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Maria Montessori

Filmstart

Maria Montessori

| Kirsten Liese |
Biopic über die titelgebende Pädagogin

 

Mit ihrer Methode, Kinder individuell zu fördern und zum eigenständigen Lernen anzuleiten, wurde sie weltberühmt. Aber nicht aus dem Leben der bereits erfolgreichen Maria Montessori (1870–1952) erzählt dieses Biopic, sondern von ihren weniger bekannten, anstrengenden Anfängen als Ärztin in einem selbst gegründeten Bildungsinstitut in Rom. Dort hat sie es sich zur Aufgabe gemacht, geistig behinderten Kindern etwas beizubringen, in denen angesehene Doktoren nur „Idioten“ sehen.

Regisseurin Léa Todorov interessiert sich aber nicht nur für die geniale Pädagogin Montessori, deren Bildungskonzept heute weltweit in nach ihr benannten Schulen Anwendung findet, sondern vor allem auch für die frühe Feministin, die gegen das Patriarchat aufbegehrte. Um „niemandes Eigentum“ zu werden, will sie auf keinen Fall heiraten. Und nimmt deshalb die Bürde auf sich, ihren kleinen Sohn aus ihrer Liebesbeziehung mit ihrem Kollegen Giuseppe (Raffaele Esposito) in eine Pflegefamilie zu geben, da die Gesellschaft eine wilde Ehe mit unehelichem Kind nicht akzeptiert.

Die Pionierin Montessori ist in diesem Historiendrama jedoch nicht die Einzige, die ihr Kind verstecken muss. Lily d’Alengy (Leïla Bekhti), eine fiktive Pariser Edelkurtisane, reist eigens nach Rom, um ihre geistig behinderte Tochter in Montessoris Institut loszuwerden. Als beliebte Amüsierdame will die Französin ihr Ansehen in feudalen Kreisen nicht gefährden. Ihr Streben nach Unabhängigkeit verbindet die ungleichen Frauen, deren konträre Einstellungen zur Mutterschaft der Film geschickt verwebt: Während Maria sich schwer damit abfinden kann, ihren eigenen Sohn nicht bei sich aufzuziehen, will Lily die kleine Tina anfänglich ziemlich herzlos abschieben. Ein wenig plakativ trägt der Film seine gesellschaftspolitische Anklage gegen die misogyne Gesellschaft des ausgehenden 19. Jahrhunderts vor sich her. Aber wie sich die beiden Heldinnen allmählich anfreunden und unterstützen, erzählt er feinfühlig und sublim mit vielsagenden Blicken und kleinen Gesten. Nicht vergeblich appelliert Maria an Lily, ihrer Tochter mit Geduld und Wertschätzung zu begegnen, damit sie sich besser weiterentwickeln kann. In einer der schönsten Szenen kommen sich Mutter und Tochter zögerlich am Klavier näher. Mit opulenten Bildern vom mondänen Salonleben in Paris und atmosphärisch dichten Szenen in Montessoris Institut empfiehlt sich das leise Drama bei alledem für die große Leinwand.