2021 steht die Novelle des Urheberrechtsgesetzes an. Die Initiative Urheber- vertragsrecht drängt unter anderem auf faire(re) Verträge und angemessene Vergütungen für die Kunst- und Kulturschaffenden. Ein Gespräch mit Maria Anna Kollmann, Gerhard Ruiss und Gernot Schödl, drei der treibenden Kräfte der Initiative.
„Online-Plattformen – vor allem die Tech-Giganten aus dem Silicon Valley – gehen davon aus, dass wertvolle kreative Inhalte gegen minimale Vergütungen oder überhaupt gratis für ihre Geschäftsmodelle zur Verfügung zu stehen haben. Oftmals bewegen sie sich in rechtlichen Grauzonen, weil technische Innovationen schneller auf den Markt kommen, als der gesetzliche Rahmen angepasst werden kann. Oder sie nehmen zu Unrecht Haftungsprivilegien für sich in Anspruch, die für ganz andere Anbieter geschaffen worden sind. Die für die Zukunft der Kreativwirtschaft enorm wichtige Monetarisierung des Contents im Internet wird so immer schwieriger.“ So steht es auf der Homepage der „Allianz Zukunft Kreativwirtschaft“. Diese Allianz versammelt prominente Produzentinnen und Produzenten und Verwerterinnen und Verwerter von (neudeutsch) „Content“, also Film, Literatur und Musik, aber auch Werbung. Mit dabei sind etwa die aafp – association of austrian filmproducers, die Film Austria – Vereinigung kreativer Filmproduzenten, die VAM – Verwertungsgesellschaft für audiovisuelle Medien, mehrere Fachverbände der Wirtschaftskammer Österreich, aber auch der ORF und der Verband Österreichischer Privatsender, VÖP. Doch die Allianz hat neben den US-amerikanischen Online-Giganten noch andere Gegner ausgemacht: „Gleichzeitig wird von einzelnen Künstlerverbänden ein Verteilungskampf angezettelt, der auf eine Umverteilung dieses Kuchens zulasten der Kreativunternehmen abzielt.“
Ein Schelm, wer die Formulierung „Künstlerverbände“ für leicht polemisch hält. Diese Verbände vertreten im Übrigen auch Künstlerinnen, von denen Österreich doch einige sehr namhafte aufzuweisen hatte und hat. Angesichts der 2021 anstehenden Novelle des Urheberrechtsgesetzes jedenfalls gingen die „Künstlerverbände“ in die Offensive und schlossen sich Anfang des Jahres zur „Initiative Urhebervertragsrecht“ zusammen: die IG Autorinnen und Autoren, die Berufsvereinigung der Bildenden Künstler Österreichs, der Dachverband der Filmschaffenden, die IG Übersetzerinnen Übersetzer, die Musikergilde, der Österreichische Komponistenverband, der Österreichische Musikrat und mica – music austria. Wesentliche Unterstützung bekommt die Initiative von der Verwertungsgesellschaft der Filmschaffenden (VdFS), deren Geschäftsführer, der Jurist Gernot Schödl, zum „ray“-Gespräch bat. Ebenfalls anwesend waren Maria Anna Kollmann, die Geschäftsführerin des Dachverbandes der Filmschaffenden, und Gerhard Ruiss, der Geschäftsführer der IG Autorinnen und Autoren.
300.000 MENSCHEN
„Wir haben in der Vergangenheit nie übereinstimmend agiert, weil jede Sparte ihre eigenen Probleme hat“, sagt Gerhard Ruiss. „Aber angesichts der bevorstehenden Novelle haben wir beschlossen, gegenüber den Produzentinnen und Produzenten gemeinsam aufzutreten. Das war eine mehrmonatige, sehr produktive Arbeit, und das Ergebnis ist das profundeste, das es in Österreich je gab. Es ist wirklich keine Selbstverständlichkeit, dass uns das gelungen ist – über alle Sparten und verschiedenen Interessenslagen hinweg.“ Gernot Schödl verweist darauf, dass die Initiative – den Amateurbereich eingeschlossen – nicht weniger als 300.000 Künstlerinnen und Künstler in Österreich vertrete.
