Juliette Binoche über "Ma Loute", ihre zweite Zusammenarbeit mit Bruno Dumont, und über ihre Liebe zum Grotesken. Plus ein Rezept für ein wohltuendes Gesichtsöl.
Als Sie vor drei Jahren mit Bruno Dumont seinen Film „Camille Claudelle 1915“ fertiggestellt hatten, sagten Sie in unserem Gespräch darüber, dass Sie wahnsinnig gerne einmal eine echte komödiantische Rolle spielen würden, am liebsten in einem Film von Dumont. Und jetzt sitzen wir deswegen hier.
Daran erinnere ich mich noch genau – und Sie müssen wissen, ich glaube fest daran: Wenn man eine bestimmte Absicht in die Welt hinausschickt und fest daran glaubt, wird sie wahr.
Trotzdem soll ihre Besetzung für „Ma Loute“ nicht gleicht reibungslos geklappt haben, stimmt das?
Das ist richtig. Ich weiß noch, wie wir mitten in den Dreharbeiten zu Camille Claudelle 1915 steckten und ich zu Bruno sagte, wir sollten unbedingt eine Komödie machen. Das war damals auch den Umständen geschuldet – wir haben uns ja jeden Tag mit Traurigkeit und Drama und Eingesperrtsein beschäftigt, da sehnt man sich schon nach Fluchtwegen. Jedenfalls haben wir einige Zeit später telefoniert, als er wusste, dass er Ma Loute machen wollte. Aber wir konnten keine Tage finden, an denen wir beide Zeit gehabt hätten, daran zu arbeiten. Dann sagte er einfach am Telefon zu mir: „Vielleicht ist das nicht so schlimm, ich bin ohnehin nicht ganz sicher, ob du diese Rolle spielen könntest.“ Da war ich wirklich beleidigt, denn ausgerechnet ich sollte die Rolle nicht spielen können?
Was qualifiziert Sie denn Ihrer Meinung nach für die Komödie?
Ich weiß es gar nicht, aber mit Sicherheit habe ich eine wahnsinnige Lust auf Humor. Als Kind habe ich meinen Vater sehr stark imitiert, ich habe mich verkleidet und mir einen Bart aufgeklebt, ich hatte immer eine stark exaltierte Art. Gerade für den Beruf als Schauspielerin musste ich die Introspektion erst lernen und auch, dass ich mich zurücknehme. Ich könnte ja immer alles noch viel lauter machen, noch mit viel mehr Gesten, von allem viel mehr. Man sagt immer, Frauen können keine Burleske spielen, weil man nicht über eine Frau lachen darf und soll, die sich lächerlich macht. Wenn sie eine Treppe runterfällt, darf man nicht lachen. Ich wollte beweisen, dass das nicht so ist.
In diesem Film pushen Sie die Figur ins Groteske.
Ja, das war die Idee, ins Lächerliche zu gehen. Da muss man schon furchtlos sein. Das entspricht mir, das ist wie von der Klippe springen. Davor habe ich keine Angst. Das Burleske an den Figuren in diesem Film hat mich sehr fasziniert. Alles, was wir meinen, nicht aussprechen zu können, können wir auf burleske Weise sagen. Wenn jemand hinfällt, zum Beispiel, sagt das auch etwas über seine Seele aus. Oder über den Zustand rund um ihn. Die Absurdität oder Unbegreiflichkeit einer Situation kann durch eine burleske Interpretation, durch einen Ausdruck im Grotesken, in einen Bewusstseinszustand verwandelt werden. Diese Überhöhung, diese Schrillheit gibt der Komödie natürlich eine Art schmerzhaften Aspekt, nicht nur im Wortsinn und in physischer Hinsicht. Gerade bei Dumont ist es ja die Tragikomödie, die sich durch all seine Arbeiten zieht. In der Traurigkeit liegt immer auch Humor.
Und in der Freude liegt Schmerz?
Ja, doch. Man kann Freude nicht erklären. Sie ist ein Zustand. Sie ist Teil davon, Mensch zu sein, am Leben zu sein. Um wirklich Freude empfinden zu können, muss man vorher andere, schmerzhafte, freudlose Zustände durchmachen. Das weist auf ein Problem von Komödien hin: Wenn man glücklich ist, braucht man sie nicht.
