone der Nouvelle Vague geriet. Etwas mehr als zehn Jahre danach, 1968 – auf diesen Abschnitt ihres Lebens fokussiert Benedict Andrews Seberg –, bricht Jean Seberg (Kristen Stewart), die mittlerweile mit ihrem Mann, dem Schriftsteller Romain Gary, und dem gemeinsamen Sohn in Paris lebt, nach Los Angeles auf, um ihre Hollywood-Karriere wieder anzukurbeln. Auf dem Flug trifft sie den schwarzen Bürgerrechtsaktivisten Hakim Jamal (Anthony Mackie), mit dem sie nach ihrer Ankunft weiter in Kontakt bleibt. Sie unterstützt dabei nicht nur seine politischen und sozialen Aktivitäten, sondern beginnt auch eine kurze Affäre mit Jamal. Und hier nimmt die Lebensgeschichte Jean Sebergs eine Wendung, die ebenso tragisch wie empörend ist. Denn wegen ihres politischen Engagements – so unterstützte sie auch die Black Panther Party finanziell – geriet sie ins Visier eines geheimen, illegalen Überwachungsprogramms, mit dem das FBI seit den fünfziger Jahren gegen vermeintlich subversive Organisationen und Privatpersonen – was immer die Behörde unter Leitung des Erzreaktionärs J. Edgar Hoover darunter zu verstehen pflegte – vorging. Im Zentrum der Aktion gegen Jean Seberg steht dabei der Abhörspezialist Jack Solomon (Jack O’Connell), der das Ausspionieren der prominenten Schauspielerin bis in ihre Intimsphäre hinein orchestriert. Doch es bleibt nicht bei der sich immer mehr ausweitenden Überwachung, das FBI inszeniert schließlich eine verleumderische Kampagne – sogar der junge Agent Solomon ist schließlich von diesen Methoden angewidert –, mit der Jean Seberg in der Öffentlichkeit diskreditiert werden soll. Seberg changiert zunächst zwischen stimmigem Period Piece und Politthriller, doch nach und nach rückt das ganz persönliche Drama der Protagonistin, die in einer Zeit gewaltiger gesellschaftlicher Umbrüche zwischen die Fronten gerät, in den Mittelpunkt.

Jean Seberg verkörpert jenen kulturellen Wandel auf vielerlei Ebenen geradezu emblematisch: Da tritt eine junge Frau auf, die tradierte Rollenbilder konsequent hinter sich lässt und ihr privates und berufliches Leben selbst zu bestimmen gedenkt. Eine Haltung, die sie auch selbstbewusst vertritt und sich etwa nicht aus karrieretechnischen Gründen als das nette Mädchen aus der Provinz von Marshalltown, Iowa – ihrem Geburtsort – inszenieren lassen will. Womit sie Gegnern gesellschaftlicher Veränderungen jedoch Reibungsflächen bietet, was schließlich in einer ekelhaften Diffamierungskampagne durch das FBI mündet, bei der zahlreiche Medien sich einer höchst widerwärtigen Komplizenschaft schuldig machten. Dass Seberg hier die stärksten Momente entwickelt, ist Kristen Stewarts einfühlsamer Verkörperung der Titelfigur geschuldet. Dabei macht sie die enorme emotionale Belastung, der die Protagonistin zusehends ausgesetzt wird, geradezu spürbar. Und es ist offensichtlich, dass sie dabei ihre eigenen, schmerzlichen Erfahrungen – bekanntermaßen wurde Stewart aufgrund ihres Privatlebens medial reichlich übel mitgespielt – hat einfließen lassen. Durch die Verschmelzung der eigenen Biografie mit der Rolle verleiht Stewart der Darstellung Jean Sebergs eine intensive Authentizität, die darüber hinweghilft, dass die Inszenierung phasenweise zu sehr Schablonen des Genres Politthriller bedient. Im Gedächtnis verbleibt zu Recht jenes Bild von Jean Seberg, die sich, obwohl psychisch durch den auf ihr lastenden Druck schwer angeschlagen, nicht brechen lässt und sich das bewahrt, was ihren Widersachern so völlig abhanden gekommen ist – Haltung und Würde. Diese Bild gilt es zu bewahren, gerade weil Jean
Seberg durch ihren frühen Tod 1979 einen hohen Preis bezahlen musste.