Die anstehende Novelle ist eine unmittelbare Folge der Verabschiedung der europaweiten Binnenmarkt-Richtlinie durch die Europäische Union im Jahr 2019, die nun auch in Österreich umzusetzen ist, und zwar bis 7. Juni 2021. Ein zweiter, quasi ergänzender Anlass ist das türkis-grüne Regierungsüberkommen, in dem – wenn auch eher vage – festgeschrieben ist, dass in Sachen Urhebervertragsrecht etwas geschehen solle. Das sei allerhöchste Zeit, so Ruiss. Seit gut zwanzig Jahren sei in dem Bereich nicht nachgebessert worden. „Schon damals war es ein parlamentarisches Thema, geschehen ist wenig bis gar nichts. Daraus, dass es nun im Regierungsprogramm steht, schließen wir, dass es einen gewissen Gestaltungswillen gibt. Wir haben schon für die EU-Richtlinie sehr viel gearbeitet – was nun ansteht, ist die Umsetzung dieser Richtlinie. Wenn jetzt nichts geschieht, dann nie.“ Gernot Schödl: „Sinn und Zweck der Gründung der Initiative war es, sich so konstruktiv einzubringen, dass dies in der Novelle im Sinne der Kunst- und Kulturschaffenden nachhaltig bemerkbar ist.“ Das geht soweit, dass die Initiative sogar einen konkreten Gesetzestext vorformuliert hat, der auf ihrer Webseite nachzulesen ist. Der entsprechende Entwurf des Justizministeriums zu den behandelten Themen steht hingegen noch aus.
Auch Maria Anna Kollmann sieht den Anstoß zur gemeinsamen Initiative darin, dass „das Urhebervertragsrecht in Österreich hoffnungslos unterentwickelt ist. Bisher haben wir neidvoll ins benachbarte Ausland geschielt, aber jetzt, nachdem die EU – erstaunlich genug – diese Richtlinie verabschiedet hat, müssen wir die Chance ergreifen. Wenn die Allianz Zukunft Kreativwirtschaft behauptet, wir seien „einzelne Künstlerverbände“, so ist das absurd – wir sind mehr als 300.000 Menschen.“
VERTRÄGE UND VERGÜTUNG
Worum geht es nun konkret bei der anstehenden Novelle? Schödl: „Es gibt zwei große Schwerpunkte: Das eine sind fairere bzw. faire Verträge, das andere ist eine angemessene Vergütung für alle Urheberinnen und Urheber und ausübenden Künstlerinnen und Künstler – nicht nur, aber vor allem im Online-Bereich. Andere Länder, allen voran Deutschland, die Niederlande und Frankreich, haben längst umfassende urhebervertragsrechtliche Regelungen geschaffen, an denen sich auch die EU bei ihrer Richtlinie orientiert hat.“ Gerhard Ruiss sieht dabei die Literatur gegenüber der Musik und dem Film im Vorteil, die Verträge seien besser, „aber auch wir haben Vertragsdiktate, wo wir keine Tarife diskutieren und nichts bewegen können. Das ist ein unhaltbarer Rechtszustand. Leider fehlt es noch an konkreten Gesprächen mit dem Justizministerium – wofür Corona natürlich eine sehr gute Ausrede ist –, aber jetzt ist der Zeitpunkt, wo wir über all das sprechen müssen. Das kann man sehr gut auch per Videokonferenz tun.“
Im Filmbereich liege noch vieles im Argen, so Schödl. Immer noch dominierten in der Branche Verträge, die auf dem Prinzip „Entweder du machst es zu diesen Konditionen, oder es macht jemand anderer“ beruhen. Das müsse einfach anders werden. Die Allianz Zukunft Kreativwirtschaft sehe darin einen Eingriff in die Vertragsfreiheit, „aber was ist das für eine Vertragsfreiheit, wenn diese – überspitzt gesagt – darin besteht, den anderen einfach über den Tisch ziehen zu können? Die Regelungen, die wir vorschlagen, sind ausgewogen und schaffen erstmals die Voraussetzung für Verhandlungen auf Augenhöhe.“ „Man kann nicht von jemandem wie Michael Haneke ausgehen, der hat natürlich alle Optionen, wenn er einen Vertrag aushandelt. Man muss doch bitte auch an junge Menschen denken, die gerade von der Filmakademie abgehen. Die haben überhaupt keine Verhandlungsposition“, sagt Maria Anna Kollmann. „Wir wollen auch die Schwächeren vertreten. Gerade im Film gibt es eine strenge Hierarchie. Da oben ist die Regie, dort unten ist die Garderobe. Es geht hier auch um Solidarität, auch wenn das ein altmodisches Wort ist.“