Sie wirken gerade sehr glücklich.
Das ist immer auch eine Entscheidungsfrage. Wir haben die Möglichkeit, etwas zu erschaffen und etwas zu schaffen, alleine durch unseren Glauben an etwas. Wir haben so viel Kraft, Vorstellungskraft, die kann schon die buchstäblichen Berge versetzen. Angst darf man keine haben.
Als eine politische sowie soziale Satire stellt dieser Film die „feine Gesellschaft“ oder die selbstgefällige, dekadente, bourgoise, aristokratische Familie der gewalttätigen, kannibalistischen Arbeiterklasse entgegen. Welche Rolle spielt Klasse in diesem Film, und was davon gilt heute noch?
So ziemlich alles. Die Reichen, die sich davor fürchten, die Armen könnten ihnen was wegnehmen. Das ändert sich nicht. Außer, man würde die Angst los, die jeden zu beherrschen scheint. Klasse ist ein Machtbegriff, und diejenigen, die gerade Macht haben, wollen Klassen natürlich aufrechterhalten. Das ist heute nicht anders als früher. Viel von der Angst, die Menschen ja in Abhängigkeiten drängt und sie dort hält, hat mit Besitz zu tun und mit Besitzdenken. Könnte man sich davon endlich befreien, wäre das ein wichtiger Schritt. Gier, Hochmut: Die Menschen legen das nicht von selbst ab.
Zudem hat man den Eindruck, ein Angstklima wird – aus verschiedenen Gründen – auch medial geschaffen und befördert.
Das kann man nicht leugnen. Ich glaube, wir stecken inmitten eines großen Umbruchs, vor allem auf der Ebene der Reflektion. Die analytische Auseinandersetzung mit der Gegenwart in Echtzeit ist eine immense Herausforderung und gelingt nur selten. Nachdem, was in den vergangenen zwei Jahren zum Beispiel in Paris passiert war, konnte man schon fühlen, dass jederzeit wieder etwas Schlimmes passieren könnte. Dieses Gefühl erzeugt wiederum eine Traurigkeit, einen Spirit, mit dem man nicht leicht leben kann. Man fühlt aber auch Trotz. Die Lösung, die man in Paris gefunden hat, scheint eben dieser Trotz zu sein. So zu leben wie vorher. Als man noch keine Angst hatte. Als ob man nie wieder Angst hätte.
Wie war denn Ihre Zusammenarbeit mit Fabrice Luchini für diesen Film?
Sie fragen, weil Sie schon ahnen, was jetzt kommt, oder? Ich darf das sagen: Er hat ein Riesen-Ego. Ich liebe ihn, aber das muss man wissen. Er redet unfassbar viel vor jedem Take und direkt am Set. Direkt vor einer Szene bin ich das genaue Gegenteil, ich will mich wirklich konzentrieren. Da kann es schon zu Spannungen kommen. Man braucht auf jeden Fall viel Geduld. Er fordert immens viel Aufmerksamkeit ein. Ich habe immer das Gefühl, dass er innerlich total angespannt ist, vielleicht liegt es auch daran. Aber er ist großartig, soviel steht fest.
Positives Denken hilft Ihnen in allen Bereichen, richtig?
Zweifellos. Aber man muss vor allem auf den Körper hören. Das kommt jetzt vielleicht unerwartet, aber sich seines eigenen Körpers echt bewusst sein, das hilft immens. Sich zu spüren, nicht alles vom Kopf aus zu machen. Trotzdem will ich Sie nicht anlügen: Ich verwende außerdem eine spezielle Ölmischung fürs Gesicht. Wollen Sie das Rezept?
Ja ,gerne, bitte.
Jeder will das. Also: 100 Milliliter irgendwelchen Öls, Mandel, Argon, Jojoba, irgendein Öl. Dazu gibt man sechs Tropfen Rosenöl, am besten türkisches oder bulgarisches. Dann zehn Tropfen Weihrauch, zehn Tropfen Lavendel, zehn Tropfen Kamillenöl. Zwei Tropfen Pfefferminzöl, dann alles vermischen und jeden Tag morgens und abends ins Gesicht damit. Es hilft. Wenn Sie dran glauben.