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Filmkritik

Lady Macbeth

| Alexandra Seitz |
Streng gerahmt und doch nicht zu bändigen: die mörderische Gewalt eines Sinnenrausches

Eine Hochzeitsnacht auf einem Gutshof im Nordosten Englands, 1856: Harsch gebietet der schon etwas in die Jahre gekommene Alexander seiner soeben angetrauten, um einiges jüngeren, nunmehrigen Ehefrau Katherine, sie solle sich ausziehen; ganz so, als wolle er die erworbene Ware begutachten. Katherine tut wie geheißen und steht sodann, nachvollziehbar verunsichert, nackend in der klammen Kammer, abwartend, was nun geschehen möge. Doch anstatt die Ehe zu vollziehen, legt sich Alexander ohne ein weiteres Wort ins Bett, löscht das Licht und lässt die junge Frau im Finsteren stehen.

Es ist eine Demütigung sondergleichen, die am Beginn dieses Films steht, und die die Beziehung zwischen Katherine und Alexander zugleich hinsichtlich der zugeschriebenen Geschlechterrollen wie der damit verknüpften Machtfülle und Verfügungsgewalt verortet. Soll heißen: Die Frau gilt dem Mann als Besitz, hat für die Erbfolge Sorge zu tragen und davon abgesehen zu gehorchen sowie die Klappe zu halten. Schwiegervater Boris legt wenig später diesbezüglich nach, als er Katherine dafür tadelt, dass sie immer noch nicht schwanger ist. Draußen herumlaufen darf sie im übrigen auch nicht. Katherine ist ein Bestandteil des Interieurs, ein dekorativer Gegenstand, dazu gezwungen, dem eigenen Leben beim Vergehen zuzusehen, ohnmächtig und allmählich an der Unterdrückung ihrer Impulse irre werdend. Bis aus ihrem Innerem die Titelheldin erwächst und ein veritables Gorgonenhaupt erhebt, um Angst und Schrecken unter Männern jeden Alters und aller Stände zu verbreiten.

In seinem Spielfilmdebüt verfilmt der erfolgreiche britische Theaterregisseur William Oldroyd den Filmdrehbuch-Erstling der renommierten britischen Theaterautorin Alice Birch, die darin eine Novelle von Nikolai Semjonowitsch Leskow aus dem Jahr 1865 adaptiert: „Die Lady Macbeth von Mizensk“ – von Dimitri Schostakowitsch zur Vorlage der gleichnamigen, 1934 uraufgeführten Oper gewählt, welche 1936 von Stalin mit dem berühmt-berüchtigten Verdikt „Chaos statt Musik“ verworfen wurde. Aber das nur am Rande.

Ob nun in Wort, Ton oder Bild, erzählt wird die alte Geschichte von der Gewalt der Leidenschaft. In Lady Macbeth von Oldroyd auf allen Ebenen in eine überaus strenge Form gebracht, die die quälende Restriktion eines jungen energiegeladenen Lebens, die Blindwütigkeit des schließlichen Aufbegehrens sowie das enorme destruktive Potenzial dieses Normverstoßes recht eigentlich erst zur Geltung bringt. Tödlich konzentriert.