Ein Ehemann, der seine Frau nicht verlassen kann, muss eben dafür sorgen, dass sie ihn verlässt – koste es, was es wolle. Mit Married Life inszeniert Ira Sachs einen schwarzen Krimi mit augenzwinkerndem Humor und Anleihen bei Hitchcock.
Der einzige Reiz der Ehe“, hat Oscar Wilde einst geschrieben, „ist, dass sie ein Leben der Täuschung für beide Seiten absolut notwendig macht.“ Ein süffisanter, zeitloser Aphorismus, der Pate gestanden haben könnte bei Ira Sachs’ Married Life, geht es darin doch um das Paradox, dass ausgerechnet jene Verbindung, die nach herkömmlichem Verständnis tiefstes Vertrauen voraussetzt, bisweilen zur Grundlage der pikantesten Lügen wird. Married Life zeigt Szenen einer Ehe als Panoptikum aus Täuschungen, Enttäuschungen und Intrigen. Und da es kaum möglich ist, genaueres über diesen Film zu schreiben, ohne einzelne Wendungen zu verraten, sollte man nicht weiterlesen, wenn man sich die Überraschungsmomente bewahren will.
Die Geschichte spielt im Kalifornien des Jahres 1949 und erzählt von dem Büroangestellten Harry Allen (Chris Cooper) und seinem besten Freund Richard (Pierce Brosnan). Harry ist, wie man so sagt, glücklich verheiratet – und doch scheint der Ehe mit seiner fürsorglichen Frau Pat (Patricia Clarkson) etwas Entscheidendes zu fehlen, denn Harry hat eine Affäre: In klassischer Manier wirkt die blonde Kay (Rachel McAdams, aus Red Eye noch in bester Erinnerung) mit ihrer jugendlich-frischen Attraktivität auf Harry, einen Mann im besten Midlife-Crisis-Alter, wie ein Jungbrunnen. Er ist fest entschlossen, den Rest seines Lebens mit ihr zu verbringen. Dies bedeutet freilich nicht, dass er seine Gattin Pat nicht mehr lieben würde, im Gegenteil: Seine Sorge um sie geht so weit, dass er ihr eine schmerzhafte Trennung ersparen will – und beschließt daher, sie zu töten. Ein Mord aus Liebe, sozusagen, nur mit anderen Vorzeichen.
Harry, wie der großartige Chris Cooper ihn spielt, ist ein Durchschnittstyp, spießig, aber durchaus sensibel. Seine männliche Sentimentalität wird ihm gleichwohl zum Verhängnis. Denn während er in männerbündlerischer Art seinem besten Freund Richard von seiner heimlichen Liebe zu Kay erzählt, wird dieser sofort von einem brennenden Bedürfnis erfüllt: seinem besten Freund die bildschöne Geliebte auszuspannen.
So spielen sich in Married Life zwei Intrigen gleichzeitig ab: Während Harry mit verblüffender Perfektion den Mord an Pat vorbereitet, können wir Richard dabei zusehen, wie er sich hinter dem Rücken seines Freundes an Kay heranmacht. Die Ironie dabei ist, dass der berüchtigte Frauenheld hoffnungslos dem Zauber der Jean-Harlow-haften Blondine verfällt. Immer mehr verschwimmt bei Richards Avancen die Grenze zwischen kühler Berechnung und aufrichtiger Zuneigung – wenn er voller Übermut bei Kay auftaucht und sie überraschend in ein Tanzlokal ausführt, wirkt dieser lässige Casanova tatsächlich eher wie ein hoffnungslos verliebter Teenager.
Die Rolle des Richard ist in ihrer moralischen Ambivalenz komplexer, als sie auf den ersten Blick scheint, und sie gibt Pierce Brosnan einmal mehr Gelegenheit, sein Charisma spielen zu lassen und zugleich sein außerordentliches Talent unter Beweis zu stellen. Knapp zehn Jahre nach The World Is Not Enough wirkt seine Verkörperung des James Bond angesichts von Filmen wie The Tailor of Panama, Matador, Seraphim Falls und nun Married Life nur noch wie eine Seitenlinie seiner Karriere. Nicht weniger beeindruckend sind freilich Chris Cooper und Patricia Clarkson, die schon lange zu den faszinierendsten Persönlichkeiten des amerikanischen Kinos gehören. Beide strahlen auf den ersten Blick etwas Unscheinbares aus, eine typisch amerikanisch anmutende Form von vorstädtischer Nachkriegs-Biederkeit, wie man sie von Douglas Sirk oder aus Todd Haynes’ Far From Heaven kennt, in dem Clarkson ebenfalls eine tragende Rolle spielte und der für Married Life einen wichtigen Bezugspunkt darstellt. Umso überraschter ist man dann von der Beiläufigkeit, mit der sich die Geheimnisse hinter den verschlafenen Fassaden von Harry und Pat auftun.
