Porträt des Künstlers als überraschend gefühlvoller Mann

Das ist alles Lüge, was ich hier sage. Sie werden die Wahrheit über Peter Kern nie erfahren.“ Der das sagt, ist Peter Kern selbst, und der muss es ja wissen. Trotzdem, soviel kann man hier verraten, ohne zu spoilern, wird es nicht oft Gelegenheit geben, diesem Mann so nahe zu kommen, wie es uns Veronika Franz, Filmjournalistin und Drehbuchautorin, und Severin Fiala, der mit seinem Regiedebüt Elefantenhaut für Aufsehen sorgte, mit ihrer kurzweiligen und berührenden Dokumentation ermöglichen.
Peter Kern: 1949 in Wien geboren, erst Sängerknabe, dann Theaterschauspieler, der vor allem in der BRD an allen großen Häusern reüssierte und schließlich zu einer fixen
Größe des Neuen Deutschen Films wurde. Er spielte u.a. bei
Wenders, Fassbinder, Syberberg und Geißendörfer. 1983 begann er selbst Filme zu machen. Seit einigen Jahren lebt er wieder in Wien und dreht mittlerweile so gut wie jedes Jahr einen Film, zuletzt: Blutsfreundschaft, King Kongs Tränen, Mörderschwestern, Glaube Liebe Tod und Diamantenfieber, dessen Kinostart noch aussteht. Kern ist nicht nur wegen seiner Statur eine imposante Gestalt und außerdem bei Festivaldirektoren, Filmfunktionären und Journalisten wegen seiner ausladenden Rede und seiner vehementen Selbst-PR, nun ja, bekannt. Einiges davon kommt auch im Film zu Tage, und die Filmemacher, die polnische Haushaltshilfe und das Personal am Filmset von Mörderschwestern können sich einiges anhören. Das ist das am wenigsten Interessante an diesem Film, weil man solches von Kern seit Jahren gewohnt ist: das Um-sich-Schlagen, das
Austeilen gegen alle und jeden. Dabei ist ohnehin weitum anerkannt, dass seine Haltung, nämlich radikal persönliche Filme zu machen ohne Rücksicht auf Verluste und die hiesigen trägen Verhältnisse, bewundernswert ist.
Das Schöne an dieser Dokumentation ist aber, dass sie neben dem polternden Grantler vor allem die ganz anderen Facetten der Persönlichkeit Peter Kerns in den Vordergrund stellt: dass er sehr gefühl- und liebevoll sein kann, dass er ein einsamer, nach Liebe und Anerkennung dürstender, sensibler Mann und Künstler ist, ein begnadeter Erzähler, Selbst- und Andere-Darsteller, ein Unikat, eine schillernde Figur, wie es in der heimischen Szene nur wenige gibt. Mit sichtlicher Anstrengung, aber auch mit offenkundiger Freude dringen Franz und Fiala durch die Selbstschutzanlagen, die Peter Kern um sich aufgebaut hat, und so wird mit der Zeit ein lustvolles Spiel aus der Diskrepanz zwischen der „Entrüstung“ Kerns über den Voyeurismus der Filmemacher und seiner unverhohlenen Freude über die Plattform, die ihm hier geboten wird. Einem besonderen Menschen, den man mögen kann, aber nicht muss, zuzuschauen und zuzuhören, ist immer etwas Besonderes. Schon allein deswegen sollte man diesen Film sehen. Andreas Ungerböck