ray Filmmagazin » Personen » Wir wissen, was es heißt, zu arbeiten
Machete Jessica Alba

Machete

Wir wissen, was es heißt, zu arbeiten

| Thomas Abeltshauser |

Jessica Alba & Danny Trejo im Gespräch über Latinos als Actionhelden, Einwanderungspolitik und die Arbeit als Schauspieler.

War die neuerliche Immigrationsdebatte in den USA ein Grund, Machete zu drehen?

Danny Trejo: Wir haben den Film bereits davor gemacht. Und Immigration war schon immer ein Thema, Amerika ist ein Einwandererland. Robert Rodriguez’ Film handelt auch nicht so sehr von Immigration als von Korruption, mit den Drogenbaronen auf der einen und den bestechlichen Politikern auf der anderen Seite.

Jessica Alba: Wir brauchen eine Einwanderungsreform in unserem Land. Danny und ich, wir sind beide in Texas und Kalifornien in mexikanisch-amerikanischen Familien aufgewachsen und uns war beiden sehr früh bewusst, was in den Bundesstaaten an der Grenze abgeht und wie das in der Öffentlichkeit verdreht wird.

Hat sich die Situation durch das drastische neue Einwanderungsgesetz in Arizona verschlimmert?

DT: Jedes Mal, wenn sich ein Politiker profilieren will, geht es um Immigration.

JA: Vor allem für Konservative ist es die leichteste Art, auf Stimmenfang zu gehen. Und es ist eine Schande, dass dieses Gesetz angenommen wurde. Es ist uncool und rassistisch. Rassistisch gegenüber jedem Menschen mit einer anderen Hautfarbe. Stellen Sie sich vor, Sie fahren als Tourist egal welcher Nation durch Arizona und Ihre Haut ist etwas dunkler – dann können Sie festgehalten werden, bis die Bundesregierung feststellt, ob sie legal sind oder nicht. Es ist wirklich bescheuert.

Sind Ihnen persönlich solche Dinge passiert?

DT: Permanent. Wenn ich mit meinem Wagen angehalten werde, ist die erste Frage des Cops oft: „Habla inglés?“ – da denke ich mir nur: „Oh, halt’s Maul, Bulle.“

JA: Es ist wirklich lächerlich. Unser Nationalsport ist Baseball – und die Mehrzahl der Spieler sind Latinos. Ich würde nicht in Arizona spielen wollen und ständig meinen Pass bei mir haben müssen. Wir brauchen ganz dringend eine Reform! Und ich finde, es ist sehr mutig von Robert, sich dieses kontroversen Themas anzunehmen und nicht bloß einen Exploitationfilm abzuliefern, sondern damit auch etwas sozial und politisch Relevantes zu vermitteln. Wir sind keine Politiker, wir sind Künstler und können auf unsere Art Stellung beziehen.

Danny Trejo, bevor Sie Schauspieler wurden, waren Sie selbst auf die schiefe Bahn geraten. Wie viel von Ihnen ist in der Figur des Killers Machete Cortez?

DT: Ich trainiere für die Rolle seit Desperado. Seitdem habe ich in vielen Filmen wie Predators immer Typen mit Messern gespielt. Nur diesmal habe ich ein richtig großes. Machete haben wir gemacht, weil ihn die Fans wollten. Es war zuerst ja nur ein Faketrailer, der zwischen den beiden Filmen des Grindhouse-Double-Features von Tarantino & Rodriguez lief. Aber die Leute waren so heiß drauf, in England haben sich sogar manche mein Konterfei tätowieren lassen.

Robert Rodriguez hat gesagt, Sie hätten eines der beeindruckendsten Gesichter der Filmgeschichte. Was halten Sie davon?

DT: Das heißt nur, dass ich oft verdroschen wurde. Die erste Hälfte meines Lebens war eine große, lange Charakterstudie. Nein, Robert und ich verstanden uns von Anfang an und wir wissen fast ohne Worte, was der andere gerade denkt. Nur manchmal muss er mich ein bisschen bremsen, wenn ich beim Spielen über die Stränge schlage.

Jessica, Sie haben als Latina immer wieder mit Vorurteilen zu kämpfen. Hat Sie das zu einer besseren Schauspielerin gemacht?

JA: Jede Situation, die einen herausfordert, zum Nachdenken bringt oder Schmerzen bereitet, hilft einem zu wachsen, nicht so sehr als Schauspieler, sondern einfach als Mensch.

DT: Schau dir die ganzen Kids an, die im Filmbusiness groß geworden sind und keine Ahnung vom echten Leben da draußen haben. Die haben irgendwann große Schwierigkeiten, sich zurechtzufinden. Das war bei uns beiden anders. Wir wissen, was es heißt, zu arbeiten. Und wir wissen, dass unsere Schauspieljobs ein echter Segen und nicht selbstverständlich sind.

JA: Man muss es aus der richtigen Perspektive sehen. Das hier ist Arbeit. Das Zuhausesein mit meiner Tochter ist das Leben. Diese Unterscheidung fällt mir sehr leicht. Ich definiere mich nicht über meine Arbeit.

Was macht Sie dann aus?

JA: Mein Dasein als Mutter, Tochter, Ehefrau.

Könnten Sie sich vorstellen, die Schauspielerei ganz aufzugeben?

