Zweisam einsam: Renée Zellweger strahlt als Amerikas gebrochenes Sweetheart.
Man kann über Renée Zellweger sagen, was man will, ihre Judy Garland hat sie im Griff. Die Stimme, die Haltung, die Kindlichkeit, den Humor. Vor allem ihren Humor. Und dann die Show. Auf der Bühne im ausverkauften Saal gab Garland im wahren Leben alles, wenn sie wollte oder musste, Zellweger tut es ihr auf der Leinwand gleich. Am deutlichsten wird diese Hassliebe zu Auftritten in der Öffentlichkeit, als Garland am Premierenabend ihrer London-Show im Winter 1968 völlig erschöpft vor Angst und Zweifeln und mit einer selbstverschriebenen Dosis Alkohol und Tabletten im Blut nicht aus ihrer Garderobe kommen will und dann von der Tour-Managerin (Jessie Buckley) gegen ihren Willen doch ins Rampenlicht geschupst wird. Dann steht sie erst einen Moment lang verloren da, wie die kleine Dorothy im Wizard of Oz, dem Hollywood-Klassiker, durch den sie einst weltberühmt wurde, und fängt schließlich zu singen an. Erst zaghaft, dann immer entschlossener, bis die Band einsetzt und in Garland eine unverhofft gewaltige und unmittelbar entwaffnende Ladung Energie und Charisma freizusetzen vermag, die so famos ist wie unberechenbar. Denn kaum ist die Vorstellung zu Ende, fällt auch Garland backstage sofort wieder in sich zusammen, verstört und besorgt, dass sie das, was sie da gerade geleistet hat, vielleicht nicht noch einmal über die Bühne zu bringen im Stande ist.
Judy, basierend auf dem Musical-Drama „End of the Rainbow“ von Peter Quilter und vom britischen Theater-Regisseur
Rupert Goold für der Leinwand inszeniert, ist eindeutig Zellwegers Film. Doch anders als so manche ihrer Kolleginnen in ähnlichen Rollen (man denke an Marion Cotillards Edith Piaf), lebt und füllt sie die Rolle weniger als in ihr zu koexistieren. Denn so wie Garland sich nach ihrer eigenen Beschreibung als die Königin des Comebacks empfand, ist auch Zellwegers Engagement eine Art Wiedergeburt. Zwar meldete sie sich bereits 2016 nach einer sechsjährigen Arbeitspause mit Bridget Jones’s Baby vor der Kamera zurück, doch so richtig wollte es für die heute 50-jährige gebürtige Texanerin danach nicht weitergehen. Umso bewundernswerter ist ihre Darstellung, die neben Garlands Ausstrahlung, Mimik und Gestik auch jede Menge Raum lässt für ihre gebrochene Seele, die Einsamkeit, die Traurigkeit und ihre Sehnsucht nach einem wahren Leben im falschen. Dass im Vergleich zu Zellwegers Glanzleistung sämtliche Nebenrollen blass ausfallen und auch die Rückblenden in Garlands Jugend allzu plump wirken, ist bedauerlich. Judy, dem ewigen Star, kann dies jedoch nichts anhaben. Und Zellweger sorgt dafür, dass „ihr“ Film dennoch das Herz wärmt und die Erinnerung an eine der größten Showlegenden Amerikas wach hält.