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Filmkritik

Loving Vincent

| Kirsten Liese |
Außergewöhnliches, hoch spannendes Künstlerporträt

Biopics über berühmte Maler erfreuen sich seit geraumer Zeit eines regelrechten Booms. Sie alle schildern auf ähnliche Weise, wie ein verkanntes Genie, geplagt von Armut, Ignoranz, Selbstzweifeln oder Depressionen, um seine Anerkennung kämpft.

Über Vincent van Gogh, dem die Widrigkeiten seines Lebens eine nahezu übermenschliche Leidensfähigkeit abverlangten, hätte leicht noch so ein Film entstehen können, aber zum Glück gelingt hier mit dem denkbar größten künstlerischen Anspruch etwas gänzlich Neues. Dorota Kobiela und Hugh Welchman wagen das großartige Experiment, einen ganzen Film aus gemalten Bildern zu komponieren. Selbstredend handelt es sich – das gebietet die Authentizität – um echte Ölgemälde, die nach van Goghs selbst gemalten Bildern angefertigt wurden. Sie alle erwachen als bewegte Animationen zum Leben – Felder mit goldener Ernte, Landschaften mit Booten, rötlichen Sonnenbällen und wilden Wolkenbergen. Und dazu all die Menschen, die der produktive, unentwegt sich seiner Arbeit verpflichtende Van Gogh in den letzten zehn Wochen vor seinem Tod porträtierte, der nur dank seines ihn finanzierenden Bruders Theo überhaupt seinen Weg als Künstler gehen konnte.

Das sinnliche, visuelle Erlebnis verbindet sich dabei mit einem hoch spannenden Krimi um den geheimnisumwitterten Tod des Malers: Armand, der Sohn des Postboten Raulin, begibt sich auf eine Spurensuche. In dem unweit von Paris gelegenen Dorf Auvers-sur-Oise beging Van Gogh vermeintlich Selbstmord. Der junge Mann befragt dort alle Personen, die Vincent gemalt hat: die Tochter des Wirts, in dessen Gasthof er zuletzt logierte, den Bootsmann am Fluss, wo er seine Tage verbrachte, den zwielichtigen Arzt Gachet, der ihn nach seiner Entlassung aus der Nervenheilanstalt betreute, dessen geheimnisvolle Tochter und Gachets schnippische, bigotte Haushälterin.

Angesichts der widersprüchlichen Auskünfte regt sich mehr und mehr ein kühner Verdacht: Könnte es sein, dass Vincent van Gogh sich gar nicht selbst die Schusswunde zufügte, sondern Opfer eines Verbrechens wurde? Wie sich die Puzzleteile zusammenfügen, die frei erfundene Story um den Detektiv Armand und die wirklichen Begebenheiten, soweit sie Kunsthistoriker etwa auch anhand kostbarer Briefwechsel rekonstruieren konnten, ist einfach grandios. Dass sich die Gegenwart bei alledem mit kraftvollen Farben von den konsequent in Schwarzweiß gehaltenen Zeichnungen in den Rückblenden absetzt, bringt bei alledem noch eine Raffinesse in die Erzählung.