Gerhard Ruiss: „Die Zeit der Verträge wie in den fünfziger oder sechziger Jahren, als es von Seiten des ORF tatsächlich hieß: ,Was wollen Sie denn, das ist doch Werbung für Sie?‘, die sind zum Glück vorbei. Als ob man sich etwas kaufen könnte dafür, dass jemand sagt: ,Ich habe Sie gestern im Fernsehen gesehen‘.“ Viele Verträge und Allgemeine Geschäftsbedingungen seien dennoch immer noch fragwürdig bzw. rechtswidrig, meint Schödl, und es gebe, „auch in Österreich, aber nicht nur bei uns, schwarze Listen von Kunstschaffenden, die sich bei Vertragsverhandlungen zu weit hinauslehnen, das ist kein Geheimnis.“ Das einzige, was dagegen helfe, sei, dass repräsentative Organisationen, wie Berufsverbände der Kunstschaffenden, mit Verbänden der Verwerter kollektive Verträge aushandeln, ganz wie im Arbeitsrecht. „Das ist das, was wir uns, nach dem Vorbild vieler anderer europäischer Staaten, auch für Österreich vorstellen. Denn eine repräsentative Vereinigung, ein Verband, hat z.B. mit einer Klage gegen sittenwidrige Bestimmungen in AGBs und Verträgen mit Sicherheit mehr Erfolg als der oder die Einzelne. Ein System des kollektiven Urheberrechts schafft Rechtssicherheit, übrigens auch für diejenigen, die produzieren. Davon profitieren alle.“
FAIRE BEZAHLUNG
Neben den Unzulänglichkeiten auf dem Gebiet der Verträge ist die Bezahlung bzw. Vergütung ein Hauptanliegen der Initiative Urhebervertragsrecht. Denn mehr noch als bei den Verträgen ist hier vieles nicht in Ordnung: „Aus Studien, aber vor allem aus der Praxis wissen wir, dass eines der Hauptprobleme in Österreich Fair Pay ist“, sagt Anna Maria Kollmann. „Da wird unterlaufen, da werden Gagen gedrückt, es gibt keine Honorarkataloge und keine Richtlinien. Es wird getrickst und bei den Budgets geschwindelt. Und das Urheberrecht ist einfach ein wichtiger Bestandteil von Fair Pay: faire Abgeltung und der Schutz geistigen Eigentums.“
Gernot Schödl kritisiert das „alte Denken“ bei vielen Produzierenden im Filmbereich: „Sie meinen immer noch, dass mit den Gagen, die in Österreich unbestritten nicht schlecht sind, alles abgegolten ist, auch die Urheberrechte. Das ist aber falsch, denn die Gage erhält man ja für seine Arbeit am Filmset oder für Vorleistungen und nicht für die Nutzung danach. Wenn es nun, wie bei Online-Portalen und Streaming-Diensten, eine erhöhte Nutzungsintensität des Werkes gibt, dann muss es dafür auch eine entsprechende Vergütung geben.“ Auch Ruiss sieht die Produzentinnen und Produzenten gefordert: „Die alten
Beteiligungsmodelle funktionieren einfach nicht mehr. Wenn es neue Formen der Verwertung gibt, dann muss man doch auch jene beteiligen, von deren Arbeit diese neuen Verwertungen am meisten profitieren. Unsere Leistungen zu verwerten und gleichzeitig zu sagen: ,Aber Geld gibt es keines dafür‘, das geht nicht.“
Die angemessene Vergütung müsse jedenfalls nach neuen Kriterien erfolgen, so Schödl. „Wir müssen davon wegkommen, dass jede Künstlerin und jeder Künstler sich auf eigene Faust um seine oder ihre Ansprüche kümmern muss. Das ist zeitaufwändig und teuer und somit kontraproduktiv.“ Die EU habe bei der Einführung eines gesetzlichen Anspruchs auf angemessene Vergütung daher ganz klar das deutsche Vergütungsmodell vor Augen gehabt.
COVID-19, so Ruiss, habe einmal mehr gezeigt, wie prekär die Situation der Kunstschaffenden vielfach sei, aber nicht, weil sie nichts leisteten oder nicht nachgefragt seien, sondern weil sie aus den Vergütungen zu wenig erhalten: „Förderungen sind schön und gut, und Überbrückungszahlungen helfen uns kurzfristig, aber langfristig kommen wir aus dem Prekariat nur
heraus, wenn wir in diese Verwertungsketten eingebunden sind. Nach unten soll das System nicht offen sein. Man soll eben nicht ins Bodenlose fallen können, sondern da soll es eine Mindestgrenze geben. Nach oben soll es sehr wohl offen sein, wir wollen ja erfolgsbeteiligt werden, und das sieht die EU-Richtlinie vor. Es kann nicht sein, dass wir das Risiko mittragen und enorme Vorleistungen einbringen und dann, wenn ein Werk erfolgreich ist, nicht mehr beteiligt werden.“
Es gehe gar nicht darum, jedenfalls beim Film nicht, dass alle Mitwirkenden beteiligt würden, aber die Hauptdarstellerinnen und -darsteller, die Regisseurin oder der Regisseur, die Drehbuchautorin oder der -autor, die Kameraleute und andere maßgebliche Kräfte natürlich. „Ich kenne aber kaum einen Vertrag“, sagt Gernot Schödl, „der das schon berücksichtigt, auch bei prominenten Filmschaffenden nicht.“
YOUTUBE, FACEBOOK UND CO.
