Oder: das Anekdoten-Kabinett des deutschen Ex-Außenministers
Nein. Langweilig wird einem bei diesen 140 Minuten nicht. Auch, wenn man es zu Beginn des Films befürchtet. Denn Regisseur Pepe Danquart lässt in seinem neuen Dokumentarfilm Joschka und Herr Fischer nicht nur den prominentesten Grünen Politiker seine Lebensgeschichte erzählen, sondern fährt parallel auch die Best-Of Bilder der Bundesrepublik inklusive ihrer Vorgeschichte auf: Hitlers Rede auf dem Nürnberger Parteitag, Bilder aus dem Warschauer Ghetto, Archivmaterial vom toten Benno Ohnesorg und natürlich die bekannten Bilder der Festnahme der RAF-Führungsriege. Später kommen noch die neuesten Bilder aus dem kollektiven medialen Gedächtnis wie die Anschläge von 9/11 hinzu. Diese werden von Joschka Fischer, während er im Berliner Club Tresor zwischen zahlreichen flimmernden Bildschirmen hin- und her wandelt, kommentiert oder mit persönlichen Anekdoten angereichert.
Selbstkritisch ist Fischer dabei in manchen Momenten, besonders, wenn es um seine jungen Jahre und den Beginn seiner Realo-Politikerkarriere als hessischer Minister geht. Seine Lehrjahre, wie er sie so schön bezeichnet, in denen er gelernt hat, wie wichtig es ist, „die Zuständigkeiten“ zu klären. Was immer das heißen mag. Aber der Rückgriff auf unverständliche Begrifflichkeiten, die niemand außerhalb des politischen Umfeldes versteht, gehört wohl zu den Berufskranheiten eines Politprofis. Doch wäre es an dem Regisseur gewesen hier noch mal um eine genauere Begriffsdefinition zu bitten.
Doch diese Chance verpasst Regisseur Pepe Danquart ebenso sehr wie die Möglichkeit an mancher Stelle kritisch nachzuhaken. Vielmehr hat man den Eindruck, als würde der Filmemacher, so wie man es in einem kurzen Perspektivwechsel innerhalb des Filmes auch sieht, die ganze Zeit vor Joschka Fischer stehen und ihm zustimmend zunicken, anstatt, wie man es von einem Dokumentarfilmer eigentlich erwarteten würde, kritisch nachzufragen.
Auch die Zeitzeugen, wie die Band Fehlfarben oder Katharina Thalbach, die in den so genannten Exkursen ihre Meinung zu den damaligen politischen Ereignisse von sich geben dürfen, tragen nichts Neues zu diesen Bildern bei, sondern berichten meist nur über altbekannte Probleme und Positionen. Auch wenn der Stolz auf seinen politischen Werdegang und seine Eitelkeit in manchen Momenten mit Fischer durchgehen und diesen Film zu einem Showlauf für den Politiker verkommen lassen, geling es Danquart eines sehr schön herauszuarbeiten: dass es Joschka Fischer mit seiner Absicht, die deutsche Gesellschaft zu verbessern, immer ehrlich gemeint hat.