Olivier Assayas über „Clouds of Sils Maria“, die Star-Power von Kristen Stewart und Robert Pattinson und über die leidige Frage der Rechteklärung.
War es eine Erleichterung, nach Ihren Polit-Dramen einen Film ohne mögliche politische Fallstricke zu drehen?
Allerdings! Im Unterschied zu einem historischen Film ist es eine enorme Erleichterung, wenn man bei der Ausstattung nicht ständig darauf achten muss, dass alle Details in die jeweilige Zeit passen. Dieser Film ist eine Komödie, ich konnte mit zwei Schauspielerinnen arbeiten, die ich verehre, und konnte Dinge tun, die ich lange nicht mehr gemacht habe. Wir haben viel improvisiert, und gerade die Einfachheit dieser Geschichte war für mich sehr angenehm.
Filme über Theaterinszenierungen fallen nicht selten hölzern und kopflastig aus. Wie haben Sie für die emotionale Komponente gesorgt?
Dieses Vorurteil war mir absolut bewusst, schließlich sehe ich das ganz ähnlich! (Lacht.) Bereits bei der Finanzierung des Projekts habe ich häufig gehört: „Oh Gott, wie langweilig!“ Diesem Problem muss man sich stellen, und die Lösung heißt: Komik, Tempo und Glamour. Zudem bedarf es aufregender Schauspielerinnen, die so einen Film lebendig werden lassen.
Als besonderen Spezialeffekt zeigen Sie Original-Ausschnitte aus dem Dokumentarfilm Das Wolkenphänomen von Maloja, der 1924 von dem Bergfilmer Arnold Fanck gedreht wurde. Wo haben Sie diese Rarität entdeckt?
Freunde im Engadin hatten mich zum Wandern eingeladen. Das Erlebnis in dieser wunderbaren Landschaft war einzigartig, ganz besonders die Wolkenphänomene in den Bergen. Zufällig fiel mir wenig später einen DVD über Arnold Fanck in die Hände, auf der ich seinen atemraubenden Kurzfilm entdeckte, der genau das zeigte, worüber ich beim Wandern so gestaunt hatte. Instinktiv wusste ich, dass ich das für meinen Film verwenden wollte. Einmal mehr hat die Kunst das Leben imitiert.
Wie haben Sie Ihre eigenen Wolken-Szenen gedreht? Dieses Phänomen lässt sich ja nicht täglich erleben.
Das Phänomen der Wolkenschlangen gibt es nur zwei Mal in der Saison. Man muss also warten und auf sein Glück hoffen. Wir hatten ein eigenes Team, das monatelang darauf gewartet hatte, nur diese Szenen zu drehen. Schließlich war es irgendwann soweit. Es war zwar leider keine perfekte Formation, aber immerhin: Wir hatten endlich unsere Schlange!
Haben Sie mit dem Computer bei diesen Bildern ein wenig nachgeholfen?
Es gibt ein paar ganz winzige kosmetische Nachbearbeitungen, aber nur in einigen wenigen Einstellungen.
Ihr anderer Spezialeffekt ist Kristen Stewart. Sind Sie damit auf den Spuren von David Cronenberg, der den anderen Twilight-Star Robert Pattinson engagiert hatte?
Mein langjähriger Produzent Charles Gillibert hatte mit Kristen On the Road von Walter Salles produziert und schwärmte mir seitdem von ihr vor. Ich traf sie einige Mal und fand sie sehr viel spannender, als ich erwartet hatte. Ich hatte schnell das Gefühl, dass Kristen weitaus mehr konnte als sie bislang zeigen durfte. Beim Schreiben des Drehbuchs stand sie ganz oben auf meiner Besetzungsliste, allerdings gab es Terminprobleme, und Mia Wasikowska sollte die Rolle übernehmen. Dann, ganz plötzlich, war Kristen wieder frei.
Wie sehr hilft ein Twilight-Star bei der Finanzierung eines Films?
Bei uns war es vor allem Juliette Binoche, die die Finanzierung ermöglichte.
Immerhin scheinen Sie auf den Star-Geschmack gekommen zu sein. Sie haben für Ihr nächstes Projekt Idols Eye Robert Pattinson engagiert.
Ich mag Robert Pattinson sehr gern. Kristen Stewart und er sind beide sehr smart und verstehen genau, wie man komplexe Gefühle darstellt. Sie wissen natürlich auch, dass sie bei unabhängigen europäischen Produktionen ganz andere Rollen bekommen als in Hollywood. Wie jeder Schauspieler suchen auch diese Stars nach Freiräumen, in denen sie sich entfalten und beweisen können.
Für diese künstlerische Freiheit verzichten die Stars dann auf ihre übliche Gage?
Klar, die Gage spielt da keine Rolle. Die bekommen für einen Tag bei Chanel mehr Geld als bei meinem ganzen Film. (Lacht.)
Bei Idols Eye wird auch Robert De Niro mitspielen – wie groß ist Ihr Respekt vor einer solchen lebenden Legende?
Natürlich ist das einschüchternd, zumal ich schon immer ein ganz großer Fan von De Niro war. Vor einigen Jahren saß ich mit ihm gemeinsam in der Jury von Cannes und durfte ihn etwas näher kennenlernen. Wenn man zehn Tage lang gemeinsam über Filme redet, entwickelt sich ein ganz besonderes Verhältnis. Robert vertraut mir, sonst hätte er diese Rolle in meinem Film kaum angenommen.
Luis Buñuel sagte einmal, Musik im Film sei ein Betrugsmanöver. Wie groß ist denn die Kitschgefahr, wenn man den Barock-Komponisten Johann Pachelbel auf den Soundtrack nimmt?
Der Meister des Soundtracks heißt Stanley Kubrick, und der hatte nie Angst davor, dabei auch auf die naheliegende Musik zu setzen. Mit bekannten Klängen erreicht man eine universelle Wirkung, denn damit kann jeder etwas anfangen. Ursprünglich wollte ich „Sarabande“ von Händel verwenden, und alle waren entsetzt, weil es das berühmte Stück aus Barry Lyndon ist. Mir war das egal, aber irgendwann entschied ich mich dann für Pachelbel. Die Auswahl der Musik geschieht bei mir immer ganz instinktiv, deswegen arbeite ich bei meinen Filmen auch nie mit Komponisten.
Bei der Nutzung von Titelblättern im Film wird im Nachspann eigens die Genehmigung dafür erwähnt. Verhält es sich ähnlich, wenn die Schauspieler Google nutzen?
Offen gestanden weiß ich das gar nicht, damit haben sich andere Leute beschäftigt. Mich macht es wahnsinnig, mich um die ganzen Rechte für die Nutzung von Motiven zu kümmern. Mittlerweile ist es fast unmöglich, die Kamera in einer Straße aufzustellen, weil irgendwo im Hintergrund etwas zu sehen ist, wofür ein Copyright erforderlich ist. Kino soll die Welt zeigen, wie sie ist – und nicht, wie sie durch die vorherige Klärung von Rechten aussieht.
Sie waren früher als Filmkritiker tätig. Lesen Sie heute die Besprechungen Ihrer Filme?
Nach der Premiere schaue ich mir ein paar Besprechungen an, um ein Gefühl zu bekommen, wie der Film ankam. Wenn die erste Neugier befriedigt ist, kümmere ich mich nicht mehr besonders darum. Ist ein Film fertig, ist die Sache für mich abgeschlossen. Daher schaue ich mir alte Arbeiten auch nicht mehr an, ich konzentriere mich lieber auf meine nächsten Projekte.