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Leise Rebellion

| Helene Sorgner |

Mit „Soldate Jeannette” legte das junge Team rund um Regisseur Daniel Hoesl ein im wahrsten Sinne unkonventionelles Langfilmdebüt vor. Der unter Verzicht auf Buch und Budget gedrehte Film wurde bereits erfolgreich im Wettbewerb des Sundance Film Festivals gezeigt und wird demnächst auch bei den großen Festivals in Rotterdam und Göteborg zu sehen sein.

Zwei Frauen auf Abwegen. Fanni flieht vor dem Geld, das sie längst nicht mehr hat, versteckt sich im Wald und heuert schließlich auf einem Bauernhof an. Dort trifft sie Anna, die seit zwei Jahren zwischen Stall, Küche und Bauer feststeckt. Auch sie würde dieses Leben nur allzu gern hinter sich lassen, und gemeinsam mit Fanni nimmt der Traum von Freiheit konkrete Gestalt an.

Soweit der narrative Inhalt von Daniel Hoesls Debütfilm Soldate Jeannette (bei dem Titel handelt es sich um einen absichtlichen Fehler als gendergerechte Schreibweise im Französischen), der am 18. Januar seine Weltpremiere als erster österreichischer Beitrag im Wettbewerb des Sundance Film Festivals feierte. Ein bemerkenswerter Start für den Jungregisseur und sein Team A European Film Conspiracy, gilt das von Robert Redford initiierte Festival im US-Bundesstaat Utah doch als wichtigster Präsentationsort für unabhängige Produktionen in Nordamerika. Europas Pendant, das Internationale Filmfestival Rotterdam, wird den Film Ende Januar ebenfalls im Wettbewerb zeigen. Vor der Österreichpremiere auf der Grazer Diagonale ist Soldate Jeannette außerdem noch beim Filmfestival Göteborg zu sehen.

Damit übertrifft der Film, der ohne Produktionsfirma und mit einem Budget von nur 65.000 Euro realisiert wurde, bereits jetzt alle Erwartungen. Daniel Hoesl, zuvor u.a. als Regieassistent von Ulrich Seidl aktiv, wollte mit Soldate Jeanette bewusst einen unabhängigen und experimentellen Weg des Filmemachens einschlagen. Inspiriert von zwei Liedern – Becks Soldier Jane und Schuberts Täuschung aus dem Zyklus Winterreise – begann er zunächst mit dem Casting interessanter Biografien. Mit Johanna Orsini-Rosenberg fand er eine Schauspielerin aus altem Adel, und mit Christina Reichsthaler eine junge Frau, die sich tatsächlich einmal für Kost und Logis in der Landwirtschaft verdingt hatte. Aus einigen Leitmotiven und den Lebenserfahrungen der beiden Darstellerinnen entwickelte sich schließlich der Film, über dessen Ende erst während der Dreharbeiten entschieden wurde. Alle Dialoge sind improvisiert, auf ein klassisches Drehbuch wurde verzichtet.

Dennoch hat der Soldate Jeannette nichts vom Charakter einer Dokumentation an sich. Der Anspruch von Daniel Hoesl und seinen MitverschwörerInnen in der European Film Conspiracy, Gerald Kerkletz (Kamera, arbeitete u.a. für Markus Schleinzers Michael und Sebastian Meises Stilleben), Eva Hausberger (Regieassistenz) und Katharina Posch (Produktion) lag vielmehr darin, aus den vorhandenen Ressourcen das Beste zu machen. Finanziell und zeitlich mit 25 Drehtagen begrenzt, war das Team, dessen Mitglieder nebenbei noch einer Erwerbsarbeit nachgingen, auf Effizienz und die kreative Mobilisierung sämtlicher Mittel angewiesen. Verwandte und Freunde (darunter Stadtkino-Chef Claus Philipp) stellten sich für Statisten- und Nebenrollen und andere Hilfstätigkeiten zur Verfügung, geprobt wurde zuhause, gedreht in Wien und Niederösterreich. Da man sich beispielsweise mit den ÖBB nicht auf eine Drehgenehmigung einigen konnte, ist der Zug, in dem Fanni mit dem Kontrolleur diskutiert, im Film nur von oben zu sehen. Viele Szenen wurden in einer einzigen Kameraeinstellung gefilmt, auf zusätzliches Material für den Schnitt wurde auch unter dem Anspruch der Beschränkung auf das Wesentliche verzichtet.

Das Ergebnis ist ein wortkarger Film mit bestechend klarer und ruhiger Bildsprache. Aufgespannt zwischen den Gegensätzen von Stadt und Land, Luxus und Kargheit, aber auch Technik und Natur spielt das visuelle Narrativ beständig mit den Erwartungen des Publikums, hält inne und wiederholt nach eigenen Regeln. Fannis leiser Rebellion der Verweigerung, stets hinter untadeliger Haltung verborgen, verleiht die Musik von Bettina Köster und Gustav euphorischen Ausdruck. Mit Zitaten von Godards Vivre sa vie, in dem wiederum Dreyers La passion de Jeanne d’Arc zitiert wird, und einer wie nebensächlichen Erwähnung von Chantal Akermans Jeanne Dielmann reiht Daniel Hoesl seine Soldate Jeanette zudem ganz beiläufig unter die großen Rebellinnen der Filmgeschichte ein.

Ob die frankophile Soldatin, die hier weniger Person als Leitmotiv ist, sich diesen Platz auch verdient hat? Bei der nordamerikanischen Kritik stieß Soldate Jeannette nach den Sundance-Screenings jedenfalls auf durchwegs positive Resonanz. Hervorgehoben wurden vor allem die wohlüberlegte Kameraführung und Hoesls gelassener Regiestil, der, wie Kritiker Michael Nordine schreibt, „ein unbestechliches Gespür für das Medium signalisiert“. Einen „sehr organischen Film“ und ein „Werk von besonderer gesellschaftlicher Relevanz“ lobte etwa Robert Bell vom kanadischen „Exclaim Magazine“, und der Blogeintrag von Kartina Richardson für die „Chicago Sun Times“ endet nach viel Lob für die erzählerischen Eigenwilligkeiten und visuellen Qualitäten des Films nicht weniger wohlwollend: „This is Hoesl’s first feature. Keep him in mind. He has the right idea.“ Optimismus ist also angebracht.