Lovecut

Filmkritik

Lovecut

| Roman Scheiber |
Coming-of-Age in Zeiten der Digital Natives

Seit Generationen wachsen Jugendliche mit ähnlichen Bedürfnissen auf: sich frei fühlen und trotzdem Freunde gewinnen. Gleichgesinnte kennenlernen, aber bitte möglichst unverbindlich. Amouröse Erfahrungen machen, Drogen nehmen, sich dem Rausch hingeben – blöd nur, dass man den Kater selbst auskurieren muss und einem das Geld so schnell ausgeht. Paarbindung bis auf Widerruf, probieren geht über studieren.

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Nun aber ist die sogenannte Generation Z dran (nennen wir die nächste dann eigentlich Z 2.0?), die Digital Natives. Sie sind mit den Apps und Plattformen aufgewachsen, sie können sich den Kick quasi auf einen Klick geben, ihren Erfahrungshunger in Echtzeit stillen. An jeder digitalen Ecke warten Chancen auf Kontakte oder Einkünfte, wie hier zum Beispiel durch online gestellte Privatsexvideos.

Der mittels Crowdfunding realisierte Film Lovecut der jungen Regisseurinnen Iliana Estañol und Johanna Lietha nimmt sechs Exemplare dieser Generation Z (in einem umfangreichen Prozess gleichsam von der Straße gecastet) genauer in den Blick. Er bereichert das Genre des Coming-of-Age-Films – nach nennenswerten jüngeren Produktionen wie L’Animale oder Siebzehn, ebenso von Frauen – um eine untypisch österreichische Hauptstadt-Variante: episodisch strukturiert, sensible Themen, improvisiert wirkende Kamera, eine Art dokumentarische Breitwandästhetik. Lovecut bläst wie eine frische Sommerbrise durch die Filmstadt Wien, durch Orte, die im Hintergrund als Zeichen der Metropole kenntlich sind, und durch Nicht-Orte, die sogar einem Urwiener schleierhaft erscheinen können. Dabei lässt er seine Helden ihre Suchbewegungen nach Identität, Glück, Erfüllung vollführen. Sie folgen ihren Impulsen und müssen lernen, mit den Konsequenzen zu leben. Sie lieben und enttäuschen einander. Sie „leben den Moment”, wie Christl Stürmer sang, aber man spürt ihre Sehnsucht nach emotionaler Stabilität.

Zwei Dinge kann man an diesem insgesamt sehr sehenswerten, an Stellen eindrucksvoll intimen Film bemäkeln: Die
Elternfiguren sind derart klischiert, dass man sie zugunsten tieferer Charakterisierung der Hauptfiguren hätte weglassen können. Und man hat den Eindruck, die Schicksale der jungen Helden mussten in formattauglichen anderthalb Stunden auserzählt werden – so enden die lose miteinander verbundenen Geschichten abrupt. Andererseits: So geht vielleicht ein Reflexionsprozess bei der Zuseherin oder beim Zuseher los. Was könnte aus diesen Menschen nach dem Abspann noch alles werden? Vorangestellt ist Lovecut ein Zitat von Leonard Cohen: „There’s a crack in everything. That’s how the light gets in.“