Das große und allgegenwärtige Thema, wohl auch bei der Gesetzesnovelle, ist – siehe ganz oben – die ständig wachsende Nutzung von Inhalten durch Streaming-Dienste wie Spotify, iTunes, Netflix, Amazon usw., aber noch viel mehr durch beliebte Plattformen wie YouTube, Facebook oder Instagram bzw. deren Userinnen und User. Zumindest in diesem Punkt scheinen sich die „Künstlerverbände“ und die Kreativwirtschafts-Allianz einig zu sein. „Hier sind Verwertende und Kunstschaffende gemeinsam betroffen“, sagt auch Gerhard Ruiss. „Da werden unglaubliche Frequenzzahlen erreicht, ohne dass die Kreativen etwas davon hätten. Es herrscht europaweit Einigkeit, dass das so nicht weitergehen kann. Es geht um die Beteiligung der Kreativen an der Wertschöpfung, die dort generiert wird. Die Rechte bzw. die Lizenzen dafür haben die Verwerter, also meistens die Produzenten. Die Online-Nutzung steigt exponentiell an, das spiegelt sich aber nicht in den Vergütungen wider. Das kann man verbessern durch Vergütungen, die direkt bei den Plattformen eingehoben werden.“ In Deutschland und der Schweiz wurden bzw. werden bereits die Weichen gestellt, damit die jeweilige Verwertungsgesellschaft der Kunstschaffenden direkt an die Plattformen, etwa Netflix, herantreten kann.
Ruiss hält das auch für Österreich für durchaus realistisch. Man trete zwar gegen internationale Konzerne an, aber bei der Speichermedienabgabe vor einigen Jahren habe sich gezeigt, dass man durchaus Chancen habe, wenn man entschlossen auftrete. Es sei aber klar, dass es den politischen Willen geben müsse, die Interessen der Kunstschaffenden gegenüber den Konzernen zu vertreten. „Wir können auf Oscars verweisen und auf gleich zwei Literaturnobelpreise, das ist ja etwas wert. Unsere Politik ist gefordert, das anzuerkennen und zu schützen.“
Ruiss verweist darauf, dass es ohne die Leistung der Kunstschaffenden nun einmal nicht gehe und sieht eine Trendwende: „Vor etwa zehn Jahren hat man das Urheberrecht für tot erklärt. Das würde heute niemand mehr wagen. Und alles, was man uns angedroht hat – wir werden euch nicht mehr spielen, senden, hören usw. –, das ist ja alles nicht eingetreten. Dass die Userinnen und User die Inhalte frei nutzen, dagegen sagt ja niemand etwas, aber die Plattformen, die damit Unsummen verdienen, die muss man schon heranziehen. Die berufen sich gerne darauf, dass sie nur technische Mittel zur Verfügung stellen, aber das stimmt natürlich nicht. Das sind längst Medienunternehmen, und als solche sind sie auch rechtlich zu sehen. Für sie gilt natürlich das Medienrecht, auch wenn das im digitalen Bereich zunächst ausgehebelt wurde.“
Gernot Schödl: „In Deutschland haben sogar Top-Acts wie Helene Fischer oder Rammstein aufgeschrien, weil von der Online-Verwertung nichts bei ihnen ankommt, da kann man sich vorstellen, wie es bei anderen, weniger bekannten Musikerinnen und Musikern ausschaut. Deren Hauptgeschäft sind heutzutage Live-Auftritte und nicht Tonträgerverkäufe, und es wird immer mehr online konsumiert, besonders in Corona-Zeiten, und bei den Künstlerinnen und Künstlern kommt nichts an. Da muss sich etwas grundlegend ändern.“ Für diese erhöhte Nutzungsintensität müsse es vermehrt Vergütungen geben, das funktioniere aber nicht, weil Online-Rechte exklusiv und pauschal (durch einen sogenannten Buy-Out) abgegeben würden. Die Forderung der Initiative lautet daher: „Auch wenn diese Rechte abgetreten wurden, soll ein Vergütungsanspruch der Kunstschaffenden direkt gegen den Streaming-Dienst bzw. in bestimmten Fällen (User-Generated-Content-Nutzungen) auch gegen die Online-Plattform bestehen. Und überdies sage die EU-Richtlinie: „Buy-Outs müssen zwar weiterhin möglich sein, aber sie sollen nicht die Regel sein. Sonst handelt es sich um keine angemessene und verhältnismäßige Vergütung.“