Gute Gründe mit bösen Folgen
Bereits in seinen ersten beiden Filmen, der Schwulengeschichte The Delta (1996) und dem Sundance-Gewinner Forty Shades of Blue (2005), hat Ira Sachs sich mit den Grauzonen des Familien- und Beziehungslebens beschäftigt. In Married Life lotet er nun im Rahmen einer augenzwinkernden Melange aus Krimi, Melodram und schwarzer Komödie die moralischen Zwiespältigkeiten aus, die jede Ehe, jede Liebesbeziehung und jede Freundschaft prägen. Indem er sämtlichen Charakteren und jeder Beziehung immer neue, unerwartete Seiten gibt, treibt er ein geschicktes Spiel mit dramaturgischen Konventionen und stereotypen Publikumserwartungen. Denn wenngleich man zu Beginn des Films zu wissen glaubt, welche Rolle und welches Schicksal den verschiedenen Charakteren zugedacht ist, wird man sehr schnell eines Besseren belehrt – der Mörder etwa hat die besten Absichten; der aalglatte Verführer wird zum sentimentalen Romeo; die wasserstoffblonde, vermeintlich schlichte Geliebte hat mehr Verstand und Anstand als ihre beiden Geliebten; und die sanfte, betrogene Gattin entpuppt sich selbst als Ehebrecherin. Jeder hat ein Geheimnis, und jeder hintergeht den Menschen, der ihm vermeintlich am nächsten steht – ironischerweise ist es durchweg das allzu menschliche Bedürfnis nach Nähe, welches die Beziehungen ins Wanken bringt. Der Clou dabei ist, dass man als Zuschauer niemanden wirklich verurteilen mag. Es gibt kein „Gut“ und kein „Böse“ in diesem Film, dafür jede Menge guter Gründe, die böse Folgen nach sich ziehen.
Zumindest in dieser Hinsicht unterscheidet sich der Film von der Romanvorlage Forty Roundabouts to Heaven von John Bingham, die einerseits wesentlich zynischer ist, andererseits eine sehr viel striktere Moral transportiert. Der changierende Tonfall der Adaption findet sich dagegen schon in der Grundstimmung des Films: Da stehen klassisch anmutende Suspense-Szenen mit deutlichem Hitchcock-Bezug neben Situationen, die wie bissige Variationen eines Sirk-Melodrams daherkommen. Und der Gedanke, dass die Welten dieser beiden Regisseure offenbar weniger weit auseinander liegen, als man vielleicht dachte, ist eine der schönsten Pointen des Films.
Dass Married Life trotz seiner zahlreichen filmischen Bezüge (selten sieht man die Protagonisten eines Films so oft ins Kino gehen, wie hier) nicht zu postmodernistischem Zitatenkino erstarrt, ist vor allem Sachs’ inszenatorischem Understatement zu verdanken: Die Verweise sind keine eitle Show, sondern unterstreichen auf subtile Weise die Stimmung der jeweiligen Situation. Sachs, so wirkt es, ist trotz seiner emotionalen Themen ein eher analytisch-distanzierter Filmemacher. Möglicherweise aus diesem Grund ist Married Life zwar von einer selten gewordenen Ruhe und Beherrschtheit, droht bisweilen allerdings in dramaturgische Schwerfälligkeit, wenn nicht gar Didaktik zu kippen. So geistreich die wechselweise an Oscar Wilde und Agatha Christie erinnernden Dialoge auch sein mögen – gelegentlich neigen sie in TV-Serien-Manier dazu, Wendungen und – noch schlimmer – Pointen zu erklären, die durch die Bildsprache bereits klar waren.
In den besten Momenten hingegen ist der Kommentar trügerisch. Das Ende des Films etwa wurde bisweilen als unangenehm moralisch kritisiert. Tatsächlich aber löst Sachs die Konflikte in Resignation auf – der Mensch kann vielleicht nicht mit festem Partner und besten Freunden, aber ohne geht es schon gar nicht. Vor allem die Schlusseinstellung wirkt wie eine melancholische Variation auf Happy-End-Konventionen: Aus dem Vorgarten beobachtet man, einem Voyeur gleichend, Harry und Pat durchs Wohnzimmerfenster beim fürsorglichen Ehe-Miteinander. „Lustig, nicht wahr?“, fragt Pierce Brosnan, ein Ire wie Oscar Wilde, aus dem Off. „Was tut man nicht alles für die Liebe?“ So kann man ein Leben der beiderseitigen Täuschung natürlich auch umschreiben.