JA: Ich liebe meine Arbeit, verstehen Sie mich nicht falsch. Und es ist der perfekte Job als Mutter. Ich bin mal zwei, drei Wochen für Dreharbeiten weg, aber dann kann ich wieder lange Zeit komplett mit meiner Tochter verbringen. Die meisten meiner Freundinnen mit Kindern müssen den ganzen Tag arbeiten und sehen ihre Kinder nur morgens und abends. Und ich bringe meine Tochter sogar mit ans Set.

Sie waren in letzter Zeit in einigen sehr brutalen Filmen zu sehen, wie etwa Michael Winterbottoms The Killer Inside Me. Kaum vorstellbar, dass Sie diese Art Filme auch zuhause anschauen.

JA: Stimmt, The Killer Inside Me war sehr heftig. Aber ich habe auch die Familienkomödie Little Fockers gedreht. Ich lache gern. Und ich mag auch Actionfilme – wenn es eine starke Frauenfigur gibt. Mag sein, dass ich ein wenig desensibilisiert bin, was Gewalt angeht, weil ich in den USA aufgewachsen bin. Bei uns ist es sehr viel kontroverser, einen nackten Busen zu zeigen als jemandem den Kopf abzuschlagen. Ich weiß, dass der Rest der Welt nicht so tickt, aber ich bleibe ein Kind der amerikanischen Gesellschaft und Kultur. Zuhause schaue ich mir aber lieber Filme wie The Princess Bride oder Breakfast Club an.

Waren Sie von den Reaktionen bei der Premiere von The Killer Inside Me auf der Berlinale überrascht, dass der Film frauenfeindlich sei?

JA: Es ist ein harter Film, zugegeben, aber er basiert auf einem nicht minder heftigen Roman. Er ist sicher nichts für Zartbesaitete. Aber ich bin sehr stolz auf den Film.

Haben Sie als Latinos eine andere Position oder eine andere Attitüde?

DT: Wir sind vor allem Amerikaner. Aber wir sind uns natürlich gewisser Spannungen und Probleme stärker bewusst, weil wir dauernd damit konfrontiert werden. Wir suchen eher nach Lösungen als zu behaupten, alles sei in Ordnung.

JA: Uns ist bewusst, dass wir vielen Nichtweißen den Weg ebnen, egal ob Asiaten, Schwarzen oder Latinos. Wenn wir als Helden auf der Leinwand zu sehen sind, brechen wir damit mit Stigmata und Stereotypen, wie Hollywood üblicherweise farbige Menschen darstellt. Robert Rodriguez macht das und James Cameron übrigens auch.

DT: Ich bin der erste Latino-Actionheld in der Geschichte Hollywoods. Und es brauchte jemanden wie Robert, um ein solches Projekt zu realisieren. Wir sind seit John Wayne in Filmen dabei, aber immer als Böse, als Muse, als Witzfigur …

Wird Machete daran etwas ändern? Oder wird es eine Ausnahme bleiben?

DT: Ich denke, Machete wird zeigen, dass ein Latino einen Film tragen kann.

JA: Es gab auch schon Antonio Banderas …

DT: Ein Spanier!

JA: … oder Salma Hayek, zum Beispiel. Je erfolgreicher solche Filme sind, umso unwichtiger wird die Hautfarbe. Und Machete ist ein toller Actionfilm, egal welche Hautfarbe der Held hat.

DT: Ich hatte als Schauspieler ja immer gut zu tun, ich hatte immer Jobs. Nur war ich eben auch immer der Bad Guy. Aber ich hatte auch keine Angst, festgelegt zu werden. Schauen Sie mich an, sehe ich aus wie der Good Guy? Johnny Depp muss sich keine Sorgen machen, dass ich ihm Rollen wegschnappe.

Werden Sie sich nun verstärkt um andere Rollen bemühen?

DT: Ich will einfach arbeiten. Wenn ich als Fassadenmaler ein Bürogebäude gestrichen habe, werde ich doch nicht sagen, ab jetzt streiche ich keine Einfamilienhäuser mehr. Ich streiche jedes Haus. Ich bin ein Arbeiter. Wenn jemand will, dass ich einen Baum spiele, spiele ich einen Baum. Und wenn ich dazu Früchte tragen soll … ist das eine Frage der Gage. Ich bin da nicht sehr wählerisch.

Jessica Alba, wurden Sie auf bestimmte Rollen festgelegt?

JA: Nach „Dark Angel“ wollten mich alle als Actiongirl sehen. Deswegen habe ich danach ganz bewusst einen Tanzfilm gemacht. Als Frau ist man ohnehin schon so eingeschränkt, dass ich mich einfach selbst herausfordern und so viel wie möglich an unterschiedlichen Dingen ausprobieren wollte.

In den Medien werden Sie jedenfalls zumeist als Sexsymbol dargestellt.

JA: Ich sollte es wohl als Kompliment verstehen, wenn man mich positiv sieht. Aber es ist eben auch sehr oberflächlich und vergänglich. Es hat nicht viel mit mir zu tun. Ich wache ganz sicher nicht so auf, wie ich Ihnen jetzt gegenübersitze. Aber ich habe einen tollen Make-Up-Künstler, der mich aufbrezelt.

DT: Ich wache übrigens jeden Morgen so auf.