MEANWHILE IN AUSTRIA …
Innerösterreichisch scheinen die Fronten etwas verhärtet. Maria Anna Kollmann: „Da gibt es im Filmbereich ganz unverblümte Aussagen wie: ,Wenn ihr mehr Beteiligung wollt, dann werden wir halt den Kollektivvertrag kündigen‘, das ist eine permanente Drohung. Aber selbst wenn es so wäre, dann gilt natürlich noch immer das allgemeine Arbeitsrecht, das ist gar nicht so übel. Und natürlich sind die Gagen nicht schlecht, aber dass man mit Buy-Outs alle Ansprüche abzugelten glaubt, das muss aufhören.“ Gerhard Ruiss kann dem Säbelrasseln wenig abgewinnen: „Die EU-Richtlinie ist ganz wesentlich den Kunst- und Kulturschaffenden zu verdanken. Die Produzierenden hatten einen ganz schlechten Stand in der politischen Debatte. Und wir haben eine Dynamik und vor allem gute Gründe, gerade in Zeiten wie diesen. Ich halte, was da von Seiten der Produzierenden kommt, für Kampfrhetorik. Sie werden gut daran tun, sich mit uns ins Einvernehmen zu setzen, übrigens auch das Justizministerium. Die Politik muss sich da nicht neutral verhalten, sondern sie muss Probleme lösen, das ist ihre Aufgabe. Und die Probleme sind evident.“
Er sehe hier „die alten paternalistischen Modelle“ am Werk, so nach dem Motto: „,Ja, ihr kriegt eh was, wenn wir was kriegen.‘Ganz nach dem bekannten Slogan ,Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s uns allen gut.‘ Ich hingegen würde sagen, es ist genau umgekehrt. Diese Argumentation stammt aus dem vorigen Jahrhundert, und damit meine ich nicht einmal das 20. Es geht doch heute um ganz etwas anderes, um neue partnerschaftliche Beziehungen. Die Produzentinnen und Produzenten haben doch nichts davon, wenn wir nichts schaffen können, und genauso selbstverständlich brauchen wir Leute, die unsere Werke verwerten.“
Auffällig oft ist in dem Forderungspapier der Initiative von Vereinfachung und Entbürokratisierung die Rede, und das, obwohl die Materie immer komplexer zu werden scheint, wenn man die wachsende Zahl an Plattformen, Streaming-Diensten und anderen Verwertungskanälen berücksichtigt. ,Ja, die Kreativwirtschaft fürchtet sich vor dem Bürokratiemonster“, so Schödl. „Das von uns vorgeschlagene kollektive Modell ermöglicht es jedoch, Sektor-spezifische Vereinbarungen zwischen repräsentativen Organisationen nicht nur in Bezug auf angemessene Vergütungen, sondern auch Transparenzpflichten zu treffen. Nur dort, wo Verwertungen von Werken und Leistungen auch tatsächlich stattfinden, soll eine regelmäßige Berichtspflicht bestehen und auch nur gegenüber jenen Kunstschaffenden, die einen wesentlichen Beitrag zum Werk geleistet haben. Insofern muss sich wirklich niemand vor unseren Vorschlägen fürchten.“ Gerhard Ruiss ergänzt: „Diese Abrechnungen müssen sowieso gemacht werden, das ist ein ganz normaler Vorgang, unter anderem im Literaturbetrieb. Und selbst dazu haben wir Vereinfachungen vorgeschlagen.“
Ein für 20. Oktober 2020 anberaumtes Gespräch zwischen allen Betroffenen hat jedenfalls mangels Teilnehmenden nicht stattgefunden. Gernot Schödl: „Wir haben dazu eingeladen, im Sinne der Vorgaben der EU, die zu nationalen Dialogen zwischen den Stakeholdern aufgefordert hat. Leider ist von Verwertungsseite niemand gekommen. Eine solche Gesprächsverweigerung ist für eine Kunst- und Kulturnation wie Österreich ein ziemliches
Armutszeugnis.“
Bleibt zu hoffen, dass sich irgendwann demnächst alle Beteiligten doch noch in einem Boot oder zumindest an einem Tisch einfinden werden. Wir berichten weiter.
www.urhebervertragsrecht.at
www.vdfs.at
www.filmschaffende.at
www.literaturhaus.at
www.allianz-zukunft-kreativwirtschaft.at