Auf und Ab eines Einsiedlers als anspruchsvolle Unterhaltung zum Staunen und Denken
Tirol, Zillertal, Ende der sechziger Jahre. Elias, der eigentlich lieber Abenteuerromane liest, soll bald den Bauernhof des Vaters übernehmen. Strenge patriarchal-katholische Abläufe strukturieren die Lebenswege der Familie, und so entsetzt es vor allem die Mutter, dass sich ihr Sohn ausgerechnet in eine geschiedene Frau verliebt. Nachdem der Vater ihn infolge eines psychischen Zusammenbruchs entgegen dem Anraten des Arztes als heilende Maßnahme (eher: damit er „richtig“ zu arbeiten lernt) für ein halbes Jahr auf die Alm schickt, findet sich Elias auf einmal allein wieder, oben auf dem Berg – und dort scheinbar zu sich. Die knüppeldicke Auseinandersetzung mit den Eltern lässt denn auch nicht lange auf sich warten. Denn der junge Mann will nicht mehr zurück.
Bis hierhin könnte die Zusammenarbeit von Adrian Goiginger, dem 2017 mit Die beste aller Welten schon autobiografisch-realistisches, im besten Sinne ganz eigenes Erzählkino gelang, und Felix Mitterer, wohl dem Experten überhaupt für die Dramatisierung Tirols, kaum besser halten, was sie verspricht: Die Kinoversion von Mitterers auf wahren Begebenheiten beruhendem Theaterstück ist ein körpernahes Drama, das sein Brennglas schmerzvoll auf familiären Generationenkonflikt legt, dessen Auf- und Entladungen in Märzengrund zwar über fünfzig Jahre vor unserem Heute verortet sind, der sich sehr ähnlich jedoch immer noch abspielen könnte. Inszeniert ist das äußerst formsicher, präzise rhythmisch, kaum je mit einem Element zu viel. Elias wird seine eigene Hauptfigur, ein freiwilliger „Robinson Crusoe“ der Alpen, mit der Natur und ihr zum Trotz. Als dann per Einblendung 40 Jahre vergehen und er dem berühmten Gestrandeten auch optisch ähnelt, haben sich die Dinge aber erheblich verkompliziert. Einerseits dem Geschehen nach: Halluzinationen, Krankheit, ein Niedergang gleich dem widerwilligen Weg ins Tal. Andererseits wird der Film in diesem zweiten Akt gestalterisch vergleichsweise fahrig, wobei einander einiges an Schwere und überdeutliche Allegorie anstacheln.
Dem Gesamterlebnis tut Letzteres keinen großen Abbruch. Märzengrund geht unter die Haut, nicht als naive Ode an das Freisein, sondern im Gegenteil deshalb, weil die Zerrissenheit des Ausbrechenden so greifbar wird. Individuell sein innerhalb der Kernfamilie als astreines Dilemma. Elias selbst liest keineswegs nur Daniel Defoe, sondern auch Erich Fromms „Die Furcht vor der Freiheit“; nur eines vieler schöner Details in diesem Film, der ebenso gut durchdacht wie zugänglich ist.