Ein Sammelband über die seit Anfang der Kunstform bestehende Faszination des Kinos für psychische Erkrankungen.
Das 25. Internationale Bremer Symposium zum Film hat sich mit der psychischen Erkrankung des Menschen eine „Gefährtin des Kinos“ zum Gegenstand gemacht, die im Kino von früh auf thematisch bespielt wurde und zur Weiterentwicklung filmischer Ausdrucksmöglichkeiten geführt hat. Die Beiträge der Veranstaltung stellen unterschiedliche Arten vor, wie klinische und soziale Krankheitsdiskurse im Film verhandelt werden. Mit Bezug zu Lacans Theorien zur Psychose erläutert Markus Kügle, inwiefern die Animationstechnik eines Films (wie Waltz With Bashir oder A Scanner Darkly) als eine ästhetische Strategie der Aneignung psychischer Erkrankungen fungieren kann.
Am Beispiel von Jessica Hausners Little Joe (2019) beschreibt Sabrina Gärtner die Inszenierung der Erkrankung, und Robin Curtis untersucht die Vermittlung der Erfahrungswelt von Personen mit Demenz (Still Alice;The Father); Lars Nowak widmet sich der filmischen Ästhetik paranoischer Psychose in Naked Lunch und eXistenZ, Silke Hilgers den psychoanalytischen Zugängen zum Film in der Kunsttherapie.
Zentral ist der Überblickstext von Tobias Dietrich zur Berührung zwischen psychischer Erkrankung und Filmästhetik – von Caligari zu Memento und Shutter Island –, gefolgt vom Kapitel „Cinemanie“ aus W.J.T. Mitchells im Entstehen begriffenem Buch „Seeing Through Madness“. Da scheint Verwandtes zusammengeführt, sind doch die von der Psychiatrie aufgeworfenen Fragen nach Wahr- oder Wahnhaftigkeit von Bildern dieselben, die auch das Kino zeitlos umtreiben.