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Kristin Oppenheim

Vom stetigen Kreisen um sich selbst

| Daniela Gregori |
Die eindrucksvollen Soundinstallationen der US-amerikanischen Künstlerin Kristin Oppenheim in der Wiener Secession.

 

Selbst, wenn sich das Augenlicht an die Dunkelheit gewöhnt hat – da gibt es nichts über die spärliche Beleuchtung hinaus, wo der Blick Halt finden könnte. Der Raum ist mit schweren, schwarzen Theatervorhängen ausgekleidet,  die hochflorige Auslegeware am Boden lädt zum Verweilen ein, ebenso wie der angenehme, etwas melancholische  Singsang, der einen umgibt. Es sind dies einige, wenige Zeilen eines Liedes in der Endlosschleife. Die Stimme wird mehrfach überlagert, wird so zu kanonartigen A-cappella-Gesang, der sich in der stetigen Wiederholung im Kopf festsetzt. Gleichsam eingeklinkt im Loop der Tonspuren und derart eingebettet in die wohlige Atmosphäre der Dunkelheit, entstehen traumähnliche Sequenzen, Bilder im Kopf.

Wie so oft seit den neunziger Jahren arbeitet die 1959 in Honolulu geborene US-amerikanische Künstlerin Kristin Oppenheim auch für die Soundinstallation „Where Did You Sleep Last Night“  mit ihrer eigenen Stimme als einzigem Instrument. Und wie sooft bedient sie sich hierbei eines alten Folksongs, in diesem Falle  überliefert aus dem späten 19. Jahrhundert, ein Lied übrigens, dessen sich auch Kurt Cobain angenommen hatte:

„Black girl, black girl, don’t lie to me
Where did you stay last night?
I stayed in the pines where the sun never shines
And shivered when the cold wind blows.“

Oppenheim ihrerseits hat die zweite Zeile umgewandelt. Sie fragt nicht nach dem Verbleib, sondern danach, wo die angesprochene Person geschlafen habe und wendet den Text somit in das Reich der Träume.War die Installation letztes Jahr aus Anlass des Frieze Sculpture Park im Londer Regent‘s Park aus am Rasen zu einem Kreis arrangierten Bodenlautsprechern gebildet, verwandelt die Künstlerin für die Version in der Wiener Secession das Graphische Kabinett in eine Black Box. In der nahezu hermetisch abgeschlossenen, fast intimen  Situation, frei von äußeren Einflüssen und Wahrnehmungen,  kann die Stimme ihre ganze eindringliche Wirkung entfalten. Obwohl sie in Abwesenheit der Akteurin stattfindet,  bleibt  diese rein auditive Form der Performance im  Bewusstsein noch lange präsent.  Als kleines Mädchen habe die Künstlerin Liedzeilen singend wieder und wieder repetiert, um Perfektion zu erlangen, doch die Methode gibt ihr auch die Möglichkeit, Geschichten zu erzählen, die sich nicht linear entwickeln, berichtet die schreibende Künstlerin Emma Dusong in einem Text über die Kollegin. Beim Besucher bewirkt die stetige Wiederholung des Gehörten einen Prozess der Anamnese, selbst nach Verlassen der Ausstellungsräume hallt das dergestalt Memorierte lange nach.

Ganz in diesem Sinne fasst Kristin Oppenheim mit dem Ausstellungstitel „Echo“ die in der Secession gezeigten Arbeiten zusammen und legt unter ähnlichen traumwandlerischen Aspekten  zwei weitere Räume im Kellergeschoss an. Erhellt lediglich durch das Licht der Rückprojektion verfolgt  man in der langen Galerie die eigens für die Secession entwickelte filmische Arbeit „The Sleep Walker“. Der Protagonist selbst ist nicht zu sehen, denn es ist dessen Betrachterposition, die die Filmkamera einnimmt. Der Besucher seinerseits erfährt sich als Schlafwandler. Bereits aus dem Jahr 2002 existiert mit eben diesem Titel eine Reihe von Arbeiten auf Papier. Ein feines Lineament fügt sich  in sanften Wellen auf diesen Tuschezeichnungen zu den Umrissen eines Nachtgewandes. Reiht man mehrere der Blätter nebeneinander, erzählen jene weiblichen Torsi von sonambulen Bewegungsabläufen. Ähnlich funktioniert auch das Cover für die Langspielplatte „Where Did You Sleep Last Night“, die aus Anlass der Ausstellung in der Secession erscheint. Es scheint dies die adäquate mediale Form zu sein, Oppenheims Ausstellungen zu dokumentieren, und so hat sich über die Jahre eine beachtliche Diskografie angesammelt. Die Entwürfe des Covers vermögen das Gehörte durchaus zu visualisieren. Die verschwommenen Umrisse der Sängerin überlappen sich als Widerhall, setzen sich als seriell, fast wie die Kader eines Filmes fort, ohne einen Anfang oder ein Ende zu markieren. Eingefärbt in zarte Pastelltöne, bekommen die Entwürfe etwas nachgerade Psychedelisches. Ganz in der Tradition der Sixties, der großen Zeit der Cover-Gestaltungen, ist auch die Innenseite mitbedacht, sodass sich die Bildsequenz als Endlosschleife über die gesamte Plattenhülle erstreckt.

Nun sind Soundinstallationen im Allgemeinen schon nicht ganz einfach in einem Ausstellungskontext zu handhaben, die Räume im Untergeschoss jedoch dürften eine spezielle Herausforderung für derlei Unterfangen darstellen. So etwas fällt nur dann auf, wenn es nicht funktioniert, wenn Geräuschkulissen miteinander kollidieren, Schallwellen in gewölbten Räumen ein unkontrollierbares Eigenleben entwickeln. Zwischen künstlerischer Geste und den lokalen Gegebenheiten ist es nicht leicht, den richtigen Ton zu finden. Gemeinsam mit der Kuratorin Jeanette Pacher, die das Projekt von Seiten des Hauses betreut, findet Oppenheim Wege und technische Möglichkeiten, dass die Installationen mit und in den Räumen funktionieren.

Die Frage nach den Gründen, warum sich Kristin Oppenheim ausgerechnet in Wien, der Stadt der Traumdeutung, für eine Darbietungsform ihrer Arbeiten entschieden hat, die noch dezidierter als sonst bei minimaler Beleuchtung auf maximale Konzentration auf das Unterbewusste setzt, ist so nicht entschieden. Wir werden davon träumen.