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La bohème

| Marc Hairapetian |

Robert Dornhelms hochkarätig besetzter Opernfilm bietet Mainstream auf höchstem Niveau.

Kinoversionen von Opern zu erstellen, ist in den meisten Fällen ein undankbares Unterfangen: Es geht viel von der Magie einer Opernaufführung verloren, zumal hier zwar live agiert, aber nicht gesungen wird und die Musik aus der Konserve kommt. So wirkt das Endprodukt häufig blutleer und hölzern. Nicht so im Fall von Robert Dornhelms filmischer Adaption von Giacomo Puccinis 1896 uraufgeführtem und dabei von keinem Geringeren als Arturo Toscanini dirigiertem Meisterwerk La Bohème: Der österreichische Regisseur rumänischer Herkunft, der die für das  Fernsehen produzierten Versionen von Spartacus (2004) und Krieg und Frieden (2007) künstlerisch in den Sand setzte, aber auch den für den Oscar nominierten Dokumentarfilm The Children of Theatre Street (1978) und die nicht unkritische Reminiszenz Karajan oder Die Schönheit wie ich sie sehe (2008) gedreht hat, baut nicht nur seinen Opern-Popstars Anna Netrebko und Rolando Villazón das angekündigte „Denkmal“, sondern schafft das Kunststück, eine werkgetreue und zugleich moderne Inszenierung abzuliefern. Werkgetreu auch deshalb, weil er seine La Bohème glücklicherweise nicht in die heutige Zeit verlegt, wie es manch anderer Filmemacher getan hätte. Modern vor allem deshalb, weil Dornhelms Inszenierung das in den Wiener Rosenhügel-Studios nachgebaute Paris des ausklingenden 19. Jahrhunderts mit hoher technischer Raffinesse, wie dem Einsatz von diversen Farbfiltern und atemberaubenden Kameraüberblendungen auf die Leinwand zaubert, dabei jedoch auf hektische Schnitte im MTV-Stil verzichtet. Seinen Stars Netrebko/Villazón gibt er alle Freiheit, ihr großes schauspielerisches Potenzial abzurufen und die tragische Liebesgeschichte der schwindsüchtigen Näherin Mimi und des armen Poeten Rodolfo auf berührende, aber niemals kitschige Weise zu erzählen. Gerade Anna Netrebko beweist Mut zur Einfachheit und überlässt die von ihr einstmals mit Bravour gesungene, glamouröse Partie der Musetta Gesangskollegin Nicole Cabell. Die aus Kalifornien stammende Sopranistin mit afroamerikanisch-asiatisch-europäischen Wurzeln ist die eigentliche Entdeckung des Films: Stimmlich und darstellerisch zieht sie alle Register, vom Männer verschlingenden Vamp bis zur treu sorgenden Freundin, die ihren Schmuck für die auf dem Sterbebett dahinsiechende Mimi verkauft. Eine Oper ohne Ouvertüre und ohne Abspannmusik, doch was sich dazwischen abspielt, wird Klassikfreunde aller Generationen begeistern.